Theo Lehmann – Jugendgottesdienst 148
Abschrift der Predigt vom 10. Mai 1993 über Apostelgeschichte 5, 29 (die Apostel vor dem hohen Rat: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“). Eine kraftvolle Bekehrungspredigt.
Liebe Freunde,
Ein Wiederholungstäter steht vor Gericht. Der Richter sagt: „Ich muss mich doch sehr wundern, erst vor vier Wochen wurden sie erwischt, als sie vor bei Aldi ein paar Socken geklaut haben, und jetzt sitzen sie schon wieder hier, weil sie wieder ein paar Socken geklaut haben.“ – „Naja“ sagt der Angeklagte, „ Herr Richter, so ein Paar Aldi Socken, die halten eben nicht länger als ein paar Wochen.“
Petrus, der Wiederholungstäter.
Auch Petrus ist ein Wiederholungstäter. Er steht innerhalb kurzer Zeit zum zweiten Mal vor Gericht. Nicht, weil seine Socken nicht länger gehalten haben, sondern weil er den Mund nicht länger halten konnte. Sie hatten ihm verboten, in der Öffentlichkeit den Namen Jesus zu erwähnen. Und Petrus hatte sofort wie aus der Pistole geschossen gesagt: „Einspruch, Euer Ehren, wird nichts draus, mache ich nicht!“ Er hat trotz Redeverbot weiter von Jesus gepredigt und jetzt landet er mit seinem Kumpel Johannes zum zweiten Mal vor Gericht wegen Widerstand gegen die Obrigkeit. Die Anklage lautet: „Ungehorsam gegen die Obrigkeit“. Die Antwort von Petrus lautet: Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen (Apostelgeschichte 5,29 – unsere Jahreslosung).
Dieses Wort erspart lange Diskussionen. Dieses Wort muss jeder Christ auswendig wissen. Nicht bloß in dem Jahr, wo es als Jahreslosung dran ist, sondern immer. Denn nach diesem Christenwort muss der Christ immer leben und handeln. Der Gehorsam gegenüber Eltern und Vorgesetzten und der Obrigkeit und den staatlichen Behörden ist für uns Christen eine Selbstverständlichkeit. Wir sind ja keine Anarchisten. Aber dieser Gehorsam hört für uns selbstverständlich auf, wenn irgendjemand irgendetwas von uns verlangt, was gegen Gottes Willen ist. Dann gilt Apostelgeschichte 5: Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen. Das ist eine Grundsatzerklärung!
Genau wie zum Beispiel das erste Gebot, das da heißt: Ich bin der Herr, dein Gott (...). Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.[1] So, darüber wird nicht diskutiert. Genau wie über diese Grund-satzerklärungen nicht. Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen ist sozusagen die Konsequenz für uns, die Folge aus dem ersten Gebot. Ist ja klar, wenn Gott Gott ist, dann ist es für den Menschen das Beste, den Willen Gottes zu tun und sich nicht an den Menschen zu orientieren. Weil das Leben des Menschen nur in Ordnung kommt, wenn der Mensch zu Gott kommt. Also ist die Hauptsache im Menschenleben, zu Gott zu kommen, sich für ihn zu entscheiden, sich zu bekehren.
Also hält sich Petrus nicht einen einzigen Satz länger bei seiner Grundsatzerklärung auf, sondern er hält auf der Stelle eine Bekehrungspredigt, und sagt: Jesus, den ihr gehängt und getötet habt, den hat Gott auf erweckt vom Tod, um euch Gelegenheit zu Bekehrung und Vergebung der Sünden zu geben[2].
Warum das Wort „Bekehrung“ ein rotes Tuch ist.
