Theo Lehmann - Jugendgottesdienst Nr. 15

Abschrift der Predigt vom 13. Mai 1973 über Apostelgeschichte 17, 1-34 (Paulus in Athen). Theo Lehmann hat über diese Bibelstelle in ähnlicher Form im Rahmen des Jugendgottesdienstes Nr. 120 am 9. April 1989 (überschrieben mit: „Keinem von uns ist Gott fern!“) gepredigt.

 

Liebe Freunde,

Der Mann, von dem ich euch heute erzählen will, heißt Paulus. Ich habe mir einen Auszug aus seiner Personalakte anfertigen lassen.

Da steht drin: Staatsangehörigkeit: Römer. Nationalität: Jude. Beruf: Teppichweber. Größe: klein bis mickrig. Besondere Kennzeichen: messerscharfer Verstand, leidenschaftliches Temperament und eine Stinkwut auf die Christen.

Die Christen behaupteten, dass ihr Herr Jesus, der in Jerusalem gekreuzigt worden war, gestorben ist und begraben worden war, nicht im Grab geblieben wäre, sondern dieser Jesus wäre auferstanden und er würde leben.

Vom Christenhasser zum Missionar Nr. 1

Das hält der Paulus nicht bloß für den letzten Husten, sondern auch noch für eine Gotteslästerung. Deswegen hat er sich zum Lebensziel gesetzt, die Christen zu vernichten. Und weil er so ein fanatischer Christenhasser war, hatten ihn die Behörden in Rom gleich zum Kommissar zur Vernichtung der Christen eingesetzt. Und als er gerade wieder einmal unterwegs war, um die Christen zu vernichten, er hatte die nötigen Vollmachten und Haftbefehle schon in der Tasche, da schmeißt es ihn im wahrsten Sinne des Wortes einfach um. Mitten auf der Landstraße nach Damaskus, mitten am helllichten Tage, mitten in einer Gruppe von Freunden, da begegnet ihm der auferstandene Jesus und spricht ihn an und fragt: Warum verfolgst du Mich?[1] Da bricht Paulus zusammen und er muss erkennen, dass das, was er bisher gedacht hat, nicht gestimmt hat. Er hatte bisher gedacht: Die Christen spinnen. Und nun muss Paulus umdenken, er muss lernen, dass Jesus lebt.

Und so erlebt Paulus seine Bekehrung, und so wird aus dem fanatischen Christenhasser der größte Missionar der Kirche und von diesem Tag an ist Paulus ohne Unterbrechung unterwegs, in sämtliche Länder, Städte und Dörfer der damaligen Welt, und er bringt die Botschaft von Jesus überall hin, zu allen Menschen, die erreichbar sind in Asien und in Europa. Das ist der Mann, der das Evangelium nach Europa gebracht hat.

Und ich will euch heute erzählen, wie es ihm gegangen ist, als er das Evangelium nach Europa gebracht hat, in das Zentrum der damaligen Zivilisation, nach Athen. Ich muss euch zunächst ein bisschen erzählen, wie die Situation damals in Athen gewesen ist. Während unsere Vorfahren noch mit den Bären kämpften und friedlich Heidelbeeren sammelten und auf der Bühne der Geschichte noch gar nicht aufgetreten waren, da hatten die dort in Griechenland schon eine lange und ruhmreiche Geschichte hinter sich, in der es von gewaltigen Helden wie dem Herkules nur so wimmelte. Es hat selten auf unserer Erde einen Platz gegeben, wo die Menschen und menschliche Kunst einen solchen Höhepunkt erlebt haben. Es wird selten eine Stadt oder ein Land gegeben haben, wo in einem so kurzen Zeitraum so viele Geisteshelden zusammen gewesen sind.

Griechenlands Beitrag zur europäischen Kultur.

