Theo Lehmann – Jugendgottesdienst Nr. 84
Abschrift der Predigt vom 13. November 1983 über Apostelgeschichte 19, 23-40 (Der Aufstand des Silberschmiedes Demetrius).
Eine Predigt aus den Hochzeiten der Debatte um die atomare Nachrüstung des Jahres 1983. Theo spricht über den Auftritt von Udo Lindenberg im Palast der Republik. Er bezeichnet diesen Auftritt eines der Wunder unserer Zeit und macht sehr launige und systemkritische Bemerkungen darüber. Dann leitet er über auf das Wunder von Ephesus:
Andere Zeiten haben auch ihre Wunder gehabt. Zum Beispiel im Altertum, da kannte man sieben so genannte Weltwunder. Eines dieser sieben Weltwunder war der Tempel der Göttin Diana in Ephesus. Um den soll es heute Abend gehen. Er war 135 m lang, 15 m breit, 18 m hoch, 127 Säulen aus Marmor, einige davon vergoldet, und vorne auf dem Hochaltar stand das Standbild der Göttin Diana.
Die Göttin Diana, die Super-Sexbombe des Altertums.
Ich weiß nicht, was ihr euch unter solch einer Göttin vorstellt, aber ich kann euch mit Sicherheit sagen, sie ist nicht euer Typ. Erst einmal war der untere Teil der Dame eingebunden wie bei so einem Wickelkind. Warum das so war, konnte ich nicht heraus kriegen, wahrscheinlich hängt das mit ihrer Herkunft zusammen. Es wurde nämlich behauptet, sie wäre dort vom Himmel gefallen, und an dieser Stelle aufgefunden worden. Vielleicht waren es noch die Bandagen von der harten Landung, jedenfalls war die Lady unten herum fest verschnürt. Umso mehr war oben herum los. Ich möchte jetzt ihren Oberkörper und ihre Oberweite nicht näher beschreiben, ich sage nur: Diana war eine Super-Sexbombe des Altertums.
Neben der hätten Brigitte Bardot und Marylin Monroe gewirkt wie zwei so magere Teenager-Mädchen.
Auf dem Kopf hatte sie eine Krone, hinter dem Kopf eine Scheibe, aber nicht so eine goldene Scheibe wie sie manchmal eine unsere Schlagersängerin, die Nina Hagen, auf dem Kopf trägt, sondern das war die Mondscheibe. In der Hand hatte sie Kornähren, und neben ihr war eine Hirschkuh und ein Reh und das Ganze in schlichtem schwarz. Nach heutigen Begriffen also wirklich keine Schönheit. Eher so etwas wie die kleine Dicke aus Udo Lindenbergs Panik-Orchester.
Diese Diana wurde als Göttermutter verehrt im ganzen Mittelmeerraum. Ephesus war das Zentrum dieser Verehrung, das war ein weltberühmter Wallfahrtsort. Nun gehört zu jedem Wallfahrtsort auch ein Souvenirverkauf. Ihr wisst ja, wie das ist, wenn der Mensch unterwegs ist und irgendwo fern von zu Hause, da überkommt ihn der unwiderstehliche Drang, irgendetwas von dort mitzunehmen – eben ein so genanntes Souvenir. Um dieses kulturelle Bedürfnis zu befriedigen, da wetteifert bei uns eine ganze Industrie mit der Herstellung von Kitsch. Vom Fernsehturm aus Blech bis hin zur Petroleumlampe aus Plaste. Solchen Schund haben sie auch im Altertum schon gehabt.
Zum Beispiel gab es in Ephesus an jedem Kiosk so genannte Briefe zu kaufen. Das waren Zauber-sprüche, die angeblich Sicherheit und Erfolg in der Liebe und überhaupt jede Menge Glück garantierten. Die Leute kamen aus der ganzen Welt nach Ephesus, um sich diesen abergläubischen Kram zu kaufen und als Amulett an den Hals zu hängen. Sie dachten, wenn wir das Amulett haben, dann haben wir Frieden. So wir heute viele denken, wenn wir die Atomraketen haben, dann haben wir Frieden. Das ist der gleiche Aberglaube, heute wie damals.
Demetrius, der Souvenirproduzent. Eine Marktforschung.