Bekehrung – da war es wieder einmal raus! Dieses gefürchtete Wort, dass schon Johannes den Täufer so unbeliebt gemacht hat, das Jesus so verhasst gemacht hat, das heute viele Atheisten abschreckt, viele Christen aufregt, viele Theologen auf die Palme bringt – Bekehrung ist das rote Tuch für alle, die ihr Leben nicht Gott ausliefern wollen und die Gott nicht mehr gehorchen wollen als den Menschen. Denn Bekehrung heißt ja Lebensübergabe, heißt ja: „Nicht mehr ich bin der Chef, sondern ich ordne mich Gott unter!“
Bekehrung und Gehorsam, das sind seit jeher Reizworte. Die Menschen wollen einfach nicht ertragen, das es eine Autorität gibt, die über ihnen steht, dass es Gott gibt, der ihnen sagt, wo es lang geht. Die Menschen können es einfach nicht ertragen, dass sie sich nach Gott und der Bibel richten sollen. Denn der Satz: Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen bedeutet ja zunächst erst einmal, Gott als Gott ernst zu nehmen und Gottes Wort ernst zu nehmen, die Bibel ernst zu nehmen, denn da steht ja der Wille Gottes drin. Wer seine eigene Meinung und die Meinung der Leute von heute höher stellt, also wer das menschliche Denken höher stellt als das Wort der Bibel, der gehorcht Menschen und ist Gott ungehorsam. Uns Christen ist das Denken ja nicht verboten, es gehört nur an die richtige Stelle. Die Bibel sagt einmal: Wir ordnen unser Denken unter den Gehorsam von Christus unter[3].
Aber stattdessen wird von wird heute von allen möglichen Bibelverdrewermännern[4] an der Bibel herumgefummelt, klare Aussagen werden einfach ausgehebelt, indem man sagt: „Da hat die Wissenschaft ganz neue Erkenntnisse!“ oder: „So kann man das heute nicht mehr sagen!“ – und auf diese Unart und Weise werden dann Grundbegriffe der Bibel wie Bekehrung, Gericht, Sünde, Gehorsam einfach von der kirchlichen Speisekarte als ungenießbar gestrichen. Und was übrig bleibt, das ist schlabbriges Liebesgesülze. Denn die Liebe wird dann auch nicht mehr im biblischen Sinne als Gehorsam, sondern im rein menschlichen Sinne als Gefühl verstanden.
Mit dem Wort „Liebe“ lässt sich am Schluss alles rechtfertigen. Vom Ehebruch bis zur Mitarbeit bei der Stasi. Die geschah natürlich auch aus Liebe zur Kirche, um der Kirche Freiraum zu schaffen. Wer auf diese Art und Weise Weisungen von der Stasi entgegengenommen hat, der hat Menschen mehr gehorcht als Gott.
Es ist einfach unvorstellbar, dass ein Mann wie Petrus sich auf so glattes Parkett gegeben hätte, wie es die Stasi ist und davon gestolpt[5] wäre. Der hat sich nicht mit der Tempelpolizei in irgendwelchen konspirativen Wohnungen getroffen, und um mit denen einen Deal über Freiraum zu machen. Sondern er hatte den Freimut, einfach weiterzumachen, trotz Redeverbot weiter von Jesus zu predigen. Und alles auf eine einzige Karte zu setzen: Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen. So handelt ein Mensch, der den Heiligen Geist hat. Und auch den, so sagt Petrus hier, den gibt Gott nur denen, die ihm gehorchen. Es geht hier also ständig um das Wort „Gehorchen“. Und wenn euch das inzwischen schon auf den Wecker geht, dann könnt ihr ja verstehen, wie das den Leuten damals auf den Wecker ging, die sich diese Predigten anhören mussten.
Als Petrus dieses Reizwort von „Bekehren“ und „Gehorchen“ ausspricht, bringt das seine Richter so richtig zur Weißglut: Als sie das aber hörten, ging es ihnen durch und durch und sie beschlossen, die beiden zu töten[6]. Es ging ihnen durch und durch – da steht hier im griechischen: „Es zersägte ihnen das Herz.“ Das heißt, die haben in ihrem tiefsten Inneren genau verstanden, wovon Petrus geredet hat. Sie haben ganz genau begriffen, sie müssten sich ändern, und genau das wollten sie nicht. Und deshalb wollten sie nur noch eins: die Christen abschaffen. Diese Leute, die dauernd von Veränderung predigen, die müssen weg, damit endlich Ruhe ist und damit sie endlich das machen konnten, was sie wollten. Das Jesus-Geschwätz muss aufhören, dieser Bekehrungsrummel muss aufhören: Als sie das hörten, ging es ihnen durch und durch und sie beschlossen, sie zu töten.
