Ein
Auszug aus dem Buch: „Fragen, die immer wieder gestellt werden“
16.
Auflage
Die Methoden der
Gentechnologie erlauben es, beliebige Gene völlig neu zu kombinieren. Damit
eröffnen sie die Möglichkeit, das Erbgut der Lebewesen gezielt und schnell zu
verändern und es bestimmten Zwecken zu unterwerfen. Im Mittelpunkt heutiger
genchirurgischer Bemühungen steht die Konstruktion von Bakterienzellen, die
durch den Einbau eines fremden Gens (z. B. von einem Säugetier oder vom
Menschen) zu Produktionsstätten für medizinisch oder technisch interessante
Produkte (z. B. Hormone, Impfstoffe) werden. Das erste gentechnisch hergestellte
Medikament war das Hormon Insulin, das zur Behandlung von Diabetes
unentbehrlich ist. Dabei wird in Coli-Bakterien das entsprechende menschliche
Gen eingeschleust, das beim gesunden Menschen für eine ausreichende
Insulinproduktion sorgt. Dieses so gewonnene Insulin ist darum identisch mit
dem normalerweise im menschlichen Körper produzierten. Fernere Zielsetzungen
sind es, bei Kulturpflanzen den Nährwert zu verbessern, sie gegenüber
Infektionen und Unkrautvertilgungsmitteln unempfindlicher zu machen oder
Erbkrankheiten durch Einschleusen eines zusätzlichen intakten Gens in den
Chromosomenverband des Menschen zu heilen. Der Nutzen dieser neuen Technologie
ist unverkennbar. Es ist jedoch auch hier zu bedenken, dass jede Technik
ambivalent ist: Mit einem Hammer kann man einen Nagel in die Wand hauen, aber
auch einem Menschen den Schädel einschlagen. Auch bei gut gemeinter technischer
Anwendung sind die langfristigen Folgen kaum abschätzbar. All das gilt in
besonderer Weise auch für die Gentechnik.
Mit dem Turmbau zu Babel war - wie allgemein bekannt ist - das
Gericht der Sprachverwirrung verbunden. Weniger Allgemeingut ist, dass Gott
den Menschen auch in seinem Tun dahingegeben hat: „Hinfort wird ihnen nichts
mehr unmöglich sein" (1. Mose 11, 6). Gott gewährt dem Menschen, Taten zu
vollbringen, die er lieber nicht ausführen sollte. Es wäre dem Menschen gut,
wenn er nicht die Fähigkeit besäße, Gaskammern zu bauen, um darin massenweise
Menschen zu vernichten, Atombomben zu entwickeln, um damit Städte
auszulöschen oder Ideensysteme zu erdenken, die den Menschen versklaven. So
liegt es im Bereich des menschlich Machbaren, zum Mond zu fliegen, Organe zu
verpflanzen und Gene zu manipulieren.
Der nicht an Gott gebundene Mensch hält sich für autonom und
kennt keine Einschränkungen in seinem Handeln. Sein Tun wird ihm selbst zum
Gericht. Der an Gott glaubende Mensch wird nach biblischen Maßstäben suchen
und nicht alles tun, was machbar ist. In dem Auftrag „mehret euch" (1.
Mose 1, 28) beteiligt Gott uns Menschen an einem Schöpfungsprozess. In der
geschlechtlichen Zuordnung von Mann und Frau hat Gott alle Voraussetzungen zu
diesem Schöpfungsvorgang gegeben, dennoch bleibt Gott auch dabei der Bildner:
„Deine Augen sahen mich, da ich noch un-bereitet war" (Psalm 139, 16). Bei
der Genmanipulation können wir in den von Gott vorgegebenen Prozess verändernd
eingreifen: Die in eine befruchtete Eizelle übertragenen Gene können an
nachfolgende Generationen weitergegeben werden. Dieser Eingriff ist nicht mehr
rückgängig zu machen und birgt unüberschaubare Gefahren in sich. Ch. Flämig sieht
in utopischer Vision das Endziel der Genetik in der Schaffung eines
Übermenschen: „Die besten Geister der Menschheit werden... genetische Methoden
entwickeln, die neue Eigenschaften, Organe und Biosysteme erfinden, die den
Interessen, dem Glück und der Herrlichkeit jener gottgleichen Wesen dienen,
deren dürftige Vorahnung wir elenden Kreaturen von heute sind" („Die genetische
Manipulation des Menschen". Aus Politik und Zeitgeschichte B3/1985, S.
3-17). Bei solcher Zielsetzung wird der Mensch zum Gott verachtenden
Prometheus:
„Hier sitz' ich, forme Menschen
Nach meinem Bilde,
Ein Geschlecht, das mir gleich sei,
Zu leiden, zu weinen
Zu genießen und zu freuen sich,
Und dein nicht zu achten
Wie ich!"
(Johann Wolfgang v. Goethe)