Ihr werdet sicher solche Namen kennen wie Plato, Heraklit, Demokrit, Sokrates, Aristoteles - und selbst wenn ihr die noch nicht gehört habt, dann werdet ihr eure Tageszeitung aufschlagen können und werdet in jeder Zeitung finden, dass der größte Teil der wichtigsten Begriffe unserer neuen Zeit aus der griechischen Sprache stammt. Von A bis Z. Von Atom bis Zoologie. Beispielsweise solche Begriffe wie Physik, Politik, Demokratie, Philosophie, Technik, Musik, Poesie – das kommt alles aus der griechischen Sprache. Die Griechen waren nicht bloß Helden des Geistes, sie waren auch Helden auf anderen Gebieten. Sie haben zum Beispiel die Olympiade erfunden und auch die klassische Kunst. In Athen steht ein gewaltiger Tempel, der Parthenon-Tempel, der von allen Touristen bestaunt wird, mit 98 Säulen, jede aus Marmor und 50 m hoch. Gegen so ein Bauwerk nimmt sich unsere Schlosskirche aus wie so eine bescheidene Gartenlaube. In Athen ist jeder Fensterrahmen, jeder Balkon, jede Türklinke ein Kunstwerk für sich. Und in dieses Eldorado der Schönheit, der Kunst, der Geisteshelden, der Denker, der Philosophen bringt nun der Apostel Paulus seine Botschaft von dem auferstandenen Christus.

Paulus ist genervt vom Sightseeing.

Zunächst unternimmt der Paulus einen Spaziergang durch die Stadt, wie sich das so gehört. Wenn heute ein Tourist durch Athen geht, dann steigert sich seine Begeisterung über die Herrlichkeiten, die er dort sieht, von Schritt zu Schritt. Mir hat einmal einer erzählt, der dort gewesen ist, er hätte mit seiner Kamera so viel fotografiert, dass ihm vorne am Zeigefinger eine Hornhaut gewachsen wäre vom vielen Knipsen.

Bei Paulus ist das nicht so gewesen. Er hat keine Freude an diesen Dingen gehabt. Er kam immer mehr in Wut, je länger er durch die Stadt spazieren ging. Er ärgerte sich besonders über die vielen Götterstandbilder, die dort herum standen[2]. Dort, wo bei uns eine Litfaßsäule herumsteht, da hatten die ein Standbild mit einem Gott hingestellt. Wo man auch hinguckte, fand man so eine Gestalt, mit göttlich geschwungenen Waden und feinpoliertem Hintern, die ganze Stadt war wie ein einziges Museum.

Den Paulus macht das nun, je länger, je mehr nervös. Nicht weil die oben und unten ohne waren, das war ja Kunst, dann darf man das ja, sondern weil der Paulus merkt, all diese Göttergestalten und Kunstwerke sollen ein Ausdruck der Idee der Unsterblichkeit sein, die einer der griechischen Philo-sophen, nämlich Plato, gelehrt hatte.

Paulus erkennt, dass die Athener sich etwas vormachen mit ihrer Unsterblichkeitstheorie, weil er weiß, es gibt nichts und niemanden, was unsterblich ist, außer dem lebendigen Gott alleine. Paulus kann einfach nicht begreifen, dass Menschen, die klug sind und gebildet, und etwas leisten wie diese Athener, dass solche Menschen Götter anbeten, die sie in ihrem Kopf ausgedacht haben und mit ihren Händen in ihren Werkstätten geformt haben. Das kann er nicht begreifen.

Die Athener sind kluge Leute, das waren gebildete Leute, sie wussten so viel, manche wussten so viel, dass sie sich eingebildet haben, sie wüssten überhaupt alles. Einer von denen, Sokrates, war der allerschlaueste, als er sagte: „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“ Ich sage, das war der allerschlaueste, denn einer, der sagt: „Ich weiß, dass ich nichts weiß“ weiß immerhin mehr als einer, der nicht weiß, dass er nichts weiß.

So gebildet sie waren - das Wichtigste kannten die Athener nicht.