Sie zu töten! Das muss man sich einmal vorstellen. Die beiden haben ja gar nichts gemacht, außer dass sie von Jesus geredet haben. Johannes und Petrus haben doch gar nichts verbrochen, was die Todesstrafe wert ist! Das ist der blanke, blinde Hass, der sich hier ausspricht.
Abwarten und Tee trinken ist nicht die richtige Antwort auf Gottes Bekehrungsforderung.
Und so ist es geblieben, im Grunde genommen bis heute. Vor der Forderung, für Gott zu gehorchen, und sich zu ihm zu bekehren, da kannst du nur zweierlei: Entweder, du brichst zusammen und du gehorchst oder du musst Gott hassen. Entweder du gibst zu, du hast falsch gelebt, und du brauchst die Vergebung, oder du gibst Gott Kontra.
Nun gibt es Leute, die versuchen sich hier raus zu halten und einer Entscheidung auszuweichen. Die sind weder für noch gegen Jesus, die sind tolerant, neutral, abwartend. „Vielleicht habt ihr Christen recht, vielleicht auch nicht, es wird sich ja rausstellen, ich halte mich daraus, abwarten und Tee trinken.“
Und der erste, der diese Haltung eingenommen hat, das war ein gewisser Gamaliel, der berühmteste jüdische Gelehrte zur Zeit von Jesus. Der war wegen seiner Weisheit berühmt. Wenn der den Mund aufmachte, dann hielten alle anderen die Luft an. Gamaliel hält also vor Gericht eine lange Rede, und erzählt aus der letzten Geschichte, dass es verschiedene Aufstände gegeben hat, und die sind alle pleite gegangen, und jetzt kämen nun die Christen und wollten auch einen Aufstand machen und wollten alles umkrempeln, und da gibt er einen Rat und sagt: „Ach, lass doch diese Männer in Ruhe, lass doch die Christen laufen, denn wenn ihr Vorhaben von Menschen kommt, dann löst sich sowieso alles von selber auf. Falls aber Gott dahinter steht, dann seid ihr machtlos.“
Das klingt nicht nur logisch, das klingt auch fromm. Gott hat eigenmächtige Bewegungen, die in der Geschichte hochgekommen sind, eben pleite gehen lassen. Und wenn die Jesus-Bewegung nur auch eine eigenmächtige Bewegung ist, so eine Fackel im Strohfeuer, eine menschliche Sache, dann wird sie auch pleite gehen. Und gesetzt den Fall, die Jesus-Bewegung ist wirklich von Gott, dann könnt ihr nichts dagegen machen. Also gilt in jedem Falle: die Entscheidung der Zukunft und der Zeit über-lassen – abwarten und Tee trinken.
Das alles hört sich gar nicht so übel an, aber es ist trotzdem falsch. Und zwar aus zweierlei Gründen: erstens behauptet Gamaliel, in der Welt hat nur das Erfolg, was von Gott kommt, und was nicht von Gott kommt hat keinen Erfolg. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Es stimmt schon, viele Menschen und Bewegungen, die einmal ganz gut los gegangen sind, die gottlos waren, waren eine Weile da und dann sind sie wieder verschwunden. Angefangen zum Beispiel beim Pharao und seinem Großreich, den Weltreichen der Perser und der Römer, dem Deutschen Reich von Adolf Hitler und der allergrößten DDR von Honecker – die sind ja eines Tages einmal aus gewesen.
Kein System kann auf Dauer bestehen, wenn es gegen Gott ist.
