Theo Lehmann – Jugendgottesdienst Nr. 127

Abschrift der Predigt vom 8. April 1990 über Lukas 23, 1-56

Theo erzählt eingangs die Geschichte seiner Verkehrssünden und die darauf folgende Vorladung zur Volkspolizei, wo ihm die gegen ihn vorliegende Anzeige erläutert wird.

 

Liebe Freunde,

Wisst ihr eigentlich, dass gegen euch auch solch eine Anzeige vorliegt? Wisst ihr, dass es eine Akte über euch gibt, eine Anklageschrift? Ich meine nicht bei der Verkehrspolizei oder bei der Stasi, sondern ich meine bei der obersten Instanz, die noch höher und über allen weltlichen Gerichten steht, nämlich bei Gott!

Das Weltgericht. Das Sündenregister eines Vormittages.

In der Offenbarung des Johannes, im Kapitel 20, ist das Weltgericht beschrieben. Da steht folgendes: Ich sah einen großen weißen Thron und den, der darauf sitzt. Erde und der Himmel flüchteten vor seiner Gegenwart und verschwanden für immer. Ich sah alle Toten, große und kleine, vor dem Thron Gottes stehen. Die Bücher wurden geöffnet, in denen alle Taten aufgeschrieben sind. Den Toten wurde das Urteil gesprochen. Es richtete sich nach ihren Taten, die in den Büchern aufgeschrieben waren.

Also mit anderen Worten: über dich wird Buch geführt! Jeden Tag, jede Stunde, jede Minute notiert Gott jede deiner Sünden. Das ist natürlich nur ein Bild. Gott, der Allwissende Gott braucht kein Notizbuch. Aber wenn die Bibel nun einmal schon dieses Bild gebraucht, können wir uns dieses Bild ja etwas ausmalen. Deswegen habe ich mir aus der himmlischen Kanzlei einmal eine Abschrift aus deiner Akte besorgt, und da steht für den letzten Freitag drin:

6:00 Uhr: Statt Gott als erstes für die Bewahrung in der Nacht zu danken, erstes Wort des Tages: „Verdammter Mist!“ – Sünde gegen das zweite Gebot.

6:15 Uhr: Frühstück ohne das Tischgebet – Sünde gegen das erste Gebot.

6:20 Uhr: Die Mutter angeschnauzt – Sünde gegen das vierte Gebot.

9:00 Uhr: In der Frühstückspause über einen schweinischen Witz gelacht. Selber einen zum Besten gegeben – Sünde gegen das sechste Gebot.

9:15 Uhr – 9:45 Uhr: Gegammelt, weil keine Aufsicht da war – Sünde gegen das siebte Gebot

10:00 Uhr: Vom Meister wegen der Gammelei zur Rechenschaft gezogen worden. Versuch, dich mit einer Notlüge rauszureden – Sünde gegen das achte Gebot.

Und so weiter und so fort. Das ist sozusagen nur ein Auszug aus deinem Register und beweist, dass du ein Sünder bist. Es ist noch nicht früh um zehn und du hast schon alle zehn Gebote übertreten. Du bist aber nicht deswegen ein Sünder, weil du bestimmte Gebote übertrittst, du tust bestimmte Sünden, weil du ein Sünder  bist.

Das Wesen der Sünde. Der Schmerz des Vaters.

Verstehst du, die Sünde, die steckt in dir drin. Das ist so wie beim Krebs. Da hast du an vielen Stellen deines Körpers Schmerzen, wegen einer Stelle, wo das Geschwür sitzt. Die Sünde, das ist der Krebsschaden deines Lebens. Das ist das, was dich kaputt macht für Zeit und für Ewigkeit. Sünde ist ja bloß nicht ein moralisches Manko oder eine moralische Fehlleistung, sondern das ist eine Grundhaltung, eine Grundeinstellung. Sünde, das ist eigentlicher Unglaube. Sünde, ist so wie wenn der Mensch sagt: „Ich brauch Gott nicht. Ich brauche den nicht. Ich brauche dem seine Vorschriften nicht. Mich interessieren auch die Gebote nicht. Ich lebe ohne Gott.“ Das ist die eigentliche Sünde, aus der dann die anderen Tatsünden folgen. Und diese Frechheit, wenn der Mensch sagt: „Ich brauche keinen Gott, ich mache mir meine Lebensregeln selber, und die Gebote Gottes interessieren mich nicht“, verstehst du, dieser ständige Widerspruch, diese Frechheit, das ist das, was die Bibel Sünde nennt. Und wenn du sündigst, tust du Gott weh. Gott ist ja ein Vater, der ein Herz hat, dem man weh tun kann.

