Langsam gehe ich durch den
hellen Korridor des großen Krankenhauses, in dem ich die Seelsorge habe.
Als ich am Operationssaal
vorbeikomme, öffnet sich die Tür. Ich sehe Schwestern und Ärzte, die sich über eine
weißverhüllte Gestalt beugen.
Eben kommt der Professor
heraus. Sein Gesicht ist wie verfallen. Selten habe ich einen Menschen so
erschöpft gesehen. Mit einem flüchtigen Gruß geht er vorbei.
Hinter ihm geht eine Schwester.
Sie erkennt mich und grüßt: „Eine schwere Operation gehabt?“, frage ich.
Sie nickt.
„Ist sie gelungen?“
Sie zuckt die Achseln: „Das
schwerste scheint überwunden. Es ist ein Vater von fünf Kindern. Hoffentlich
ringen wir ihn dem Tode ab.“
Das Wort klingt in mir noch
nach, während ich weitergehe. Tod! Tod!
Ich ringe ja mit einem viel
schrecklicheren Tode als der Professor. Gewiss, es ist schrecklich, wenn der Leib
stirbt. Aber viel furchtbarer ist es, wenn die Seele erstorben ist, wenn sie
nicht mehr auf Gottes Ruf reagiert, wenn sie keine Unruhe des Gewissens mehr
spürt, wenn sie unfähig geworden ist zum Beten.
Da stehe ich vor einer weißen
Tür.
Dahinter in dem großen Saal liegt
so einer, um den ich ringe. Als ich zum ersten Mal an sein Bett trat, fing der
alte Kerl an zu lachen. Und dann schimpfte er, man möge ihn doch mit dem „Quatsch“
in Ruhe lassen.
Ich ließ ihn ausreden. Dann
aber sagte ich ihm das Wort: „Jesus Christus ist in die Welt gekommen, die
Sünder zu erretten.“
Da lachte er wieder
schallend und rief mir nach: „Sagen Sie Ihrem Jesus, er solle mir ein paar
Zigaretten bringen!“
So ging es durch ein paar
Wochen. Ich ließ ihn nicht los. Immer wieder stand ich vor diesem Bett. Immer
wieder bekam ich dieselben blöden Reden zu hören. Und immer wieder sagte ich
ihm ein Wort von Jesus, das er lachend von der Bettdecke wischte.
Aber vor ein paar Tagen war
es auf einmal ganz anders. Da grüßte er freundlich. Ich zog mir einen Stuhl
heran. Er sagte kein Wort. Langsam zog ich mein Testament heraus und las aus
dem Buch:
„Kommet her zu Mir alle, die
ihr mühselig und beladen seid …“
Weiter wagte ich noch nichts
zu sagen. Er nickte schweigend – ich ging still weg, sah ihn aber lange an.
Nun stand ich wieder vor der
Tür: „Hoffentlich ringen wir ihn dem Tod ab“, sagte ich leise und trat ein.
Das Bett war leer. „Gestern
gestorben“, sagten die andern Patienten.