In der Hitlerzeit, da gab es einmal einen Jugendpfarrer, das war der Wilhelm Busch. Der hat auch dauernd von Jesus geredet und deswegen haben sie ihn dauernd ins Gefängnis gesteckt. Und eines Tages, da haben seine Vernehmer ihm mitgeteilt, dass sein Beruf als Jugendpfarrer überholt ist. „Wir werden in Zukunft keine Jugendpfarrer mehr brauchen, wir haben heute eine neue Weltanschauung. Das Christentum hat ausgespielt. Ich sage Ihnen, in zehn Jahren wird kein junger Mensch in Deutsch-land mehr wissen, wer ihr imaginärer Jesus ist, dafür werden wir sorgen!“ Das war 1938. Genau zwanzig Jahre später, 1958, da hat Albert Norden, der Chefpropagandist von Walter Ulbricht, folgendes gesagt: „Eines Tages müssen die Pfarrer von alleine aufhören, weil ihnen die Luft und das Geld ausgeht. Wenn ihnen in den nächsten Jahren den letzten alten Frauen weggestorben sind, dann können sie nur noch die leeren Kirchenbänke anplärren. Auf diesen unbelehrbaren Finsterlinge verzichten wir gern, denn sie sterben schneller aus als die Auerochsen.“
Gott hat dafür gesorgt, dass diese Großfressen abgegessen haben und in unserem Land nichts mehr zu melden haben. Nicht immer kommt der Zusammenbruch so schnell wie bei den Nazis oder bei den Kommunisten. Aber eins ist klar: Nichts kann auf dieser Welt ewig bestehen, was auf Gewalt, auf Unterdrückung und auf Lüge aufgebaut ist. Sondern Gott selber wird die Unterdrücker stürzen und die Unterdrückten nach oben bringen. So haben wir es doch selber erlebt und so hat Gott es doch in der Bibel auch schon geschrieben. Gott stürzt die Mächtigen vom Thron und richtet die Unterdrückten auf[7].
Trotzdem ist die Behauptung von Gamaliel, dass alles, was gottlos ist, vergeht und nicht von Dauer ist, falsch. Es gibt Gottlosigkeiten, die dauern sehr lange. Es gibt zum Beispiel in unserem Land heidnischen Aberglauben, der ist älter als das Christentum. Es gibt ja auch unter euch manche, die so rumrennen mit solchen Talismännern und Anhängern, heidnische Zeichen, mit denen ihr Jesus beleidigt. Die Sünde ist älter als alles andere. Es gibt Lügen, die halten sich über Jahrtausende. Mancher ist gottlos bis in die Knochen und wird trotzdem steinalt.
Die menschliche Dummheit ist auch steinalt. Man hat den Eindruck sie wird immer größer und die Engstirnigkeit wird immer breiter. Die Religionen wie der Islam, der Buddhismus der Hinduismus sind ja auch uralt. Aber dass etwas schon lange da ist, ist doch noch nicht der Beweis, dass es wahr ist. Und umgekehrt, es kann etwas von Gott sein und trotzdem von ganz kurzer Dauer sein. Jesus zum Beispiel, der Sohn Gottes, der ja von Gott kam, hat es ja noch nicht einmal bis zur Rente geschafft, mit knapp dreißig Jahren musste Er schon sterben. Als Verbrecher ist Er an einem Kreuz gestorben. Und trotzdem hat Jesus von sich gesagt: Ich bin die Wahrheit![8] Die Wahrheit ist weder alt noch jung, sondern sie ist eine Person – Jesus ist die Wahrheit!
Und damit bin ich bei dem zweiten Grund, warum der Gamaliel nicht Recht hat. Sein Ratschlag, abwarten und Tee trinken, der wäre ja schön und gut, wenn es sich hier nicht um die Entscheidung für Jesus handeln würde. Es geht doch nicht darum, in Allerseelenruhe abzuwarten, ob die Kirche abstirbt oder nicht. Sondern es geht um dein ewiges Seelenheil, ob du den ewigen Tod stirbst oder das ewige Leben hast! Es geht um Jesus, der gesagt hat: Wer mich hat, hat das Leben, und wer mich nicht hat, der hat das Leben nicht.[9]
Am meisten Sünde hat, wer glaubt, keine Vergebung nötig zu haben.
Wegen diesem Jesus ist Petrus angeklagt. Und in seiner Rede hat er seinen Anklägern gesagt: Jesus, den ihr gehängt und getötet hat, den hat Gott auferweckt vom Tod, um euch Gelegenheit zur Bekehrung und Vergebung der Sünde zu geben. Man muss sich einmal vorstellen, zu wem Petrus hier redet! Er redet ja zu den Mördern von Jesus. Vor ihm sitzen die Richter, die Jesus verurteilt haben, die haben den Tod eines Unschuldigen auf dem Gewissen. Und keiner von denen, auch der Gamaliel nicht, kann sagen, dass er ohne Sünde ist. Und wenn es damals eine Gruppe von Menschen gegeben hat, die die Vergebung ganz besonders nötig hatte, dann war es die Gruppe von diesen siebzig Männern und denen – da kannst du mal sehen, wie groß Gottes Liebe ist! – bietet Gott durch Petrus die Vergebung ihrer Schuld an.