Ob sie sich nun bescheiden gaben oder arrogant, es waren superschlaue Menschen. Bloß das Wichtigste, das Allerwichtigste, das einzige, worauf es ankommt im Leben, das wussten sie nicht. Sie kannten nicht den lebendigen Gott. Und das nervt den Paulus. Und was ihn nun am meisten auf die Palme bringt, das ist folgendes: Er geht durch die Stadt, und da trifft er nun auf einmal auf ein solches Posament, einen Steinsockel, da steht überhaupt nichts drauf. Das Ding ist oben rum total leer, da steht bloß unten eine Inschrift dran: „Dem unbekannten Gott“. Als der Paulus das sieht, haut es bei ihm die Sicherung durch. Diese gebildeten Griechen haben Götter massenweise. Sie haben für jede Gelegenheit ein Gott gehabt. Sie hatten einen für den Krieg, einen für die Liebe, einen für die Diebe - im Ernst: Sie hatten einen für die Diebe, und der war praktischerweise auch gleichzeitig der Grund für die Kaufleute. Also, ich kann ich sagen, es gibt heute noch Menschen, die diesen kombinierten Gott der Diebe und Kaufleute noch verehren, er hat seine Anhänger und seine Tempel auch in unserer Welt, zum Beispiel in unserer Stadt, im Exquisit[3] auf der Straße der Nationen (Theo erzählt daraufhin die Geschichte von seinem dort gekauften Nylonhemd, mit dem er nicht zufrieden war).

Zurück nach Athen: In dieser Stadt hatten die Leute nun aus lauter Angst, dass sie bei dieser Unmasse von Göttern einen vergessen könnten, diesen Altar aufgestellt, wo überhaupt nichts drauf stand. Die haben sich gesagt: „Wer weiß, ob es nicht doch einen gibt, den wir nicht kennen, und der nimmt uns dann übel, dass wir ihm kein Posament aufgestellt haben. Auf alle Fälle stellen wir das einmal hin. Vielleicht ist doch noch irgendwo einer da.“

Tatsächlich, es gibt noch einen. Es gibt diesen Gott der Bibel, den Vater von Jesus Christus. Den kennt der Paulus, aber die Athener kennen Ihn nicht. Deswegen tun die Athener Paulus von Herzen leid - auf der einen Seite. Auf der andern Seite regt er sich so auf über die, mit ihrer Klugheit und ihrem Götterstandbildern.

Ich kann die Gefühle des Paulus gut verstehen. Es gibt unter der heutigen Jugend so viele kluge, gebildete und aufgeweckte junge Menschen, es macht richtig Spaß, mit jungen Leuten zu diskutieren. Ihr habt heute Möglichkeiten der Bildung, wie sie die alten Griechen nicht hatten. Ihr habt Bildungsmöglichkeiten, wie sie einzigartig sind, wie sie noch nie da gewesen sind. Bloß, was nützt euch alle eure Bildung, Weisheit, euer Wissen, wenn ihr das wichtigste nicht wisst: Wenn ihr nichts wisst von dem lebendigen Gott. Was nützen euch alle eure Erkenntnisse, wenn ihr die höchste Erkenntnis nicht habt, nämlich die Erkenntnis Gottes.

Nichts gegen Bildung und Wissenschaft – ich habe nichts dagegen einzuwenden. Ich bin selber ein so genannter Gebildeter. Ich bin sogar ein Wissenschaftler mit Leib und Seele. Aber das ist doch nicht das Entscheidende in meinem Leben. Sondern das Entscheidende in meinem Leben ist, dass ich weiß: Gott liebt mich. Und Gott liebt mich, so wie ich bin. Und Gott wird mich durch alle Probleme und Dunkelheiten meines Lebens führen. Das Entscheidende ist doch nicht, dass ich früher einmal eine wissenschaftliche Arbeit geschrieben habe, sondern wichtig ist, dass mein Name in das Buch des Lebens eingeschrieben ist – mit dem Blut von Jesus Christus. Das Entscheidende für mich ist, dass ich etwas erfahren habe, was Gott mir gibt, was mir keine Wissenschaft und keine Bildung geben kann und nichts sonst auf der Welt, nämlich Geborgenheit, Freude, Frieden, Liebe.

