Prof. Dr. Werner Gitt

Ein Auszug aus dem Buch: „Fragen, die immer wieder gestellt werden“

16. Auflage

 

Was halten Sie von der Gentechnologie?

 

Die Methoden der Gentechnologie erlauben es, be­liebige Gene völlig neu zu kombinieren. Damit eröffnen sie die Möglichkeit, das Erbgut der Lebewesen gezielt und schnell zu verändern und es bestimmten Zwecken zu unterwerfen. Im Mittelpunkt heutiger genchirurgischer Be­mühungen steht die Konstruktion von Bakterienzellen, die durch den Einbau eines fremden Gens (z. B. von einem Säu­getier oder vom Menschen) zu Produktionsstätten für me­dizinisch oder technisch interessante Produkte (z. B. Hor­mone, Impfstoffe) werden. Das erste gentechnisch herge­stellte Medikament war das Hormon Insulin, das zur Be­handlung von Diabetes unentbehrlich ist. Dabei wird in Coli-Bakterien das entsprechende menschliche Gen einge­schleust, das beim gesunden Menschen für eine ausreichen­de Insulinproduktion sorgt. Dieses so gewonnene Insulin ist darum identisch mit dem normalerweise im menschli­chen Körper produzierten. Fernere Zielsetzungen sind es, bei Kulturpflanzen den Nährwert zu verbessern, sie gegen­über Infektionen und Unkrautvertilgungsmitteln unemp­findlicher zu machen oder Erbkrankheiten durch Einschleu­sen eines zusätzlichen intakten Gens in den Chromosomen­verband des Menschen zu heilen. Der Nutzen dieser neuen Technologie ist unverkennbar. Es ist jedoch auch hier zu bedenken, dass jede Technik ambivalent ist: Mit einem Hammer kann man einen Nagel in die Wand hauen, aber auch einem Menschen den Schädel einschlagen. Auch bei gut gemeinter technischer Anwendung sind die langfristi­gen Folgen kaum abschätzbar. All das gilt in besonderer Weise auch für die Gentechnik.

Mit dem Turmbau zu Babel war - wie allgemein bekannt ist - das Gericht der Sprachverwirrung verbunden. Weni­ger Allgemeingut ist, dass Gott den Menschen auch in sei­nem Tun dahingegeben hat: „Hinfort wird ihnen nichts mehr unmöglich sein" (1. Mose 11, 6). Gott gewährt dem Menschen, Taten zu vollbringen, die er lieber nicht ausführen sollte. Es wäre dem Menschen gut, wenn er nicht die Fähigkeit besäße, Gaskammern zu bauen, um darin massenweise Menschen zu vernichten, Atombomben zu entwickeln, um damit Städte auszulöschen oder Ideensysteme zu erdenken, die den Menschen versklaven. So liegt es im Bereich des menschlich Machbaren, zum Mond zu fliegen, Organe zu verpflanzen und Gene zu manipulieren.

Der nicht an Gott gebundene Mensch hält sich für auto­nom und kennt keine Einschränkungen in seinem Handeln. Sein Tun wird ihm selbst zum Gericht. Der an Gott glau­bende Mensch wird nach biblischen Maßstäben suchen und nicht alles tun, was machbar ist. In dem Auftrag „mehret euch" (1. Mose 1, 28) beteiligt Gott uns Menschen an einem Schöpfungsprozess. In der geschlechtlichen Zuordnung von Mann und Frau hat Gott alle Voraussetzungen zu diesem Schöpfungsvorgang gegeben, dennoch bleibt Gott auch da­bei der Bildner: „Deine Augen sahen mich, da ich noch un-bereitet war" (Psalm 139, 16). Bei der Genmanipulation kön­nen wir in den von Gott vorgegebenen Prozess verändernd eingreifen: Die in eine befruchtete Eizelle übertragenen Gene können an nachfolgende Generationen weitergege­ben werden. Dieser Eingriff ist nicht mehr rückgängig zu machen und birgt unüberschaubare Gefahren in sich. Ch. Flämig sieht in utopischer Vision das Endziel der Genetik in der Schaffung eines Übermenschen: „Die besten Geis­ter der Menschheit werden... genetische Methoden ent­wickeln, die neue Eigenschaften, Organe und Biosysteme erfinden, die den Interessen, dem Glück und der Herrlich­keit jener gottgleichen Wesen dienen, deren dürftige Vor­ahnung wir elenden Kreaturen von heute sind" („Die ge­netische Manipulation des Menschen". Aus Politik und Zeit­geschichte B3/1985, S. 3-17). Bei solcher Zielsetzung wird der Mensch zum Gott verachtenden Prometheus:

 

„Hier sitz' ich, forme Menschen

Nach meinem Bilde,

Ein Geschlecht, das mir gleich sei,

Zu leiden, zu weinen

Zu genießen und zu freuen sich,

Und dein nicht zu achten

Wie ich!"                           

 (Johann Wolfgang v. Goethe)