Nun lebte in Ephesus ein Mann, der hieß Demetrius. Der hatte Grips in seiner Nuss und machte Geld aus jedem Stuss. Der war voll in die Souvenirbranche eingestiegen. Von Beruf ein Silberschmied, produzierte er Amulette und Reiseandenken en Gros, seine Spezialität: eine Mini-Nachbildung des Dianatempels in Silber. Damit war er in Serie gegangen. Er hatte eine Fabrik, er hatte Angestellte, er hatte Verkaufspersonal, er hatte Buden überall in der Stadt. Eines Tages fällt ihm auf, dass das Geschäft immer mieser geht. Die Leute kaufen den Spittel einfach nicht mehr. Erst denkt er, der Geschmack der Leute hat sich geändert, aber das war natürlich ein Irrtum. Der Geschmack der Leute ändert sich nie, siehe unsere Souvenirindustrie. Oder unsere Möbelindustrie, oder unsere Lampen- industrie… – Nein, das musste an etwas anderem liegen.
Er geht der Sache nach und stellt fest: der Geschäftsrückgang stellte sich ein vor ungefähr zwei Jahren, und zwar zu dem Zeitpunkt, wo ein gewisser Paulus die Stadt betreten hat. Der Paulus war Jude, kein Geschäftsmann, sondern ein Gottesmann, der dem Demetrius mit dem Wort Gottes in sein Geschäft hineingepfuscht hatte. Er war ein Wanderprediger, der in seinen Predigten behauptet hatte, Götter, die aus Material mit Händen gemacht sind, sind gar keine wirklichen Götter. Der wirkliche Gott Jesus Christus lebt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind[1]. Über diese geschäftsschädigende Propaganda ist der Demetrius aufs äußerste beunruhigt. Er beruft eine Versammlung der PGH[2] der Silberschmiede ein, auch die Gewerkschaft, sowie Vertreter der Zulieferbetriebe, also der gesamte Kitschkonzern ist eingeladen.
Er hält eine Rede, die steht in Apostelgeschichte 19,25 ff: Männer, ihr wisst, unser ganzer Wohlstand hängt davon ab, dass wir diese Nachbildungen herstellen – Also er sagt im ersten Satz gleich worum es ihm geht: ihm geht es um Wohlstand! – Ihr werdet erfahren haben, dass dieser Paulus den Leuten einredet, Götter, die man mit Händen macht, sind gar keine Götter. Er hat mit seinen Reden nicht nur hier in Ephesus Erfolg, sondern fast überall in der Provinz Asien. Deshalb besteht die Gefahr, dass er nicht nur unseren Handel in Verruf bringt. Stellt euch vor, es würde soweit kommen, dass der Tempel der großen Göttin Diana seine Bedeutung verliert! Stellt euch vor, dass die Göttin selbst in Vergessenheit gerät, die heute überall in unserer Provinz und in der ganzen Welt verehrt wird.
Der fromme Schluss der Rede kann natürlich niemanden hinwegtäuschen, dass der Demetrius an der religiösen Frage überhaupt nicht interessiert ist. Über die Frage, ob Paulus Recht hat oder nicht, denkt der keine Sekunde nach. Ob die Religion der Christen oder die Diana-Religion die Richtige ist, das interessiert ihn überhaupt nicht. Ihn interessiert nicht die Wahrheit, ihn interessiert nur der Wohlstand. Er ist der Typ Wohlstandsbürger. Er fragt nicht, ob der Staat, in dem er lebt, menschlich oder unmenschlich ist. Er fragt nicht, ob das System, für das er lebt, Recht oder Unrecht ist. Er fragt nicht, ob die Ideologie, von der er lebt, Wahrheit oder Lüge ist. Das ist dem alles vollkommen egal. Hauptsache er lebt im Wohlstand. Dieser Wohlstand ist nun gefährdet durch die Predigten des Paulus, weil der gesagt hat, Götter, die mit Händen gemacht sind, das sind gar keine richtigen Götter. Und wenn sich das herum spricht, dann lässt der Glaube an die Diana nach, dann lässt der Pilgerstrom nach, dann lässt der Geldstrom nach, dann lässt der Wohlstand nach, und dann gute Nacht Demetrius, dann ist mit deinem Wohlstand Schluss.
Das Chaos im Sportpalast: „Groß ist die Diana der Epheser!“
Als der Demetrius seinen Kollegen diese Konsequenzen schildert, da beginnt in ihrer Silberseele der Zorn über diese religiös verbrämte Sabotage der Souvenirindustrie zu kochen.