Ich denke, alles Wissen dieser Welt ist nichts gegen dieses Wissen: Gott ist da! Gott ist für mich da. Gott sorgt für mich.

Unser Freund Paulus, von dem ich erzähle, hat einmal in einem Brief an die Philipper geschrieben (Die Frommen müssen sich diese Stelle jetzt merken – Philipper 3, 8): Seit ich Jesus Christus als meinen Herrn erkannt habe, hat für mich alles andere seinen Wert verloren, ja ich halte es alles bloß noch für Sch....[4]

Weil mir das leid tut, wenn jemand noch nichts von Jesus weiß, und wenn jemand ohne dieses Glück des Glaubens leben muss, deswegen diskutiere ich leidenschaftlich gerne mit jungen Menschen, deswegen gehe ich leidenschaftlich gerne auf die Kanzel und predige von Jesus.

Paulus predigt Professoren, Studenten und Kartoffelweibern.

Der Apostel Paulus ging nicht auf die Kanzel, sondern er ging auf den Marktplatz. Auf dem Markt-platz in Athen, da war das damals so üblich, da spazierten die Professoren mit ihren Studenten zwischen den Kartoffelweibern hin und her und haben da philosophiert. Das soll der Philosophie sehr gut tun, wenn man sie auf dem Marktplatz zwischen der Bevölkerung betreibt.

Mit diesen Professoren und Studenten fängt Paulus jetzt an, über Jesus zu diskutieren. Er kommt bloß nicht recht weit, weil die sich über ihn lustig machen. Sie nehmen ihn überhaupt nicht ernst. Sie sagen zu ihm: „Du bist ein Schwätzer, du bist eine Saatkrähe, ein Spatz bist du (ihr wisst ja: die Spatzen ernähren sich von den Körnern, die in den Pferdeäpfeln drin sind). So ein Spatz bist du, sagen sie. Du rennst durch Athen und versuchst, ein paar Weisheitskörner aufzuschnappen, ein geistlicher Kippenstecher bist du, weiter nichts.“ Andere sagen: „Dieses jüdische Männlein will wohl ein zweiter Sokrates werden, er möchte wohl gerne neue Götter verkündigen!“

Diese Aussage: Er will wohl ein zweiter Sokrates sein ist ein blutiger Witz. Jeder Bürger von Athen hat damals gewusst, dass Sokrates getötet worden ist, weil er die staatlich verordneten Götter nicht mehr anerkennen wollte. Weil man ihm den Vorwurf gemacht hatte, er wolle neue Götter einführen und den staatlich verordneten Göttern nicht mehr glauben, hat man ihm den Giftbecher trinken lassen. Und nun sagen Sie: Jetzt will wohl die kleine Saatkrähe aus dem jüdischen Land ein zweiter Sokrates werden wollen. Die Sache drängt allmählich rauf vom Marktplatz bis in die Fenster des Rathauses, es kommt, wie es kommen muss, Paulus wird verhaftet. Das heißt, verhaftet ist ein bisschen zu stark ausgedrückt, es sind höfliche Menschen, die Athener schicken ihm eine Vorladung. Sie sagen: Manches klingt sehr fremdartig, und wir würden gerne genauer wissen, worum es sich bei deiner Lehre handelt. Denn für die Athener und für die Fremden in Athen ist es das größte Vergnügen, den ganzen Tag Neuigkeiten zu hören und weiter zu erzählen.[5]

Paulus wird vorgeladen.

Paulus muss sich also auf dem Areopag  verantworten. Der Areopag ist damals so eine Art Ministerium, das darüber zu befinden hat, was im Staat geglaubt, geredet, gelehrt und gedacht werden darf, welche Philosophien erlaubt sind, und welche nicht. So eine Art oberste Zensurbehörde, was man reden und denken darf und so.

