Schrecklich!
Wie dieser Mann
lästerte, spottete und fluchte! Und seine Kameraden warfen die Spielkarten hin
und fluchten mit. Und mitten auf dem Tisch stand die Schnapsflasche. — Welche
Finsternis war in diesem Herzen! Mit kalten Augen stierte mich der Mann an:
„Nee, danke", sagte er, „für Gott haben wir keenen Bedarf. Der hätte da
sein sollen, als ich verunglückte. Jetzt kann ich mein Leben lang in diesem
verd . . . Fahrstuhl sitzen."
Ingrimmig hieb er
auf die Seitenstützen seines armseligen Fahrstuhls.
Ich kannte bereits
die Geschichte seines Unglücks. Er war Bergmann gewesen. Und als er eines
Tages „vor Ort" arbeitete, brach das „Hangende" herab. Man holte ihn
zwar lebendig aus den Steintrümmern heraus. Aber — sein Rückgrat war gebrochen.
Nun war er ein gelähmter Mann. Ein gelähmter Mann, mitten in der Blüte der
Jahre. Ohne jede Hoffnung auf Besserung.
O diese
Verzweiflung! O diese Verbitterung! O diese Nacht im Herzen! —
Wohl besuchten ihn
seine Kumpel, spielten Karten mit ihm, brachten Schnaps mit. Das war gut
gemeint. Aber davon werden ein verfinstertes Herz und ein verzweifeltes Leben
nicht hell.
Am Abend nach
meinem ersten Besuch saß ich in meinem „Männerkreis". Wir forschten zusammen
in der Bibel. Wir sprachen von den täglichen Nöten und Kämpfen. Es waren ja
lauter Bergleute hier zusammen, die es nicht leicht hatten im „Kampf ums
Dasein", auch nicht leicht, in ihrer Umgebung Jesus zu dienen.
Denen erzählte ich
von jenem unglücklichen Mann. „Oho", sagten sie, „dem Mann muß geholfen
werden!"
Und in der Woche
darauf, als ich wieder unseren „Männerabend" beginnen wollte, ging
polternd die Tür auf und — der Fahrstuhl wurde hereingeschoben. Der Mann darin
knurrte und brummte wohl ein wenig. Er maulte: „Die haben mich einfach
mitgenommen, und ich kann mich doch nicht wehren." Aber man merkte schon,
im Grunde war er dankbar, daß sie ihn aus seinem „Bau" herausgeholt
hatten. Ja, er spürte wohl ein wenig die Liebe, trotz der rauhen Behandlung.
Wir sangen wieder
unsere schönen Jesuslieder. „Es ist ein Born, draus heil'ges Blut für arme
Sünder quillt ..." — „Ich bete an die Macht der Liebe ..."
Wir betrachteten
miteinander Gottes Wort. Wir sprachen von unseren Nöten und brachten alles im Gebet
vor Gott.
Diese Stunde muß
dem Manne wohlgetan haben. Denn als meine Freunde ihn in der nächsten Woche
abholen wollten, da hatte er sie schon erwartet.
Von da an gehörten
der Fahrstuhl und sein Insasse zu allen unseren Stunden. Gottes Wort tat seine
herrliche Wirkung an diesem verfinsterten Herzen. Der Mann erkannte, daß sein
größtes Unheil sein verlorener Sündenzustand war. Er fing an,
den Frieden mit
Gott zu suchen, fand Jesus am Kreuz und erfuhr die Wohltat der Sündenvergebung
durch Jesu Blut.
Nun wurde alles
neu. Sein unordentliches Hauswesen kam in Ordnung. Zwar blieben alte Freunde
ärgerlich weg, aber dafür kamen andere. Wo früher nur Schimpfen und Fluchen zu
hören war, da klangen nun Jesuslieder. Die Schnapsflasche verschwand. Dafür lag
die Bibel auf dem Tisch. Frau und Kinder lebten auf. Kurz: Jesus machte alles
neu.
Eines Tages
besuchte ich ihn. Sein Fahrstuhl stand vor dem Haus am Straßenrand, wo die
Sonne so ein wenig zwischen den grauen Häusern hindurchkam. Ich setzte mich
neben ihn auf die Haustreppe.
„Herr Pastor",
sagte er, „wenn ich einmal in der Ewigkeit vor dem Thron Gottes stehe, dann
will ich ihm danken, daß —
er mir — — das
Rückgrat — zerbrochen hat."
Ich erschrak: „Das
ist aber ein großes Wort." „Ja sehen Sie, wenn mich Gott so hätte laufen
lassen, dann wäre ich schnurstracks zur Hölle gelaufen. Ich wollte auf ihn
nicht hören. Da mußte er in seiner rettenden Liebe fest zupacken, um mich zur
Bekehrung zu bringen. Und darum will ich ihm einmal danken dafür."
Ich war tief
bewegt. Er aber fuhr fort: „Sie wissen ja gar nicht, wie fröhlich mein Herz
ist. Seitdem ich weiß, daß ich Jesus gehöre, sieht mich die ganze Welt anders
an. Alles ist so fröhlich. Ja, Herr Pastor", er zeigte auf die graue
Straße, „sogar die Pflastersteine lachen mich an."