Sie erheben ihren Silberblick gen Himmel und vereinigen ihre Silberstimmen zu einem machtvollen Sprechchor: Als sie das hörten, wurden sie wütend und riefen: groß ist die Diana von Ephesus! Die These des Paulus, die wird nicht beantwortet mit einem logischen Argument, sondern mit einer gebläkten Losung: „Groß ist die Diana von Ephesus!“
Die ganze Stadt wird von dem Gebläke erfasst, und nach dem Motto: „Ich geh kaputt, gehste mit“ rennen die Leute durch die Straßen wie bei Feueralarm und alles stürzt in Richtung Theater. Das Theater von Ephesus müsst ihr euch vorstellen wie ein riesengroßes Sportstadion. Da waren 25.000 Sitzplätze drinnen. Und was sich jetzt in dieser Sportpalastversammlung abspielt, das ist einfach chaotisch. Chaotischer, als die Sportpalastversammlung, die genau heute vor 40 Jahren in Berlin stattgefunden hat, wo 20.000 deutsche Christen auf einem Haufen gesessen haben und wie die Kaputten gerufen haben: „Heil Hitler!“
Die Sache in Ephesus ist deshalb chaotisch, weil vom Veranstalter, dem Demetrius, überhaupt nichts mehr zu sehen ist. Er tritt einfach nicht mehr auf. Es handelt sich um eine Veranstaltung, die zusammen gelaufen ist, ohne eine Leiter zu haben. Ein Riesentheater voller Leute, das keiner dirigiert. Die meisten wissen überhaupt nicht, warum sie dahin gerannt sind. Sie sind eben nur mitgelaufen. Mitläufer, Massenmeetings-Mitläufer, die überhaupt nicht wissen, was in Wirklichkeit läuft, aber bläken: „Groß ist die Diana der Epheser!“
Nun ist ja bekannt, dass in manchen Massenversammlungen die Menschen minutenlang toben, pfeifen, grölen und trampeln können. Aber dass eine Volksmenge, ohne überhaupt zu wissen, warum sie zusammengekommen ist, eine viertel, eine halbe, eineinhalb, zwei Stunden lang die Losung brüllt: „Groß ist die Diana der Epheser!“ – das ist schon einmalig. Es ist zwar bekannt, dass dort, wo es keine Argumente gibt, alles mit Schlagworten niedergebrüllt wird. Aber zwei Stunden lang dasselbe Schlagwort, das ist nicht mehr normal! Das ist teuflisch, das ist dämonisch.
Der dämonische Einfluss auf die Masse.
Wir lesen in der Bibel oft, dass die Dämonen anfangen zu schreien, wenn sie in die Nähe von Jesus geraten. Und etwas von diesem dämonischen Getöse, das ist in diesem Sportstadion zu hören. In der Bibel, da steht die ganze Geschichte unter der Überschrift: „Der Aufstand der Silberschmiede.“ Aber das ist nur der Vorwand, der Vordergrund. Der Hintergrund, der eigentliche Grund ist der Aufstand der Dämonen, weil sie die Nähe von Jesus spüren!
Heute ist ja der Glaube an Dämonen ziemlich aus der Mode gekommen. Der Doktor Martin Luther hat ja noch mit dem Tintenfass nach dem Teufel geschossen, aber da lachen ja heute schon die Pfarrer darüber. Aber der alte Luther, der Professor der Theologie, der wusste noch, dass Aufruhr und Krieg von Dämonen herrühren, von denen angestiftet werden.
Das dämonische an unserer Situation, das ist doch nun wirklich mit Händen zu greifen. Niemand will Krieg. Reagan will keinen Krieg, Andropow will keinen Krieg, Kohl will keinen Krieg, Honecker will keinen Krieg. Aber Reagan rüstet, Andropow rüstet, Kohl rüstet und Honecker rüstet. Gegen ihren eigenen Willen, gegen den Willen ihrer Völker, gegen die Vernunft! Denn jeder vernünftige Mensch weiß doch ganz genau, dass Erich Honecker Recht gehabt hat, als er im vierten Plenum gesagt hat: „Mehr Rüstung bedeutet nicht mehr Sicherheit!“ – doch wird immer mehr gerüstet. Und alle sagen: „Ich will es nicht mehr tun, aber ich muss es tun, weil der andere auch rüstet.“
Und so entsteht das, was wir einen Teufelskreis nennen. Keiner will es, aber sie haben alle Angst und sie stehen alle unter einem dämonischen Zwang. Und es weiß keiner einen Ausweg aus dem Teufelskreis. Und deswegen sage ich: das teuflische an unserer Situation ist doch mit Händen zu greifen! Das Gefühl unserer Ohnmacht hängt doch damit zusammen, dass offenbar mit keinem vernünftigen Argument gegen den Rüstungswahnsinn anzukommen ist. Wir müssen uns einge-stehen: die Vernunft hat versagt. Das Gefühl unserer Machtlosigkeit hängt auch damit zusammen, dass wir zu begreifen beginnen: wir haben es hier mit einer ganz anderen Macht zu tun, nämlich mit dem Teufel, von dem Luther gesungen hat: „Groß Macht und viel List sein grausam Rüstung ist – auf Erd ist nicht seinesgleichen!“ Aber, so geht es dann weiter: „Ein Wörtlein kann ihn fällen“ und dieses eine Wörtlein, das den Teufel fällen kann, das heißt Jesus.