Paulus hat sich nun vor diesem Gremium offiziell wegen seiner Leben auf dem Marktplatz zu verantworten. Nun fängt er eine Rede an, indem er den Leuten zuerst einmal ein Kompliment gemacht. Er sagt: Ihr Männer von Athen, ich habe festgestellt, dass ihr die Götter hoch verehrt[6]. Da fühlen sich die Athener natürlich mächtig geschmeichelt, so etwas hört man immer gerne, dass man ein frommer  Mensch ist. Es gibt Leute, die zahlen ihr Leben lang Kirchensteuer, damit der Pfarrer am Grab sich einmal in einem ähnlichen Sinne äußert. Das nützt bloß nicht viel, selbst wenn er es tun würde.

Paulus sagt also: „Ich sehe, ihr seid sehr fromm“, aber beim nächsten Satz fängt er schon an, die Leute anzugreifen, in dem er sagt: Ich bin durch eure Stadt gegangen und habe ein Standbild gesehen, da stand drauf: dem unbekannten Gott. Das war noch nichts Neues. Aber nun kommt Paulus, und schießt los, und sagt: Diesen Gott, den ihr unwissend verehrt, kenne ich. Und mit Ihm will ich euch jetzt einmal bekannt machen[7].

In dem Moment, wo der Apostel dieses Wort „unwissend“ ausspricht, treten die Athener weg. Das hören die, die die Bildung gepachtet haben und die Weisheit mit Löffeln gefressen haben, nicht gerne, dass so ein hergelaufener Spinner ihnen Unwissenheit bescheinigt, noch dazu in der wichtigsten Frage des Lebens.

Paulus bringt den Athenern drei grundlegende Zeugnisse von Gott.

Während die Athener noch damit zu tun haben, ihre heruntergeklappten Kinnladen in Ordnung zu bringen, fängt der Apostel Paulus nun an zu reden. Er bezeugt von diesem Gott, den er kennt, dreierlei:

1. Gott ist der Schöpfer.

Erstens: Gott ist der Schöpfer. Das heißt, Gott ist also nicht der erste Anstoß oder ein Prinzip, wie sich das die Philosophen denken, und Gott ist auch nicht ein Machwerk einer göttlichen Produktions-genossenschaft, wie sich die Griechen sich in ihrer Religion das vorgestellt haben, und die Welt ist keine ewige und sich entwickelnde Materie, wie viele von euch sich das denken, sondern die Welt ist eine Schöpfung Gottes. Und von dem Schöpfer des Himmels und der Welt, folgert Paulus nun auf die Einheit des Menschengeschlechts. Er sagt den Athenern: Alle Menschen, die auf dieser Welt leben, die sind von einem Stamm, von einem Blut.[8] Und das passt den Athenern nun überhaupt nicht. Die Athener waren nämlich äußerst arrogante Snobs. Sie waren nämlich der Ansicht, dass sie, und alles, was außerhalb Athens noch herum kreuchte, das seien Barbaren. Und nun kommt da einfach so einer daher, noch dazu auch noch so ein jüdischer Zwerg, der behauptet, alle Menschen sind aus einem Teig gemacht, alle Menschen sind gleich, alle Menschen sind Brüder.

Heute müssen wir feststellen: Wenn die Athener damals die Botschaft des Apostels Paulus angenommen hätten, wäre Europa und unserem Land viel Blut und viele Tränen erspart geblieben. Millionen Menschen wären nicht gestorben. Wir brauchen bloß wenige Jahrzehnte zurück zu gucken in die Geschichte unseres Volkes, da rauchten bei uns die Verbrennungsöfen der Konzentrations-lager, weil Hitler in seinem Rassenwahn der Meinung war, am deutschen Wesen muss die Welt genesen, dass alles, was nicht der deutschen Herrenrasse angehört, eben Untermenschen sind und die mussten in die Öfen.

