Jugendgottesdienst 04.10.1998
„Und zur sechsten Stunde kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde. Und zu der neunten Stunde rief Jesus laut: Eli, Eli, lama asabtani? Das heißt übersetzt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Und einige, die dabeistanden, als sie das hörten, sprachen sie: Siehe, er ruft den Elia. Da lief einer und füllte einen Schwamm mit Essig, steckte ihn auf ein Rohr, gab ihm zu trinken und sprach: Halt, lasst sehen, ob Elia komme und ihn herabnehme!
Aber Jesus schrie laut und verschied. Und der Vorhang im Tempel
zerriss in zwei Stücke von oben an bis unten aus.
Der Hauptmann aber, der dabeistand, ihm gegenüber, und sah, dass
er so verschied, sprach: Wahrlich, dieser Mensch ist Gottes Sohn gewesen!“
Liebe
Freunde,
der
Schriftsteller Stefan Zweig hat einmal ein Buch geschrieben mit dem Titel
"Sternstunden der Menschheit". Ein fetter Titel, aber es gibt ja
tatsächlich Augenblicke wo die Menschheitsgeschichte einen Schritt mit
Siebenmeilenstiefeln macht.
Im
Jahr 1929 ließ Sir Alexander Fleming in seinem verlotterten Chemie-Labor ein
paar Pilze neben irgendwelchen Bakterienkulturen liegen, die daraufhin
ausstarben. So entdeckte der Mann per Zufall das Penicillin und wurde
weltberühmt und bekam den Nobelpreis. Von nun an gab es Hoffnung für Millionen
bisher unheilbar kranker Menschen. Manchmal wird sogar Schlamperei belohnt. Ist
mir leider nie passiert: Auch ich hab ab und an Schimmelpilzkulturen in meinem
Kühlschrank, aber von denen war noch keine nobelpreisverdächtig.
Eine
andere Sternstunde der Menschheit schlug 1969. Da landete die Raumfähre Apollo
11 auf dem Mond und Neill Armstrong betrat als erster Mensch den Mond. Und dann
tönte jener Satz aus dem Weltraum ins Wohnzimmer: "Ein kleiner Schritt für
einen Menschen, aber ein großer Schritt für die Menschheit". Ich hab das
als 4jähriger Kerl damals natürlich schon voll begriffen und ab nun wusste ich:
Der Mann im Mond ist Amerikaner.
Sternstunden
der Menschheit sind Jubelstunden der Menschheit. Da fliegen Sektkorken und
alles wird live via Eurovision in der Glotze übertragen.
Ich
möchte aber heute abend nicht über irgendeine Sternstunde der Menschheit
philosophieren, nein ich möchte über die Sternstunde der Menschheit reden, über
die einzige Stunde der Weltgeschichte, die diesen Namen wirklich verdient. Aber
diese Stunde war keine Jubelstunde, sondern eine Todesstunde. Es ist nun schon
fast 2000 Jahre her. Auf einem Hügel vor Jerusalem stehen drei Kreuze. Und
mitten am Tag wird es stockdunkel.
Der
römische Hauptmann, der schon viele angenagelt hat und der schon viele hat
elend sterben sehen, hat so was noch nie erlebt.
Die
zwei rechts und links waren Typen, mit denen er es schon oft zu tun gehabt
hatte: Verbrecher und Mörder. Solche Typen hinzurichten, dass war sein Job, da
hatte er Routine drin. Aber der in der Mitte, so einem war ihm noch nie
begegnet.
Während
alle anderen normalerweise fluchen was das Zeug hält, fängt der an zu beten.
Dem Mörder, der neben ihm stirbt, dem vergibt er die Schuld und zu allem
Überfluss bittet er auch noch für die, die ihn so entsetzlich quälen:
"Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun!"
Wahrscheinlich
wusste dieser Hauptmann immer was er tat, aber bei diesem Wort wird er
unsicher. "Warum musste ich den eigentlich kreuzigen?"
Und
kurz bevor er stirbt, nach sechs qualvollen Stunden, schreit dieser merkwürdige
Mann diesen erschütternden Satz: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich
verlassen?" Das ist ein Satz, der so gar nicht einer Sternstunde passt.
