Apostelgeschichte 28, 3-6: „Da aber
Paulus einen Haufen Reiser zusammenraffte und legte sie aufs Feuer, kam eine Otter
von der Hitze hervor und fuhr Paulus an seine Hand. Da … sprachen die Leute:
Dieser Mensch muss ein Mörder sein, welchen die Rache nicht leben lässt … Er aber
schlenkerte das Tier ins Feuer, und ihm widerfuhr nichts Übles … Da sprachen
sie, er wäre ein Gott.“
In
unserem Jugendkreis kam ein junger Mann zum Glauben an Jesus und übergab diesem
Herrn sein Leben.
Einige
Zeit später fand zwischen ihm und seiner Mutter folgendes Gespräch statt. Die
Mutter sagte: „Was ist mit dir los? Du bist so anders. Ich verstehe dich nicht
mehr.“ Darauf antwortete der junge Mann: „Ich verstehe mich selbst nicht mehr.
Es ist etwas ganz Neues in mein Leben gekommen, über das ich nicht Herr bin.“
Man
kann es kaum besser ausdrücken, wie es um das Leben der Jesus-Jünger bestellt
ist: Es ist etwas Neues in ihr Leben gekommen, das sie aus dem großen Haufen
der Masse herausgenommen hat. Sie haben ein Wesen bekommen, das der Welt
befremdlich erscheint. Davon handelt unser Text.
1) Eine verborgene Hand bestimmt ihr Leben
Jetzt
muss ich zuerst einmal die Geschichte erzählen, die uns beschäftigen soll. Vor
der Insel Malta war ein Schiff gestrandet. Mannschaft und Passagiere konnten sich
retten. Es waren merkwürdige Passagiere: römische Soldaten, die einen
Gefangenentransport nach Rom brachten. Unter den Gefangenen war der Apostel
Paulus. Die Bevölkerung von Malta nahm sich freundlich der Schiffbrüchigen an.
Vor allem wurde ein großes Feuer angezündet, weil die Ärmsten vor Kälte und Nässe
zitterten. Und dabei geschah es: Paulus rafft einen Haufen Reiser zusammen und
wirft ihn in das Feuer. Da fährt eine gefährliche Viper heraus und beißt ihn in
die Hand. Erschrocken stehen die Heiden. Bedeutsam nicken sie sich zu: „Die
Sache ist klar. Dieser Mann ist ein Mörder, den die Rachegöttinnen verfolgen.
Dem Meer ist er entronnen. Aber sie geben die Verfolgung nicht auf. Jetzt hat
ihn die Rache eingeholt.“ Gespannt lauern sie darauf, dass dieser Paulus tot niederfällt.
Sie kennen den tödlichen Biss der Schlange. Aber es geschieht gar nichts.
Paulus redet freundlich mit ihnen weiter, als sei nichts geschehen. Nun
erschrecken diese Heiden erst recht: „Dieser Man muss ein Gott sein, den kein
Tod töten kann.“
So
steht auf einmal der Jesus-Jünger im Mittelpunkt des Interesses.
Nun
müsste ich einfach davon sprechen, wie der Herr sichtbar seine Leute bewahren
kann. Davon könnte man viel rühmen und reden. „ Wir haben einen Herrn, der vom
Tode errettet“, sagt David. Ja, ich möchte am liebsten alle anwesenden Jesus-Jünger
bitten: „Lasst uns aufstehen und den Retter aus Todesnöten preisen und singen: … ,In wie viel Not / hat nicht der gnädige Gott / über dir
Flügel gebreitet'.“
Doch
dann könnte es geschehen, dass von den Nachdenklichen einer aufsteht und sagt: „Aber
einige Jahre später wurde Paulus grausam hingerichtet. Wo war da sein Herr?“ Er
hat mich in Bombennächten bewahrt. Aber der letzte BK’ler
des Jugendhauses, der ihm treu diente, wurde von Bomben erschlagen.
Betrachten
wir die Dinge nur nicht so primitiv, als sei Christenstand eine Art von
Lebensversicherung. Vergegenwärtigen wir uns noch einmal die Geschichte des
Paulus. Staunend sehen die Leute ihn an. Sie verstehen nicht, was da geschieht.
Sie ahnen nur: Im Leben dieses Mannes ist heimlich eine verborgene Macht am
Werk. Das ist es! Das ist das geheimnisvolle Wesen der Jesus-Jünger: Sie leben
beständig in der unmittelbaren Gegenwart Jesu. Ganz real ist es so: „Ich bin
bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ Immer spüren sie seine Hand in ihrem
Leben: tröstend, rettend, aufrichtend. Sie führt – sogar in den Tod. Aber – sie
lässt nicht von dem Jesus-Jünger. Der Heidelberger Katechismus drückt das so
aus: „… dass ich im Leben und im Sterben nicht mein, sondern meines getreuen Heilandes
Jesu Christi eigen bin, der mit seinem teuren Blut für alle meine Sünden vollkömmlich bezahlt hat … und mich also bewahrt, dass ohne
den Willen meines Vaters im Himmel kein Haar von meinem Haupt kann fallen, ja
mir auch alles zu meiner Seligkeit dienen muss.“
2) Sie sind armselig – und doch herrlich
Wir
stellen uns die bedeutenden Leute gern in eindrucksvoller Pose vor. Seht nur,
wie großartig Goethe oder der Kaiser Wilhelm auf Denkmälern aussehen!