Was wäre unserem Volk und Millionen anderer Menschen an sagenhaftem namenlosen Leide erspart geblieben, wenn Europa damals die Botschaft des Apostels angenommen hätte und wenn wir nicht so arrogant gelebt hätten und uns eingebildet hätten, genau wie die Griechen, wir wären etwas besseres und unsere Rasse, die Arier wären irgendetwas besseres.

Diese Botschaft ist damals in Europa verkündet worden und man hat damals darüber gelacht. Diese Botschaft ist aber topaktuell, aktueller denn je. Es gibt Leute, die sagen, an der Rassenfrage entscheidet sich das Schicksal unseres Erdballs. Heute unternehmen wir alle Anstrengungen, dass Schluss gemacht wird mit Rassenhass und Rassendiskriminierung.

Alle Kirchen der Welt haben sich zusammengeschlossen zu einem so genannten Anti-Rassismus-Programm, um das zu verwirklichen, was der Apostel damals gepredigt hat, nämlich: Alle Menschen sind Gottes Kinder, alle sind gleich, kein Mensch darf den anderen verachten, weil er weiß, schwarz, braun oder rot ist. Und jeder hat auf dieser Erde als Gotteskind die gleichen Rechte und die gleiche Freiheit (...). Kampf um Freiheit bedeutet heute auch Kampf um Bildung. Man kann die Probleme dieser technischen Welt nicht lösen ohne technische Bildung.

Deswegen sammeln wir nachher am Ausgang für ein Mathematikbuch für Schulen in Afrika. Es gibt heute Leute, die behaupten, die Kirche sei Bildungsfeindlich. Wir haben nachher am Ausgang die Gelegenheit, diesen Schwätzern mit einem Fünfmarkschein das Maul zu stopfen.

Wir Deutschen haben an Angehörigen anderer Rassen viel gut zu machen. Und wir Christen ganz besonders. Auch die Christen haben sich mit beteiligt an der Unterdrückung und Ausbeutung anderer Menschen. Ich denke aber, dass wir gar keinen Grund haben, jetzt anzufangen, auf unsere Väter mit Steinen zu schmeißen. Sondern ich frage euch, wie ist das bei euch heute, wie ist euer Verhältnis zu Menschen aus anderen Völkern.

Ich frage euch bloß, wie ist euer Verhältnis, meinetwegen zu den Ungarn und zu den Polen. Ihr wisst ganz genau, dass es in unserer Stadt Menschen gibt, die von den Polen reden und den Ausdruck „Polacken“ gebrauchen. Vielleicht gehört ihr selber auch mit dazu.

Wenn das der Fall ist, dann wird es höchste Zeit, dass  ihr an diesem Punkt umdenkt. Denkt bloß nicht, dass es irgendeinen Sinn hat, wenn ihr eine Mark in die Kollekte gebt, um irgendwelchen fernen Negern zu helfen, wenn ihr zu den Negern, Polen, Ungarn, Tschechen, die hier bei uns leben, kein ordentliches Verhältnis habt. Da könnt ihr euch dann die Mark sparen. Versucht erst mal, ein richtiges Verhältnis zu anderen Menschen, zu anderen Völkern, die mit uns hier in unserer Stadt leben, zu kriegen. Es wird für uns alle Zeit, für Christen wie für Nichtchristen, dass wir endlich die Botschaft der Bibel annehmen, die sagt: Alle Menschen sind gleich, alle Menschen sind Brüder[9]. In dieser Botschaft liegt die Rettung der Welt. Es ist eine Botschaft, die den Weltfrieden in sich hat, und die auch den Frieden in deinem Leben in sich birgt.

Macht doch nicht den Fehler wie die Athener, die den Apostel Paulus damals ausgelacht haben, sondern tut Buße. Kehrt um, fangt an, neu zu denken, falls ihr bisher so gelebt habt, dass ihr Gottes Gebote nicht befolgt habt und eure Mitmenschen nicht so behandelt habt, als seien sie eure Brüder.