Vergebung gibt's aber nur für den, der seine Schuld bekennt und seine Schuld bereut, der sein Leben Jesus gibt, der sich für ein Leben mit Jesus entscheidet. Es dreht sich alles um diesen Punkt der Entscheidung, die Luft ist sozusagen dick voll von Entscheidung und da rät dieser Gamaliel: „Entscheidet euch noch nicht, wartet noch!“ Es kann eben einer steinalt und berühmt und ein Gelehrter und ein vielwissender Mensch sein und trotzdem falsche Ratschläge geben. Der Ratschlag des Gamaliel ist falsch und wenn dir dein eigener Pfarrer oder irgendein berühmter Christ sagt: „Entscheide dich noch nicht, bekehre dich noch nicht, warte ab!“ dann ist das falsch! Höre nicht auf solche Menschen. Gott sagt: Heute, wenn ihr meine Stimme hört, dann verstockt eure Herzen nicht[10]. Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen. Und ich sage dir: entscheide dich, entscheide dich jetzt, heute, sofort!
Du hast auch in deinem Leben Schuld. Für dich ist doch Christus auch am Kreuz gestorben. Du brauchst doch auch Vergebung der Sünden. Und selbst wenn du sagst: „Ich weiß gar nicht, welche Sünde ich haben soll, ich hab doch weiter gar nichts Böses getan, ich hab weder geklaut noch irgendwas“ – die eigentliche Sünde, das ist die, die die alleranständigsten Menschen auch haben, wenn nämlich ein Mensch sagt: „Ich brauche Gott nicht!“ da kann er noch so gut und noch so anständig sein, da braucht er nie kriminell geworden zu sein. Einer der das sagt: „Ich brauch Gott nicht, ich lebe ohne den“ – das ist ein Sünder.
Sünde hat mit anständig oder unanständig sein zunächst überhaupt nichts zu tun, das ist eine Einstellung gegenüber Gott und aus dieser Einstellung heraus folgen natürlich auch Handlungen, die die Bibel Sünde nennt. Und die gibt es auch in deinem Leben. Du hast doch auch die Vergebung nötig. Und deswegen bitte ich dich, anstelle von Jesus, der mit ausgebreiteten Armen am Kreuz hängt, ich bitte dich: lass dich doch versöhnen mit Gott! Ich weiß nicht, ob Gott den Männern von diesem Gerichtshof noch einmal die Chance der Bekehrung gegeben hat. Ich weiß nur, dass an dem Tag, wo Petrus vor ihnen stand und predigte, da hatten sie diese Chance. Und ich weiß nicht, ob Gott dir noch einmal die Chance der Bekehrung gibt. Ich weiß nur, dass du sie jetzt hast, wo ich zu dir rede. Und deshalb rate ich dir, verschiebe die Entscheidung nicht, sondern greife zu.
Gamaliel ist zum greifen nah an Jesus – aber er greift nicht zu.
Der Gamaliel war sozusagen zum greifen nah an Jesus dran, aber er hat nicht zugegriffen. Er hat nichts begriffen, er hat einfach nicht begriffen, dass dort, wo von Jesus geredet wird, es um eine Entscheidung geht. Er hielt das ja immerhin für möglich, dass Jesus von Gott sein könnte. Aber eben nur eventuell, vielleicht. Gamaliel hat sich nicht entschieden. Er wählt nicht, er lässt alles in der Schwebe. Gamaliel ist ein toleranter Mensch. Er sagt: „Ich hab nichts gegen die Christen, ich hab nichts für die Christen, ich hab meinen Glauben, habt ihr euren Glauben, es soll jeder nach seiner Fasson selig werden.“ Als er seine Rede gehalten hat, da schließen sich alle anderen seinem Toleranzgedanken an.