Ich bin unterwegs gewesen mit dem Jörg zusammen zum Weihnachtsgottesdienst , wo er mit seiner Familie gesungen hat, und er musste mal einen Tag nach Berlin fahren, wo er damals wohnte, an irgend einer lebenswichtigen Sitzung teilnehmen, und abends kam er an, und ich sage: „Na, Jörg, wie war der Tag, wie war die Sitzung?“ Über die Sitzung habe ich überhaupt nichts erfahren. Sondern er hat mir erzählt, dass er seinen Sohn, das ist Martin, der beim letzten Mal hier die Geige gespielt hat, der hatte irgendeinen Mist gemacht, und da hat er ihn verkloppen müssen. Das war abends um neun vielleicht, da lag in Berlin der Kleine allein längst schon in seinem Bettchen und schlief. Für den war alles schon gelaufen. Aber das Herz des Vaters, versteht ihr, das war noch unruhig über diese Geschichte. Das ließ dem keine Ruhe, dass der Kleine Mist gemacht hatte und dass er den hatte Strafen müssen.

Jesus hat den gegen uns ausgestellten Schuldschein ans Kreuz geheftet.

Und so ist das mit Gott auch, Gott ist doch nicht ein Prinzip oder ein Gesetz oder so etwas. Gott ist unser Vater. Der ein Herz hat, der mitleiden kann, die man wie tun kann und dem du weh tust, wenn du sündigst. Und wegen dieses Verbrechens der Sünde gegen Gott, dass du sein Vaterherz beleidigst, deswegen bist du angeklagt.

Die Anklageschrift ist auf deinen Namen ausgeschrieben. Und der Schuldschein ist ausgestellt. Der Verhandlungstermin ist festgelegt. Auch das Strafmaß ist festgesetzt. Du bist durch dein Vorleben rettungslos festgenagelt. Das ist deine Situation. Und nun sieh mal ans Kreuz, sie Ihn, der dort angenagelt ist. Der Mann, der dort am Kreuz hängt, der ist unschuldig. Das ist der Einzige, der den Tod nicht verdient hat, weil Er der Einzige ist, der nie etwas Böses getan hat, der nie ein Gebot Gottes übertreten hat. Und Er hängt nur aus einem einzigen Grund es am Kreuz, nämlich aus Liebe. Aus Liebe zu dir, weil Er dich mehr liebt als sich und sein Leben. Er gibt sein Leben hin, um dich vor der Strafe zu retten. Dein Leben ist sozusagen so viel wert wie eine alte Ostmark. Die ist Moment noch im Umlauf, aber demnächst wertlos, ungültig, wird eingestampft, dem Einstampfen verfallen.

Das Leben von Jesus ist wie so eine Art stabile D-Mark. Die Bibel sagt, das ist noch mehr als jede Währung dieser Welt. Die Bibel sagt: das Blut von Jesus, das ist das Lösegeld, mit dem er dich aus der Sklaverei deine Schuld herauskauft. Und Gottes Umtauschkurs, der ist eins zu eins. Sein Leben gegen dein Leben. Was willst du eigentlich mehr?

Es steht in der Bibel im Kolosserbrief 3,14: Gott hat den Schuldschein, der uns mit seinen Forderungen belastet, abgetan und ans Kreuz geheftet. Also an der Stelle, wo Jesus hängt, müssten wir eigentlich hängen. Und jetzt wird uns mitgeteilt, dass unser Fall bereits längst erledigt ist. Deine Schuld ist mit dem Blut von Jesus durchgekreuzt. Und wenn du an den Mann am Kreuz glaubst, das heißt, wenn du ihn als deinen Stellvertreter in Anspruch nimmst, dann gibt es für dich keine Verurteilung mehr, dann bist du frei von der Schuldenlast deines Lebens. Dann hast du Frieden mit Gott. Das ist das fantastische Angebot, das ich dir heute zu machen habe. Und wenn du diesen Frieden haben willst, brauchst du nur das zu tun, was einer der beiden Verbrecher getan hat, die mit Jesus zusammen gekreuzigt worden sind.

Keiner kann sich die Qual der Kreuzigung vorstellen.

