Der
sächsische Jugendevangelist Dr. Theo Lehmann feierte 70. Geburtstag
von Lutz Scheufler
10.06.2004
Sachsen –
Als Theo Lehmann 1966 sein Buch »Blues & Trouble« veröffentlichte, ahnte er
nicht, dass der Blues als Thema über seinem Leben stehen wird. Er schrieb:
»Blues und Kummer gehören zusammen. Wer Blues sagt, der sagt: Einsamkeit,
Enttäuschung, Verlassenheit, Sehnsucht, Liebe, Tod ...«
Mit zehn
Jahren überlebte der Sohn der Indienmissionare Gertrud und Arno Lehmann die
Bombennacht am 13. Februar 1945 in Dresden. Als eine Nachbarin aus dem
Luftschutzbunker kroch und angesichts der brennenden Stadt sagte: »Der Führer
wird’s schon machen«, waren bei ihm die Gleise für eine lebenslange Abneigung
gegen alles Totalitäre gelegt. In Gegenwartskunde ließ man ihn im Abitur
durchrauschen: Er »stolperte« über die Oder-Neiße-Friedensgrenze.
Zwei Jahre
später rehabilitiert, studierte er Theologie, schrieb seine Doktorarbeit und
ging 1964 mit seiner Frau Elke nach Karl-Marx-Stadt. Dort trat er seine erste
und einzige Pfarrstelle an, denn 1976 berief ihn die sächsische Landeskirche
zum Jugendevangelisten.
Bereits 1966
kam es zur ersten Konfrontation mit dem DDR-System. Er hatte ein Mädchen zu
beerdigen, das bei einer GST-Übung versehentlich
erschossen worden war. In seiner Predigt sagte er vor Angehörigen, Schülern und
Lehrern, dass Gewehre nicht in die Hände von Kindern gehören, dass Menschen
überhaupt nicht töten sollen. Seit dieser Predigt stand der Pfarrer im Visier
der Staatssicherheit. Er wurde nie verhaftet, bekam aber die Drohgebärden zu
spüren. Tagelang fuhr die Stasi hinter seinem Auto her. Auf Flugblättern
verunglimpfte man ihn. Mit der Genehmigung eines Ausreiseantrags in die BRD,
den er nie gestellt hatte, wollte man ihn loswerden. Sogar im engsten
Freundeskreis war ein Stasispitzel.
Als
Gemeindepfarrer begann er die legendären Jugendgottesdienste. Er war für viele
ein Hoffnungsträger in Zeiten der Hoffnungslosigkeit. Er machte den Mund auf,
wo die Masse schwieg. Er predigte aktuell, bibelorientiert, forderte seine
Hörer auf, sich zu Christus zu bekennen und hielt es dabei mit Luther: Den
Leuten aufs Maul schauen, aber nicht nach dem Mund reden.
Der
Gegenwind von kirchlichen Mitarbeitern und staatlichen Stellen konnte ihn nicht
von seinem Weg abbringen. Auch wenn die Kritik aus den eigenen Reihen oft mit
dem Meckern einer Ziege, die selber keine Milch gibt, vergleichbar war, stellte
er sich häufig der Diskussion. In Leipzig wurde er dabei von einem Theologiestudenten
mit Goebbels verglichen.
Der Blues
ging nicht spurlos an ihm vorüber. Wie viele Evangelisten wurde er herzkrank.
Erst Herzinfarkt, dann Operation und später Herz-Schrittmacher.
Der Pfarrer,
Evangelist, Gospel- und Bluesexperte, Buchautor und Liedermacher hätte viele
Gründe, um verbittert zu sein. Seit fünf Jahren muss er ohne seine Frau
Geburtstag feiern. Sie hatte Krebs. An seinem 70. Geburtstag fand man aber
keinen alten Mann vor, dem die Verbitterung ins Gesicht geschrieben ist. Auf die
Frage eines Journalisten »Was können Sie rückblickend über Ihr Leben sagen?« antwortete Lehmann: »Dankbarkeit, ich bin Gott für mein
Leben dankbar!«
Erschienen in 24-2004 in Der Sonntag