Bloß wie die in Wirklichkeit denken, was Machthaber dieses Schlages in Wirklichkeit für Menschen sind, das zeigt der Fortgang der Geschichte. Sie lassen nämlich die Apostel nicht laufen, sondern die lassen sie auspeitschen. Also nicht die angeblich intoleranten Christen, sondern die so toleranten Nichtchristen, das sind diejenigen, die rohe Gewalt anwenden. Jetzt zeigt sich einmal, dass das ganze liberale und humanistische und hochgeistige Toleranzgeschwafel nichts weiter ist als versteckter Jesushass. Und es zeigt sich, dass Jesus Recht hat mit seiner Behauptung: Wer nicht für mich ist, ist gegen mich[11].
Sie hätten ja die Apostel in Ruhe lassen können. Sie hätten sie ja nach Hause gehen lassen können. Aber sie haben sie auspeitschen lassen. Auspeitschen, das ist die Strafe, die in ihrem Schweregrad als letztes vor der Todesstrafe steht. Neununddreißig Hiebe mit einer dreigliedrigen Peitsche, wo Knochen und Eisenstücke drin sind, auf den nackten Rücken. Vierzig Schläge weniger eins. Wenn du diese Tortur hinter dir hast, hörst du die Engel singen. Tatsächlich, so ist das, Petrus und Johannes hören die Engel singen. In ihren geschundenen Körpern lebt eine Seele, die bei Gott geborgen ist und die unantastbar und unangreifbar ist für die Folterwerkzeuge der Christushasser. Und trotz des Blutes, das ihnen den Rücken runter läuft und trotz der Tränen, die ihnen das Gesicht runter laufen, laufen sie voll Freude nach Hause. So steht das hier.
Das ist das größte in dieser Geschichte. Man rief die Apostel wieder herein, peitschte sie aus und ließ sie frei, verbot ihnen aber, weiterhin öffentlich von Jesus zu sprechen. Die Apostel aber verließen den Rat voll Freude, weil Gott sie für wert gehalten hatte, für Jesus zu leiden.[12] Das ist doch einmal eine Veränderung! Petrus, der gleiche Mensch, der vorher Angst hatte, für Jesus leiden zu müssen, der ist jetzt voll Freude, für Jesus leiden zu dürfen. Und unbelehrbar und unverbesserlich geht er den Weg des offenen Bekenntnisses. Unbeirrbar verkündigten sie Tag für Tag im Tempel und in den Häusern die gute Nachricht, dass Jesus der versprochene Retter ist[13].
Siehst du, so ist das, wenn man Gott mehr gehorcht als den Menschen. Und denen, die Gott mehr gehorchen als den Menschen, denen hat Jesus dreierlei versprochen: die werden äußerlich verfolgt, innerlich aber frei und unendlich glücklich sein. Amen.
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[1] 2. Mose 20, 2-3
[2] Apostelgeschichte 5, 30
[3] 2. Korinther 10, 5
[4] Eine Anspielung auf Eugen Drewermann (* 1940), ehem. katholischer Theologe, der wesentliche Glaubensinhalte des Neuen Testamentes (Jungfrauengeburt, Wunder Jesu, Auferstehung) in Abrede stellt und dem Anfang der neunziger Jahre seitens der kath. Kirche die Lehrbefugnis entzogen wurde. Ebenso wurde er vom Priesteramt suspendiert. Drewermann trat 2005 aus der katholischen Kirche aus, er wählte für die Ankündigung eine Talkshow aus. – Anm. des Schreibers.
[5] Eine Anspielung auf Manfred Stolpe (*1936), von 1990 bis 2002 Ministerpräsident des Landes Brandenburg. Von 2002 bis 2005 war er Bundesverkehrsminister. Er bekleidete während der DDR-Zeit hohe kirchliche Ämter, u.a. bis 1989 stellv. Vorsitzender des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR. Gleichzeitig war er inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (Stasi) unter dem Deckname „Sekretär“. 2003 legte die Birthler-Behörde ein 1200-seitiges Dossier über seine Tätigkeit als IM vor (Quelle: Wikipedia).– Anm. des Schreibers.
[6] Apostelgeschichte 5, 33
[7] Lukas 1, 52
[8] Johannes 14, 6
[9] z.B. Johannes 3, 36
[10] Hebräer 3, 15
[11] Matthäus 12, 30
[12] Apostelgeschichte 5, 40-41
[13] Apostelgeschichte 5, 42