Lukas fängt den Bericht der Kreuzigung im Kapitel 23 an mit folgenden Worten: Es wurden aber auch andere hingeführt, zwei Verbrecher, damit sie mit ihm zusammen hingerichtet würden. Es handelt sich also um eine Gruppenexekution. Es werden gleich drei Mann in einem Aufwasch erledigt. Wir haben alle schon so viel Bilder von Massenhinrichtungen gesehen, dass uns das schon einigermaßen kalt lässt. Wir alle haben schon so viele Darstellungen auch des Gekreuzigten gesehen, dass wir uns an diesen Anblick inzwischen gewöhnt haben. Aber was heißt denn das nun in Wirklichkeit. Was heißt denn das, Kreuzigung?

Das heißt, nachdem sie dich verhört, gefoltert, körperlich und seelisch fertig gemacht haben, dass sie dich aufs Kreuz legen, im wahrsten Sinne des Wortes, mit dem Rücken auf ein Holzkreuz, und während du da so liegst, dann dreschen sie dir ein paar Nägel rein, in die Hände und in die Füße, solche Dinger, und dann wird das Kreuz aufgerichtet, und dann hängst du da, mit deinem gesamten Körpergewicht. Da sackt das Blut nach unten und kann nicht mehr zirkulieren, und dann schwellen dir deine Beine an, und dann hast du wahnsinnige Schmerzen, rasende Kopfschmerzen, und du hängst dann so, stundenlang und Minute um Minute und Sekunde um Sekunde tropft das Leben aus dir raus, bis dann dein Kreislauf zusammenbricht, und dein Herz nicht mehr mitmacht.Und über dir, da knallt die Sonne runter und die brennt unbarmherzig wie Feuer in deinen Wunden. Unter dir das steht eine gaffende Volksmenge und guckt nur zu und macht sich über dich lustig. Vers 35: Und das Volk stand und sah zu.

Vielleicht könnt ihr euch erinnern, es gab ein berühmtes Rock Musical: Jesus Christ Superstar. Da kommt eine Szene vor, die Christus gekreuzigt wird und da steht dann der Schauspieler mit dem Rücken zur Gemeinde und muss ein paar Minuten lang so dastehen. Ich hab mich mal mit dem Rainer Schöne, der damals diese Rolle gespielt hat, unterhalten, und er hat mir gesagt: „Du kannst dir gar nicht vorstellen, was das für körperliche Kräfte kostet, sieben Minuten lang so dastehen zu müssen.“ Aber wisst ihr, er stand ja nicht ein paar Stunden, sondern es waren ein paar Minuten. Und es war nur Theater, das war ja nur auf der Bühne und er kriegte das bezahlt.

Aber Jesus hat auf Jesus auf Golgatha keine Theatervorstellung gegeben. Er hat wirklich dort gehangen. Er hat sein Leben hingegeben. Er hat das nicht bezahlt gekriegt, sondern er bezahlte mit seinem Blut deine Eintrittskarte in den Himmel. Nur in einem einzigen Punkt, da war es bei Jesus genauso wie im Theater. Das ist eben hier dieser Vers 35: Und das Volk stand und sah zu. Das Volk glotzt.

Es glotzt, wenn bei einem Verkehrsunfall die Toten auf der Straße liegen, es glotzt in die Röhre, wenn die Folterungen von unschuldigen Menschen gezeigt werden, das Volk glotzt, wenn Jesus am Kreuz hängt und schreit: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen![1]

Uns das Volk stand und sah zu. Und sie sahen nicht nur zu, wie der Mann stirbt, sondern sie machten sich auch noch über ihn lustig. Man sollte ja meinen, dass das Sterben eines Menschen sozusagen eine heilige Geschichte ist, wo man nicht daran rührt. Selbst wenn sie ihn für einen Verbrecher gehalten haben, selbst wenn sie Jesus für einen Verrückten gehalten haben, man hätte ihn doch wenigstens in der Sterbestunde allein lassen können. Nein! Sie haben sich über ihn lustig gemacht, sie haben ihn verspottet, sie haben ihn geschmäht, und da waren sie sich alle einig von den obersten Schriftgelehrten bis runter zum kleinsten Soldaten.

Der erste Gerettete: ein Schwerverbrecher.