Das allein wirksame Mittel gegen Dämonen: Jesus.
Vor keinem anderen Namen weichen die Dämonen. Deshalb nennt die Bibel als die einzige Möglichkeit und die einzige Waffe gegen dämonische Mächte: Jesus. Jesus selber hat gesagt: Mit den Dämonen werdet ihr nur fertig durch das Gebet uns das Fasten[3], also durch das Verzichten. Ich denke, darin besteht der wesentliche Beitrag der Christen für den Frieden. Und ich bitte euch, was auch kommt und für welche Entscheidung ihr auch gestellt werdet: entscheidet nichts ohne Gebet. Unterschreibe nichts, ohne vorher mit Jesus darüber gesprochen zu haben. Tut nichts, ohne vorher mit Jesus darüber gesprochen zu haben. Und ohne ihn, da läuft in Sachen Frieden nichts.
Wir schalten zurück ins Stadion von Ephesus. Dort grölen sie immer noch: „Groß ist die Diana der Epheser!“ – nach zwei Stunden ist die Menge heiser und wird allmählich leiser. Von einem gewissen Zeitpunkt an, da kann man eben gewisse Parolen einfach nicht mehr hören bzw. nicht mehr schreien. Irgendwann kapiert auch der primitivste Schreihals, dass Sprechchöre nur die Lautstärke verstärken, aber nicht die Argumente. Und endlich, nach zwei Stunden Gebrüll, da gelingt es einem Staatssekretär zu Wort zu kommen. „Männer von Ephesus“ – rief er – „in der ganzen Welt weiß man doch, dass zu unserer Stadt der berühmte Tempel der Göttin Diana gehört, und dass hier ihr vom Himmel gefallenes Bild verehrt wird. Das kann doch niemand abstreiten!“ Das heißt im Klartext auf Deutsch: „Ihr Hornochsen, dass eure Diana groß ist, das ist doch keine Neuigkeit, dass ihr zu Zigtausenden stundenlang bläken müsstet.“ Aber die Menge kapiert gar nicht, was der Mann denen eigentlich sagen will.
„Jedenfalls hört mir zu“ – er setzt seine Rede fort und sagt: „Bürger, macht keinen Ärger, sondern geht schnell nach Hause, sonst kriegen wir noch von der römischen Besatzungsmacht den Vorwurf der Konterrevolution untergejubelt. Außerdem haben die Leute, die ihr hier anklagt, weder den Tempel beraubt noch unsere Göttin beleidigt.“ Und mit diesen letzten Sätzen hatte er tatsächlich Recht gehabt.
Die Christen haben im Kampf gegen den Aberglauben keine Gewaltanwendung nötig. Der schlichte Glaube an die Existenz und den Sieg des auferstandenen Jesus Christus, dieser einfache Glaube genügt, um die Säulen der Göttertempel zum Einsturz zu bringen. Es hat schon einmal jemand versucht, diesen Dianatempel zum Einsturz zu bringen. Das war vierhundert Jahre vor Christus. Das war ein Terrorist, der hat den Tempel angezündet. Aber man hat den Tempel wieder aufgebaut.
Die Diana von heute.
