Kein Tag in
meinem Leben ist langweilig gewesen. Und dabei hat mein Leben doch schon recht
lange gedauert. Ich stamme noch aus dem vorigen Jahrhundert. Geboren 1897.
Mein Vater war Pfarrer in Wuppertal-Elberfeld. In der
Schule lernte ich Elberfelder Platt sprechen. Mit der Mutter, die aus
Württemberg stammte, sprachen wir schwäbisch. Und mit dem Vater hochdeutsch.
Und als wir dann nach Frankfurt (Main) zogen, kam der Frankfurter Dialekt
dazu. Acht Geschwister waren wir.
Ich besuchte
das humanistische Lessing-Gymnasium. Heute hält man nicht viel von der
humanistischen Bildung: Man lerne dort so viel, was man später nicht brauche.
Gewiss, ich lernte Latein, Griechisch und Hebräisch. Das bisschen Französisch
fällt nicht ins Gewicht. Und doch bin ich dankbar, dass mir eine Bildung
vermittelt wurde, die nicht nur fragt, wozu das später „nützen" soll.
1915! Der
Weltkrieg tobte! Ich wurde Soldat und an der Front Leutnant. Schreckliche
Ereignisse vor Verdun und Somme. Und in mir sah es
noch schrecklicher aus. Fern von Gott lebten meine Kameraden und ich unter der
düsteren Herrschaft der drei Götzen Bacchus, Venus und Tod. Das Christentum
des Elternhauses war weggeschwemmt von der gottlosen Umgebung.
Dann aber kam
der lebendige Gott! An der Leiche eines Freundes redete Er schrecklich mit mir.
Nun wusste ich: Es gibt eine Hölle — und ich bin auf dem Wege dorthin. Bis ich
eine Bibel in die Hand bekam. Und da las ich: „Jesus Christus ist gekommen in
die Welt, die Sünder zu erretten." „Da will ich dabei sein!" dachte
ich. Und nun bin ich „dabei".
Darum wurde
ich Theologe. Ich studierte in Tübingen. Herrlich die romantische Stube in dem
alten Schloss über der Stadt! In den Vorlesungen zog mich der geistvolle
Professor Schlatter in seinen Bann. Und dann kam Karl Heim nach Tübingen. Bei
ihm vergaßen wir, dass wir hungrig waren und dass kein Abendessen auf uns
wartete. Die Inflation begann — — —
Zweieinhalb
Jahre im gesegneten Ravensberger Land, in Bielefeld.
Ich heiratete ein Mädchen, das ich heute noch liebe. Wir wünschten uns acht
Jungen, die alle Posaune blasen sollten. Das dachten wir uns sehr hübsch. Gott
schenkte uns zwei Söhne. Beide sind tot. Aber drei der vier Töchter brachten
Schwiegersöhne, die mir lieb sind wie Söhne. Und als Jugendpfarrer von Essen
hatte ich viele, viele Söhne.
Ja, ins
Ruhrgebiet führte mein Weg. Ehe ich Jugendpfarrer wurde, war ich sieben Jahre
in einem Bergarbeiterbezirk in Essen. Schreckliche soziale Verhältnisse! Um
mich glühender Hass — besonders gegen die Kirche. Das rechte Arbeitsfeld für
einen jungen Mann. 27 Jahre war ich, als ich begann. Ihr lieben Kumpels! Es
wurde eine herrliche Zeit!
Seit 1931 war
ich Jugendpfarrer. 31 Jahre lang in der Stadt Essen. Jahrzehnte herrlichster
Erfahrungen mit der Jugend. 1962 legte ich die Jugendarbeit in jüngere Hände.
Zu vielen
Vortragsveranstaltungen bin ich unterwegs. Im In- und Ausland hört man mich an.
Warum? Weil ich eine ernst zu nehmende Botschaft habe. Jawohl, die habe ich.
Sie heißt: „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn
gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das
ewige Leben haben." Davon lebe ich. Und das verkündige ich. Im Kampf der
„Bekennenden Kirche" brachte es mich manchmal ins Gefängnis, dass ich
diese Botschaft gerade auch jungen Menschen sagte. Auch sonst gab es manche Not
und viel Kampf.
Nein! Langweilig
war es nie. Und alles zusammen ist es ein „Leben ohne Alltag".