Einer der beiden Verbrecher, die links und rechts neben ihm an einem andern Kreuz hingen, macht sich sogar noch über ihn lustig und sagt: Bist du nicht der Sohn Gottes? Nun, dann hilft dir selber und uns. Steig runter vom Kreuz! Da weist in der andere Gangster, der an dem andern Kreuz hängt, zurecht und sagt: Fürchtest du dich denn nicht auch vor Gott? Du bist doch auch zum Tode verurteilt. Wir beide sterben hier mit Recht, für das was wir getan haben. Aber dieser Mann hat nichts Unrechtes getan. Und dann wendet er sich an Jesus und sagt zu Ihm: Jesus, denke an mich, wenn du in dein Reich kommst.[2]

Dieser Mann ist der erste, von dem wir wissen, dass er an Jesus, den Gekreuzigten geglaubt hat. Das ist der erste, der durch den Gekreuzigten bekehrt wurde. Der erste, der durch das Kreuz gerettet wurde. Und dieser erste, das war ein Verbrecher, das war ein Anarchist, das war ein Terrorist, das war ein Mörder. Der hing zu Recht am Kreuz. Der wusste, dass er da mit Recht hängt. Der war durch seine Schuld festgenagelt und konnte in diesem Moment nur zweierlei tun: entweder fluchen oder beten. Und da betet er, er bittet, er sagt: Jesus, denke an mich, wenn du in dein Reich kommst.

Das ist ja eine groteske Situation! Ein Lump, der am Kreuz hängt bittet Jesus, der auch am Kreuz hängt, um Aufnahme in Gottes Reich. Und Jesus, der größte Lumpensammler aller Zeiten, nimmt ihn auf! Er sagt zu ihm: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein!

Und nachdem Jesus das gesagt hat, hängt Er noch drei Stunden am Kreuz. Es heißt hier in der Bibel: In dieser Zeit verfinsterte sich die Sonne, und im ganzen Land wurde es dunkel[3]. Wenn der Sohn Gottes stirbt, verliert sogar die Sonne vor Scham ihren Schein. Und die ganze Schöpfung nimmt teil an der Ungeheuerlichkeit dieses Sterbens. Aber während sich über die Erde die Finsternis der Trauer senkt, da bricht oben im Himmel ein Jubelgeschrei los, weil der Sieg über die Sünde der Menschheit vollbracht ist, weil die erste verlorene Seele gerettet ist. Denn noch während der Kreuzigung hat sich der erste Sünder bekehrt. Jesus hat einmal gesagt: wenn ein Sünder sich bekehrt, dann gibt es ein Freudenfest im Himmel.[4]

Pfarrer Blumhardt[5] hat einmal einen ganz eigenartigen Satz gesagt: „In der Christnacht haben die Engel geweint, denn sie ist der Anfang der Passion Gottes. Während der Kreuzigung haben die Engel gelacht, denn sie ist der Anfang der neuen Welt.“ Und ich denke, dieser Mann hatte Recht. Ich denke auch, heute werden die Engel im Himmel Grund haben zum Jubeln, wenn du nämlich deine sündige Vergangenheit am Kreuz niederlegst. Das heißt, wenn du umkehrst. Wenn du deine Schuld bekennst, wenn du die Vergebung von Jesus annimmst.

Im Alten Testament, viele, viele hundert  Jahre, bevor Jesus am Kreuz gehangen hat, steht eine Verheißung, ein Versprechen, das Gott gegeben hat. Beim Propheten Joel, Kapitel 3, steht geschrieben: Und es soll folgendes geschehen: wer den Namen des Herren anrufen wird, der soll errettet werden. Denn auf dem Berge Zion zu Jerusalem wird Errettung sein[6]. Und genau das ist geschehen, als Jesus am Kreuz auf der Müllkippe von Jerusalem unter dem Abschaum der Menschheit am Kreuz hing.

Denn als Jesus starb, da hing Er nicht zwischen zwei feierlichen Altarkerzen, sondern er hing zwischen zwei fiesen Anarchisten und Verbrechern. Und einer von denen, der hat seinen Namen angerufen, er hat gesagt: Jesus, denke an mich! Und da war die Rettung da. Denn Jesus sagt zu ihm: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein. Und dieses Versprechen wird sich auch an dir erfüllen, wenn du dich an Jesus wendest, wenn du seinen Namen anrufst. Denn gerettet bist du nicht dadurch, dass du glaubst, dass das, was ich erzähle und was in der Bibel geschrieben ist, damals so geschehen ist. Sondern gerettet bist du, wenn du glaubst, dass es für dich geschehen ist und wenn du es für dich in Anspruch nimmst. Wenn du Jesus also daraufhin ansprichst, und zu Ihm sagst: „Jesus, ich bin heilfroh, dass du mein Stellvertreter bist und damals dort gehangen hast und ich nie an so ein Kreuz muss. Nimm mich auf in dein Reich!“ Wenn du so oder ähnlich betest, sollst du heute noch gerettet sein.