2. Gott fordert Buße.

Gott fordert Buße, das ist das zweite, was der Apostel hier den Athenern sagt. Gott sieht über die Zeit eurer Unwissenheit weg – Schwamm drüber. Aber jetzt fordert Er alle Menschen überall auf, Buße zu tun. Alle Menschen, überall, nicht bloß die in Athen! Sondern auch euch hier in Karl-Marx-Stadt, in der Schlosskirche, auch die, die hinter der letzten Säule verkrochen sind. Wir sind alle aufgefordert, dass wir Buße tun. Das Wort „Buße“ klingt furchtbar altmodisch, ich weiß. Aber diese Sache, um die es hier geht, die ist hochaktuell. Sie ist so aktuell, dass sich heute Parlamente damit befassen oder wissenschaftliche Kongresse, sogar die UNO. Wo heute von der Rassenfrage, von Krieg, von Hunger gesprochen wird, da ist von Buße die Rede. Denn Buße heißt nichts anderes als Neuanfang, neu denken, umdenken. Und alle, die heute in der Welt etwas zu sagen haben, sagen uns: Wenn die Menschheit nicht radikal umdenkt, dann bringt sich die Menschheit um.

Das menschliche Denken hat gerade auf dem Gebiet der Technik ungeheure Fortschritte erzielt. Aber wir merken heute auch, dass dieses Denken uns an einen Abgrund gebracht hat. Die alten Griechen waren die ersten, die über das Atom nachgedacht haben. Von denen kommt dieser Begriff „Atom“. Heute wissen wir mehr als sie. Heute haben wir sogar eine Atombombe, und unser Problem ist heute, was tun wir, damit dieses Ding nicht (noch einmal) explodiert. Dazu brauchen wir ein neues Denken, was Albert Einstein einmal so formuliert hat: „Die entfesselte Macht des Atoms hat alles verändert, nur nicht unsere Denkweise.“ Wir brauchen eine wesentlich neue Denkungsart, wenn die Menschheit am Leben bleiben will. Wir brauchen ein Denken, dass sich auch um den anderen kümmert, um das Wohl des anderen, der mit mir zusammen lebt und mit mir zusammen arbeitet, auch der Mensch in dem anderen Land.

Ein Denken, das sich auch in das Wohl des anderen Landes, des anderen Volkes, des anderen Staates kümmert. Weil wir heute begriffen haben, dass keiner allein überleben kann, sondern wir sitzen alle gemeinsam in einem Boot. Wenn wir uns nicht alle gemeinsam anstrengen, dass wir eine mensch-liche Welt schaffen, gehen wir alle gemeinsam runter.

Heute wissen wir das. Wir hätten das schon längst wissen können. Vor 2000 Jahren hat der Apostel Gottes diese Botschaft nach Europa gebracht. Damals hat man ihn ausgelacht. Was heute alle Spatzen von den Dächern pfeifen – das hat man damals ausgelacht und gesagt: „Du bist ein blöder Spatz, der von den Dächern kräht.“ Damals hat sich der Apostel vor die Crème der Gesellschaft Europas hingestellt und gesagt: „Euer Denken ist gut, aber Umdenken ist besser.“ Darüber konnten die damals bloß lachen.

Uns ist heute das Lachen vergangen. Wir sehen, dass die Welt, Gottes gute Schöpfung, kaputtgeht, wenn die Menschen weitermachen so wie bisher und nicht umkehren. Wir könnten in einer besseren Welt leben, wir könnten wieder lachen, wenn wir Buße täten, wenn wir umkehren würden, Wenn wir anfangen würden, den Nächsten, auch den, der uns fremd und unsympathisch ist, als unseren Bruder zu betrachten.