Paulus hat den Tempel der Diana nicht angezündet. Er hat ihn nicht berührt, er hat im Kampf gegen Diana keine Gewalt angewendet. Er hatte nicht einmal ein kleines Streichholz. Er hatte nur eine einzige Waffe, und das war das Wort Gottes. Das hat gezündet. Paulus hat mit dem Wort Gottes die Diana von Ephesus entmachtet. Und wir müssen mit dem Wort Gottes die Diana von heute entmachten. Es gibt ja nicht nur eine Diana der Epheser, es gibt ja auch eine Diana der Deutschen. Eine Diana der Russen, eine Diana der Amerikaner und so weiter. Die moderne Diana ist auf alle Fälle wie die der Epheser: Groß – und ihren in ihren Händen hält sie keine Ährenbündel, sondern Aktien-pakete. Stadt ihrer zwölf Brüste hat sie zwölf Erdöltanklager. Statt einer Krone trägt sie einen Kranz von Stacheldraht. Statt einer Mondscheibe umkreist sie ein Satellit und sie wird nicht umhüpft von Hirschkuh und Reh, sondern umrast von Flugzeug und Raketen. Und es sind nicht nur große, sondern auch mittlere und kleine Demetriusse, die sehr daran interessiert sind, dass die Diana groß bleibt und dass der Diana ja nichts getan wird, vor allem nicht von kirchlicher Seite aus.
Damals hat das Wort Gottes die Silberschmiede sehr beunruhigt. Heute beunruhigt das Wort Gottes die Schwerterschmiede, wenn sie das Wort aus der Bibel hören: Schwerter zu Pflugscharen. Denn so wie die Devise der Silberschmiede von Ephesus damals geheißen hat: „Groß ist die Diana der Epheser!“, so heißt die Devise der Schwertschmiede von heute: „Groß ist die Diana der Nationen des Ostens! Groß ist die Diana des Westens!“
Aber alle Dianas dieser Welt haben mit der Diana von Ephesus eins gemeinsam, ihre Füße sind umwickelt - das heißt: im Reich der Diana geht es mit den Menschen nie vorwärts.
Es gibt im Reich der Diana keinen Fortschritt außer dem Fortschritt in den Untergang. Ihr wisst es ja alle: die Ausgaben für die Rüstung binden uns Hände und Füße, um das Problem des Hungers anzugehen. Es werden jährlich 1000 Milliarden DM für die Rüstung ausgegeben. 1000 Milliarden DM für die Rüstung! Und täglich sterben mindestens 10.000 Menschen an Hunger. Jeder dieser Hunger- toten hätte 270.000 Westmark zur Verfügung haben können, wenn dieses Geld nicht für die Rüstung ausgegeben worden wäre. Mit anderen Worten, die Richtung tötet schon heute! Der Friede, den wir heute haben, ist überhaupt kein Friede. Wir haben ihn auf Kosten von Millionen von Menschen, die sterben. Wir alle wissen, so kann es nicht weitergehen und so darf es nicht weitergehen.
Und wir alle sehen mit Entsetzen: es geht immer so weiter. Und jetzt ist es ja nun wieder soweit, dass die DDR, wie in der Zeitung gestanden hat, mit den Vorbereitungsarbeiten zur Stationierung von Raketenkomplexen begonnen hat. Mit anderen Worten: Jetzt kommen wir vom Regen in die Traufe. Und ich weiß, dass wir uns jetzt alle die Frage stellen, was soll denn jetzt werden, was sollen wir denn jetzt tun? Freunde, ich kann euch hier keine konkreten politischen Schritte vorschlagen, das überschreitet mein Amt als Pfarrer. Und ich kann auch keine Lösung für die weltpolitische Situation hier vorschlagen, das überschreitet meinen Verstand. Ich verstehe im Moment überhaupt nichts mehr. Ich verstehe nicht, dass auch in unserem Land Raketen aufgestellt werden sollen. Und ich verstehe nicht, dass wir jetzt genau dasselbe tun, was wir bisher bei den anderen verurteilt haben. Ich bin über das alles genauso betroffen und beunruhigt und vor allem ratlos wie ihr.
Drei Aussagen zur Raketenstationierung.
Ich kann jetzt nur dreierlei sagen: Erstens, damit zitiere ich das, was der Udo Lindenberg am 25. Oktober im Palast der Republik gesagt hat: Weg mit allem Raketenschrott, in der Bundesrepublik und in der DDR. Nirgendwo wollen wir auch nur eine einzige Rakete sehen, keine Pershing und keine SS 20.