Der
große Paulus aber steht hier sehr kümmerlich vor uns. Wie alle anderen friert
und bibbert er vor Kälte. Jämmerlich ist sein Leben bedroht durch das Meer,
durch die Schlange und durch das Richtschwert des Kaisers, das in Rom ihn
erwartet. Im Grunde ist er ein Häuflein Elend, ein Schiffbrüchiger und armer Gefangener.
Und
doch sagen die Heiden am Ende der Geschichte: „Er ist ein Gott.“
Hier
werden wir auf etwas sehr Wichtiges hingewiesen. Jesus-Jünger sind gewiss
armselige Leute. Selten findet sich ein Minister oder ein Professor unter
ihnen. Dafür umso mehr alte Omas, Lehrlinge, sorgenbeladene
Leute – Leute mit Krankheiten, Kopfschmerzen, schmalen Geldbeuteln. Wenn das alles
wäre! Es sind Leute, die gut wissen, wie sehr sie ihrem Herrn oft Schande
machen, wie böse ihr Herz ist. Wir besprachen in unsrer Bibelstunde den Jona:
ein beständiger Versager Gott gegenüber – und doch: ein ganz großer
Erweckungsprediger! Ja, so ist es mit Jesus-Jüngern: Bei all ihrer Armseligkeit
wohnt doch Jesus selbst in ihren Herzen. Sie sind – trotz allem – ein
herrlicher Tempel Gottes. Immer wieder leuchtet die Klarheit des Herrn in ihrem
Leben auf.
Ja,
so seltsam ist das Wesen der Jesus-Jünger: Sie sind tief gebeugt, weil sie um
ihre Armseligkeit wissen. Und sie heben stolz ihr Haupt empor, weil sie Kinder
des großen, gewaltigen Gottes sind.
Seltsame
Paradoxie! Der Liederdichter Woltersdorf hat dies wunderliche Wesen in einem
Lied von der „Gemeinde Jesu“ geschildert. Da heißt es: „Wer ist der Braut des
Lammes gleich? / Wer ist so arm und wer so reich? / Wer ist so hässlich und so
schön? / Wem kann's so wohl und übel gehn? / Lamm
Gottes, du und deine sel'ge Schar / sind Menschen und
auch Engeln wunderbar … So elend, als man's kaum erblickt, / so herrlich, dass
der Feind erschrickt, / so gottlos, dass wohl alle besser sind, / und so
gerecht wie du, des Vaters Kind … Ein Narr vor aller klugen Welt, / bei dem die
Weisheit Lager hält. / Verdrängt, verjagt, besiegt und ausgefegt / und doch ein
Held, der ew'ge Palmen trägt.“
3) Immun gegen das Todesgift
Nun
hat diese Geschichte einen merkwürdigen Symbolcharakter. Durch den erhält sie
einen wundervollen Trost für Sünder. Nicht für Leute, die
leichtfertig Gottes Gebote übertreten. Denen kann ich nur mit ganzem
Ernst sagen: „Irret euch nicht, Gott lässt sich nicht spotten.“ Man kann ewig
verloren gehen! Gott ist ein gerechter Richter!
Nein!
Ich rede nicht von leichtfertigen Sündern, sondern von Jesus-Jüngern, die mit
sich nicht fertig werden. Vor kurzem saß ein junger Mann vor mir, tief
bekümmert. Er sagte: „Ich glaube an Jesus und will ihm gehören. Aber – die
Sünde ist so mächtig in mir. Ich fürchte, ich bin verworfen.“
Solchen
Leuten will diese Geschichte etwas sagen. Paulus wird von der giftigen Schlange
gebissen und – lebt doch! Nun ist die Schlange in der Bibel das Symbol für
Sünde und Satan. Ja, diese Schlange tötet mit ihrem Biss Millionen Menschen und
bringt sie in Tod und Verderben.
Der
Jesus-Jünger Paulus aber wird gebissen und lebt doch! Versteht ihr, was das
sagen will? Solange ich auf dieser Erde lebe, wird die Schlange der Sünde mich
verletzen. Aber wenn ich Jesus angehöre, kann sie mich nicht töten. Im habe
einen Heiland, dessen Blut mich rein macht von aller Sünde. Ich darf ihm meinen
Schlangenbiss zeigen, und er heilt ihn. Das Blut Jesu ist das Heilserum gegen
den Schlangenbiss der Sünde.
Und
wenn wir tausendmal an uns selbst verzweifeln müssen – haltet es fest: Einen
Jesus-Jünger kann die Schlange beißen, aber nicht mehr töten. Da gilt in
Ewigkeit: „Wer den Sohn Gottes hat, der hat das Leben.“