Der nicht sich nicht so bedeutungsvoll anhört, wie der von Neill Armstrong. Den
man nicht erwürdig zitieren kann, wie ein Zitat von Goethe. Nein, dieser Satz
war ein Schrei voller Verzweiflung. Aber in diesem Satz, liebe Freunde, liegt
das große Geheimnis des Kreuzes. In diesem Satz liegt das Geheimnis dieser
Sternstunde.
Jesus
ist am Kreuz nicht an der Gemeinheit der jüdischen Obrigkeit zerbrochen. Die
hatten ihn übel verleumdet und ihm übel mitgespielt, aber das hat ihn nicht
fertig gemacht.
Jesus
ist auch nicht an der Brutalität des römischen Hinrichtungskommandos
zerbrochen. Das waren skrupellose Burschen, aber die waren auch nicht sein
größtes Problem.
Nein,
Jesus ist daran zerbrochen, dass ihn Gott verlassen. dass Gott es hat dunkel
werden lassen über ihm. dass er über ihm das Licht ausgemacht hat. dass sein
himmlischer Vater sich von ihm abgewandt hat. Daran ist Jesus zerbrochen.
Vorher in der Pantomime war das für mich der härteste Punkt: als Daniel Kliemt
dieses Brot zerbrochen hat. So hat Gott seinen Sohn zerbrochen.
Und
jetzt fragen viele: Mensch, warum tut der das? Wie kann der liebe Gott so
brutal sein? Das erste was ich dir sagen muss: Vergiss den lieben Gott? Der
liebe Gott ist was für Leute, die ne billige Entschuldigung brauchen für ihre
Fehler: So nach dem Motto: Der liebe Gott wird schon ein Auge zudrücken! Der
liebe Gott ist ne billige Ausrede für Leute, die den Himmel im Sonderangebot
wollen: dem lieben Gott werde ich schon recht sein. Vergiss den lieben Gott!
Wer
an das Kreuz sieht, der sieht keinen lieben Gott! Sondern der sieht einen Gott,
der ein furchtbares Gericht hält über die schuldigste Gestalt der
Weltgeschichte. Wie bitte? Ja, so ist das? Denn der gekreuzigte Jesus trägt an
diesem Kreuz die Schuld aller Menschen und deine und meine ist auch dabei. Und
schon deine und meine Schuld allein hätte genügt, um ihn dorthin zu bringen.
Vielleicht
sagst: Hör mal her, ich bin erst 15. Bin jung und klein, mein Herz ist rein.
Ich hab noch keinen umgebracht und erst ganz wenig geklaut. Für welche Schuld
soll der für mich sterben?
Aber
jetzt bitte ich dich, hör du mal her: Alles was du bist und hast ist ein
Geschenk Gottes. Heute ist Erntedank. Gott hat doch nicht nur die paar Äpfel
und Birnen geschaffen, nein er hat dich gemacht: Hast Du ihm schon mal
"Danke" gesagt dafür?
Und
er hat dich nicht nur gemacht, sondern er hat auch einen Anspruch auf dein
Leben. Er möchte dein Herr sein. Er will dein Leben führen. Ich weiß nicht ob
du das schon wusstest?
Gott
hat dich wunderbar gemacht und so wunderbar wie er dich gemacht hat, so kann er
dich auch wieder zurückverlangen. Gott wird dich und mich einmal fragen: Ich
habe dir Augen gegeben, um meine Herrlichkeit zu sehen und wie viel Schund hast
du dir damit alles angesehen? Ich habe dir einen Mund gegeben, damit du von mir
weitererzählst und wie viel faules Geschwätz hast du damit geredet? Ich habe
dir Hände gegeben, um diese Welt sinnvoll zu gestalten und du benützt sie so
oft, um sie kaputt zu machen.
Wenn
wir einmal vor Gott stehen, dann wird das so sein, wie wenn wir vor einem
Menschen stehen, der alles weiß, was wir über ihn gesagt und gedacht haben. Und
wir werden auf 1000 Fragen nicht eine Antwort wissen. Das ist Schuld! Und diese
Schuld steht in Gottes Augen wie ein großes Minus vor unserem Leben.