Zweitens: es hat im März 1983 ein Gespräch am runden Tisch in Moskau stattgefunden, da waren Christen und Nichtchristen dabei. Und dort wurde folgendes gesagt: „Wir sind überzeugt, dass Herstellung, Erprobung, Besitz, Stationierung und Verwendung von nuklearen Waffen moralisch böse und ein Verbrechen gegen die Menschheit sind.“ Und im gleichen Sinn hat auch die vierte Synode des Bundes der evangelischen Kirche in Deutschland, die jetzt in Potsdam getagt hat, folgendes formuliert: „Wir kommen dem Aufruf der sechsten Vollversammlung des ökumenischen Rates der Kirchen nach und erklären: Dass sowohl die Erstellung, die Stationierung als auch der Einsatz von Atomwaffen ein Verbrechen gegen die Menschheit darstellt und dass ein solches Vorgehen aus ethischer und theologischer Sicht verurteilt werden muss. Die Synode hat folgendes beschlossen: Sie hat beschlossen, unsere Regierung zu bitten, dass sie sich an der Ausarbeitung eines völkerrechtlichen Instruments beteiligt, mit dem sowohl der Besitz als auch der Einsatz von Atomwaffen als Verbrechen gegen die Menschheit geächtet werden kann. Sie hat beschlossen, unsere Regierung zu bitten, dass sie innerhalb des Warschauer Vertrages darauf hinwirkt, dass keine atomaren Kurzstreckenraketen auf dem Gebiet der DDR stationiert werden. Und es wurde festgestellt, das „Nein“ zur Praxis der Abschreckung schließt für uns die in Vancouver formulierte Überzeugung ein, dass Christen Zeugnis davon ablegen sollten, dass sie es ablehnen, sich an einem Konflikt zu beteiligen, bei dem Massenvernichtungswaffen oder andere Waffen, die wahllos alles zerstören, eingesetzt werden.“
Das waren die Informationen aus unseren Synoden, und das Dritte, was ich sagen möchte: Jeder einzelne, der dem Wort Gottes glaubt, schwächt damit die Position der Diana. Paulus hat mit dem Wort Gottes die Souvenirindustrie von damals gestoppt. Und wir müssen heute mit dem Wort Gottes die Rüstungsindustrie stoppen. Paulus hat damals mit dem Wort Gottes die Super-Sexbombe des Altertums entschärft, wir müssen heute mit dem Wort Gottes die Superbomben von heute entschärfen. Paulus hat damals mit dem Wort Gottes den Aberglauben an die Rettung durch Diana bekämpft. Wir müssen heute mit dem Wort Gottes den Aberglauben an die Rettung durch Atom-raketen bekämpfen.
Paulus hat Gottes Wort geglaubt und deshalb hat er genau das erreicht, wovor Demetrius sich so gefürchtet hat: Demetrius hat in seiner Rede am Schluss ja gesagt: Stellt euch mal vor, dass die Göttin selbst in Vergessenheit gerät, die heute bei uns und in der ganzen Welt verehrt wird.
Sie ist in Vergessenheit geraten. Kein Mensch auf der ganzen Welt glaubt heute noch an die Göttin Diana. Aber eine Milliarde Menschen glauben an Jesus Christus. Und diese Milliarde setzt sich zusammen aus vielen vielen einzelnen, zum Beispiel aus euch. Und jeder Einzelne denkt meistens, er sei zu schwach und zu wenig, um irgendetwas in dieser Welt verändern zu können – aber das ist nicht wahr.
Mit der Kraft Jesu die Dianas dieser Welt abschaffen.
Ich bitte euch, denkt doch nicht so klein von euch selber. Bedenkt doch mal, der Paulus war auch nur ein einzelner. Aber dieser Mann hatte sein ganzes Vertrauen auf diesen einen Gott Jesus Christus gestellt. Und Jesus hat es zu Paulus einmal gesagt: Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.[4] Paulus war ein ganz schwächliches, kränkliches Männchen. Aber aus dieser Kraft heraus, die Jesus ihm zugesprochen hat, hat er gelebt, und mit dieser Kraft hatte es geschafft, die Diana abzuschaffen.
Das ist die gleiche Kraft, aus der wir alle auch leben, leben können, aus der auch du leben kannst, wenn du willst. Mit dieser Kraft können wir auch rechnen, und deswegen heißt die Losung unserer Friedensdekade in diesem Jahr: Frieden schaffen aus der Kraft der Schwachen.
Ich zitiere aus dem „Neuen Deutschland“[5] vom 26.10.1983. Da hat Udo Lindenberg auf der Presse-konferenz gesagt: „Wir müssen jetzt handeln! So kurz vor zwölf müssen wir aufstehen. Wir müssen mit unseren Liedern immer mehr Leute motivieren, einzusteigen in die Bewegung.“ Was Udo gesagt hat, wollen wir jetzt tun, wir wollen jetzt aufstehen von unseren Plätzen und unser letztes Lied singen: „Steh wieder auf!“
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