3. Jesus Christus kommt wieder.

Gott fordert uns alle auf, dass wir umdenken und Buße tun. Und das ist nun das dritte, was der Apostel Paulus sagt: „Tut Buße, Christus kommt wieder, um die Welt zu richten. Und deswegen hat Gott Ihn aufgeweckt, damit Er da sein kann, wenn die Welt zu Ende geht und gerichtet wird. Es kommt der letzte Tag, wenn Christus wiederkommt, dann werden wir alle gefragt, was wir aus unserem Leben gemacht haben, ob wir da gewesen sind für unsere Mitmenschen, wie wir uns verhalten haben gegenüber unserem Nächsten. Und keiner kann sich dann herausreden und sagen: „Ich hab das alles nicht gewusst!“

Ihr, die ihr mich heute hört, ihr könnt euch jedenfalls dann nicht rausreden. Ihr werdet gefragt: „Wie hast du dich verhalten gegenüber den Ungarn, den Polen, gegenüber deinem kleinen Bruder, der mit dir zusammen im Betrieb arbeitet oder in der Straßenbahn sitzt. Jedenfalls, die ihr mich hört, könnt euch so nicht rausreden.

Denn Christus ist nicht tot, sondern Er lebt, Er ist auferstanden und wartet auf uns am Ende  der Tage. In dem Augenblick, wo Paulus von der Auferstehung redet, ist bei den Athenern die Geduld zu Ende  (Bei euch auch, aber ich bin gleich fertig!). Die einen, die ihm zuhören, die spotten offen. Die andern lächeln höflich und sagen: „Schönen Dank, ist nett gewesen, nächstes Mal kannst du uns ein bisschen mehr davon erzählen“, und eine kleine Gruppe glaubt und tut Buße.

Ich denke, in dieser Kirche sind heute Abend genau die gleichen drei Menschen Gruppen ver-sammelt. Die einen fangen an offen zu spotten, wenn ich von der Auferstehung von Jesus rede.  Denen kann ich nur das Bibelwort sagen: Irrt euch nicht, Gott lässt sich nicht spotten[10]. Die anderen werden höhnisch lächeln und werden sagen: „Ja, ist zwar Quatsch, was der Pope da erzählt, aber immerhin ganz interessant und in vier Wochen kommen wir wieder und wollen mal sehen, was er dann für Unfug anzubieten hat!“ Euch kann ich nur sagen, ihr wisst gar nicht, ob ihr in vier Wochen überhaupt noch am Leben seid. Dann tut lieber gleich, tut lieber heute Buße, kommt direkt zu Jesus und fangt heute ein neues Leben mit Jesus an. Und dann wird es noch eine Gruppe unter uns geben, das weiß ich ganz genau. Das sind diejenigen, die heute zum ersten Mal begriffen haben, dass Gott dich braucht, und dich ruft und dich meint. Das sind diejenigen, die zum ersten Mal begriffen haben, dass Gott euch braucht, um mit euch eine neue Welt zu schaffen und um durch euch Liebe in diese Welt zu bringen. Und die fordere ich auf, mit uns gemeinsam, die wir diesen Gott schon kennen, mit diesem Gott zu sprechen und zu beten.

 

*  *  *  *

 



[1] Apostelgeschichte 9, 4

[2]Apostelgeschichte 17, 26: (Es) ergrimmte sein Geist in ihm, da er sah die Stadt gar so abgöttisch.

[3] Exquisit: Ladenkette der DDR-Handelsorganisation, welche auf Waren des gehobenen Bedarf spezialisiert war. – Anm. des Schreibers.

[4] Nach Luther 1912: Ja, ich erachte es noch alles für Schaden gegen die überschwengliche Erkenntnis Christi Jesu, meines HERRN, um welches willen ich alles habe für Schaden gerechnet, und achte es für Kot, auf das ich Christum gewinne.

[5] Verse 19-21

[6] Vers 22

[7] Vers 23

[8] Vers 26

[9] Vgl. Römer 2, 11 oder Galater 3, 28

[10] Galater 6, 7