Und
für diese Schuld stirbt Jesus am Kreuz. Damit du in Ewigkeit leben kannst. Ich
will dir das an einem Beispiel erklären:
Es
gab vor dem zweiten Weltkrieg in Essen eine große jüdische Synagoge. Dieser
große und herrliche Bau erlebte 1938 ein schreckliches Ende. In einer der ganz
dunklen Stunden des deutschen Volkes, nämlich in der sog. Reichskristallnacht,
wurde dieses Haus von den Nazis in Brand gesteckt. Und alles was brennbar war
wurde ein Raub der Flammen. Was aber den Flammen trotzte waren die riesigen
Steinquader und das Stahlgerüst des Kuppelbaus.
Sechs
Jahre später brach das Gericht über unser Volk herein. Und auch die Stadt Essen
erlebte dieses schreckliche Gericht. An einem Abend heulten gegen neun die
Sirenen: Bomberalarm. Und dann begann die Nacht des Schreckens mit
Bombenteppichen und Flächenbränden. Menschen irrten verzweifelt durch die
Straßen auf der Flucht vor dem Sog der Flammen und auf der Suche nach einem
Schutz vor Hitze und Feuer.
Viele
kamen um in den zusammenstürzenden Häusern, im Flammenmeer und im Bombenhagel.
Aber mitten in der Stadt gab’s einen Ort, wo man hinkonnte, wo man überleben
konnte, weil’s dort nicht gebrannt hat und wo es eigenartig still und friedlich
war. Das war die Ruine jener Synagoge. Dort brannte nichts mehr, weil es dort
schon einmal gebrannt hatte. Und jetzt, in dieser Nacht des Gerichtes über
Hochmut und Gottlosigkeit war es dort merkwürdig ruhig und friedevoll. Dort
konnte man überleben.
So
ist das mit dem Kreuz, am Kreuz findet das Gericht über unsere Schuld statt und
es findet stellvertretend über Jesus statt. Und wenn am Ende dieser Welt Gott
einmal Gericht halten wird, dann wird es überall brennen, nur nicht unter
diesem Kreuz. Das wird Friede sein, weil’s da schon mal gebrannt hat. Und jeder
der sich unter dieses Kreuz stellt, wird am Leben bleiben in Gottes Ewigkeit.
Vielleicht
begreifst Du jetzt auch, was Liebe Gottes ist. Die Liebe Gottes zeigt sich
nicht am lieben Gott. Der liebe Gott ist ne Witzfigur unserer Phantasie. Nein,
die liebe Gottes zeigt sich am Kreuz: "So sehr liebt Gott dich, dass er
seinen einzigen Sohn gab, damit du, wenn du an ihn glaubst, nicht verloren
gehst, sondern das ewige Leben hast!"
Der
Hauptmann, der Jesus damals hingerichtet hat, der hat das übrigens kapiert.
Nicht alle haben das kapiert. Unter dem Kreuz stand auch der ganze Mob, der nur
gespottet und gelacht hat. Unter dem Kreuz, da trennt sich die Menschheit in
zwei Lager: Da stehen die einen, denen Jesus entweder egal ist oder die ihn
sogar mit Füßen treten. Und da stehen die anderen, die kapieren, was hier
geschieht. So wie dieser Hauptmann. Der stand ganz nah dran an diesem
Schrecken, aber der sagte nicht: Ach, Gott, wie brutal und überhaupt ... Mit
dem will ich nix zu tun haben. Nein, als Jesus starb, da stand er unter diesem
Kreuz und sagte: "Dieser Mensch war wirklich Gottes Sohn!" Der hat
begriffen, was hier los ist.
Und
ich möchte dich herzlich bitten: Wenn du’s noch nicht getan hast, dann stell
dich auch unter dieses Kreuz! So wie es dieser Hauptmann getan hat und nimm das
für dich an. Der auferstanden Jesus lädt dich ein. Die Sternstunde von Golgatha
kann heute abend zur Sternstunde deines Lebens werden.
Vielleicht
bist du heute abend nur so zufällig hier reingeschneit und hast von allem noch
nicht viel Ahnung. Egal, viel Ahnung hatte der Hauptmann auch nicht.
Entscheidend ist, dass du die Hauptsache kapiert hast: Jesus hat für dich
bezahlt und jetzt ist Tag der offenen Tür bei Gott. Du bist herzlich
willkommen. Es kann die Sternstunde deines Lebens werden.
Amen.