Und deswegen bitte ich dich jetzt, im Namen von Christus, der damals mit ausgebreiteten Armen am Kreuz hing. Ich bitte dich in seinem Namen: lass dich versöhnen mit Gott. Und lass doch mal deinen ganzen Stolz und deinen Widerstand und deine Zweifel und deine Bedenken, schieb das doch alles mal beiseite. Und sei das, wozu du von Gott von Ewigkeit her vor bestimmt bist. Ein erlöstes Gotteskind.

Die drei schlechten Vorschläge des Teufels.

In diesem Augenblick, wo du jetzt darüber nachdenkst, macht der Teufel, also der Gegenspieler Gottes, der nicht will, dass du in Gottes Reich kommst, drei Vorschläge. Er sagt jetzt entweder zu dir:

„Deine Schuld ist viel zu groß. Das was du gemacht hast, ist so stark, und so schlimm, dafür gibt's gar keine Vergebung. Für dich ist es zu spät!“ Aber Leute, das ist eine Lüge. Wenn Jesus diesen Verbrechern vergeben hat, vergibt er auch dir. Wenn Er seinen eigenen Mördern vergeben hat, vergibt er auch dir selbst, wenn du einen Mord begangen hast, zum Beispiel ein Kind abgetrieben oder bei der Stasi mitgearbeitet hast oder was immer du betrieben hast. Es ist für dich nicht zu spät, nein, sondern heute, wo du hier in diese Kirche bist, da kannst du Vergebung für deine Schuld haben. Dein Leben kann noch mal aufs Neue losgehen.

Oder der Teufel sagt zweitens zu dir: „Das ganze Gerede von Kreuz und Sünde und Schuld und Vergebung ist doch alles Quatsch und Pfaffengeschwätz. Du brauchst keinen Stellvertreter, du bist doch ein anständiger Mensch, das trifft alles für dich zu, du bist ein guter Mensch und der liebe Gott, falls es ihn überhaupt gibt, der wird dir schon vergeben!“ Aber das ist eine Illusion. Es gibt keinen lieben Gott. Sondern es gibt nur einen heiligen Gott, der die Sünde der Menschen unbarmherzig bestraft, und der unbegreiflicherweise und barmherzigerweise das Strafgericht an seinem eigenen Sohn vollzieht. Deswegen können wir nur am Kreuz erkennen, dass das wahre Wesen Gottes die Liebe ist. Weil er aus Liebe zu den Menschen die Schuld auf sich selbst nimmt. Mensch, du hast Schulden bei Gott! Und entweder bezahlst du's in der Ewigkeit oder du lässt Jesus für dich bezahlen. Einer muss die Schuld bezahlen. Und nun bietet Jesus dir an und sagt: ich mach das für dich. Ich erspare dir einen Gerichtstermin. Ich erledige das alles für dich.

Oder der Teufel sagt zu dir: „Ja, da ist schon etwas Wahres dran, ich meine, jeder Mensch hat irgendwo Fehler, aber deine Bekehrung ist noch nicht dran. Für dich ist es noch zu früh!“ Aber das ist ein ganz gewaltiger Irrtum. Die Leute ziehen aus dieser Geschichte von den Gangstern am Kreuz eine ganz falsche Schlussfolgerung. Die denken, wenn der noch am Schluss, sozusagen in letzter Minute noch in das Reich Gottes hinein geschlüpft ist, dann kann ich meine Bekehrung ja auch auf meinen Sterbetag verschieben.

Für was der reuige Verbrecher ein Vorbild ist – und für was nicht.

Mein lieber Freund, der Verbrecher am Kreuz ist alles andere als ein Vorbild für eine aufgeschobene Bekehrung. Im Gegenteil, er ist das Beispiel eines Mannes, der bei der ersten Gelegenheit, die sich ihm bietet, sich bekehrt. Ich werde immer gefragt: „Geht denn das überhaupt, dass man sich so schnell und sofort bekehrt?“ Die Bibel ist voll von solchen Beispielen. Das ist so ein Beispiel.

