Wilhelm Busch - Kleine Erzählungen

 

Der Name JESUS

 

Vor einigen Jahren ist ein seltsames Buch erschienen. Es hatte den Titel: „Briefe aus der Hölle". Darin hat sich einer aus­gemalt, wie die Hölle wohl aussehen könnte.

Eine Szene hat mir beim Lesen tiefen Eindruck gemacht und ist mir unvergeßlich geblieben:

Der Wanderer geht über eine endlose, graue Steppe. Überall sieht er Menschen sitzen. Sie haben gequälte Gesichter, sie rau­fen sich die Haare, sie sitzen und stützen den Kopf schwer in die Hand, sie scheinen ratlos zu sein. Es ist so, als ob sie mit schärfster Konzentration über irgend etwas nachdenken. Die Leute können einem leid tun.

„Worüber denkt ihr nach?" fragt der Wanderer sie.

„Über einen Namen."

„Über einen Namen — über welchen Namen denn?"

„Ja, das wissen wir eben nicht. Das ist ja gerade unser Unglück."

„Wie, das wißt ihr nicht? Ihr denkt über einen Namen nach, den ihr nicht kennt? Das verstehe ich aber wirklich nicht."

„Ja", sagen die Verdammten, „wir wissen nur so dunkel, daß es einen Namen gibt, einen starken und herrlichen Namen. Wenn wir diesen anrufen könnten, dann könnten wir sogar hier aus der Hölle gerettet werden. Bei Lebzeiten haben wir einmal diesen Namen gehört. Aber wir haben nicht darauf ge­achtet. Und nun — können wir ihn eben nicht mehr finden. Kannst du uns nicht den Namen sagen?"

Dann hängen sich die Verdammten an den Wanderer, flehen

und bitten, betteln und winseln, ob er ihnen nicht den Namen nennen könnte.

Das Erschütterndste aber kommt dann erst:

Der Wanderer nennt ihnen nun den Namen, den einen, gro­ßen, herrlichen Namen, den Namen Jesus. Aber so deutlich er auch den Namen ihnen sagen mag, es ist, als könnten sie ihn nicht verstehen. Schließlich ruft er ihn so laut, daß es wie das Heulen eines Orkans ist, er schreit ihn in alle Winde, er meint, es müßte in den Ohren ihnen dröhnen — aber es ist, als sei ihr Ohr verstopft. Sie können den Namen nicht hören. Sie haben kein Organ mehr, ihn zu vernehmen. Da wendet er sich trau­rig von ihnen. Wie schrecklich ist das: Der Name ist da, aber sie können ihn nicht mehr finden. Und ob man den Namen ihnen auch sagt, sie können ihn nicht mehr fassen. —

Dir aber, mein Leser, will ich es darum um so deutlicher zurufen:

„Wer den Namen des Herrn Jesus anrufen wird, der soll gerettet werden“ (Apg. 2, 21). Höre es doch beizeiten! Sammle in der Zeit, dann hast du in der Not! Wisse, je älter — je käl­ter. Erst will man nicht, dann kann man nicht. Darum glaube es doch:

„Es ist in keinem ändern Heil, ist auch kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, darin sie sollen selig werden — — als nur der Name Jesus!" (Apg. 4, 12).

Das wird die schrecklichste Hölle sein, daß man den Namen nicht mehr wissen darf, durch den wir Rettung und Seligkeit erlangen. Gott helfe uns, daß wir diesen Namen ernst nehmen, lieb gewinnen und anrufen, solange es noch Zeit ist.