Dieser Mann hat nie in einem solchen Gottesdienst gesessen, wie du. Und er hat nicht x-mal Gelegenheit so wie du, sich zu bekehren. Der war Jesus Überhaupt noch nie begegnet. Auf der Hinrichtungsstätte hat er ihn zum ersten Mal gesehen. Gottseidank war Jesus auch dort an diesem schrecklichen Ort. Und da hat er Ihn sofort angesprochen. Und dann sagst du vielleicht: „Ja, die haben das damals auch alle leichter gehabt zu glauben, wir hören nur immer deine Stimme, die Predigt, aber wir können Jesus ja nicht sehen.“ Ja, glaubst du denn, die hatten das damals leichter? Was hat denn der Mann damals gesehen? Was der mit seinen Augen gesehen hat, das sah wirklich nicht so aus, als ob es für ihn eine Hilfe sein könnte. Was hatte  er denn gesehen – er sah Einen, der an einem Kreuz angenagelt war, genauso wie er. Winselnd, jammernd, blutend, festgenagelt, fertig, erledigt – er konnte nicht einen Finger mehr krumm machen.

Aber er hat nicht gezögert, Ihn um Hilfe anzurufen! Einen anderen Jesus als den Gekreuzigten kann ich dir auch nicht anbieten. Und wenn du dich an Ihn wendest, dann wirst du sehen, dass Er alleine gemacht hat, durch sein Sterben und seine Auferstehung deine Schuld aus der Welt zu schaffen. Der andere, der daneben hing, der hatte die gleiche Chance wie der da links. Beide haben sich verschieden entschieden. Der eine Mann, der stirbt in Frieden –  der andere stirbt mit einer Lästerung auf den Lippen. Obwohl der genauso neben dem Kreuz hing.


Das Kreuz trennt Gerettete von Verlorenen.

Das Kreuz von Jesus trennt die Menschen haarscharf in solche, die gerettet werden, und in solche, die verloren gehen.

Jesus sagt, er ist gekommen um die Verlorenen zu sich zu holen. Wer an den Gekreuzigten glaubt, der ist nicht mehr verloren, der ist gerettet. Am Kreuz fällt die Entscheidung über deine Vergangenheit, deine Gegenwart, und deine Zukunft. Und ich habe heute versucht, dir den Gekreuzigten sozusagen vor die Augen zu malen, damit du dich entscheiden kannst, heute entscheiden kannst. Wenn du deine Bekehrung auf den Sterbetag verschieben willst, dann kannst du dich jedenfalls nicht auf diese Geschichte berufen. Ganz abgesehen davon, dass die Sterbestunde die ungeeignetste Moment ist für eine Bekehrung.

Mal angenommen, du baust nachher auf dem Heimweg einen Unfall – ich wünsche dir, dass du gesund nach Hause kommst und lange lebst – mal angenommen, du hast vielleicht nicht mehr die Zeit, auch nur den ja Namen von Jesus noch auszusprechen. Ihr habt es vielleicht gelesen oder gehört, vor ein paar Tagen, da ist der alte Bischof Scharf[7] in Berlin gestorben. Er ist in den Bus gestiegen und dann ist er umgefallen. Zack, aus, weg war der Mann. Der Tod traf ihn überraschend, wie eine Keule. Aber der Tod traf ihn nicht unvorbereitet. Er hatte sich ein Leben lang auf diesen Moment vorbereitet. Ich wünsche dir, dass der Tod dich nie unvorbereitet treffen soll und dass du immer wissen kannst, wenn es mit dir einmal zu Ende geht.

Ich gehe hinein in Gottes Reich, weil ich mich vorher bei meinem Jesus angemeldet habe. Ich weiß nicht, ob du dich morgen, oder übermorgen oder überhaupt noch bekehren kannst, das weiß ich nicht. Ich weiß nur, du bist jetzt hier. Jetzt kannst du dich entscheiden, jetzt kannst du dich bekehren. Jetzt ist die Chance. Amen.

 

*  *  *  *

 



[1] Matthäus 27, 46

[2] Lukas 23, 39-43

[3] Lukas 23, 45

[4] Sinngemäß bei Lukas 15, 7

[5] Christoph Blumhardt (1842 – 1919), württembergischer Theologe, Pfarrer und Dichter von Kirchenliedern.

[6] Joel 3, 16

[7] Kurt Scharf (1902-1990) – evangelischer Bischof von Berlin und Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland. Im Dritten Reich Mitglied der bekennenden Kirche. – Anm. des Schreibers.