Gefangen
und doch frei
Apostelgeschichte
24, 15-27
Winrich
Scheffbuch
Abschrift
der Predigt vom 18.04.1993, gehalten in der Ludwig-Hofacker-Gemeinde in
Stuttgart.
Ich weiche
immer gerne von der so genannten Perikope ab, das ist dieser Predigtext, der
auch im Losungsbüchlein steht. Warum? Nicht weil ich ein unordentlicher Mensch
bin, das bin ich auch, sondern weil manche ein erstaunlich gutes Gedächtnis
haben. Und über den Predigttext Joh. 21 Da ist auch so viel, ich hab glaub ich
mehrfach schon drüber gepredigt hier bei Ihnen und Kassetten laufen um und dann
such ich immer wieder Abschnitte in der Bibel, über die noch nie gepredigt
wurde. Und die auch in dieser Perikopenordnung nicht vorkommen und da wollte
ich heute mit Ihnen einen Abschnitt lesen und am nächsten Sonntag dann ein
darauf folgendes Kapitel, das zeigt, wie das ins Leben übersetzt wird. Jesus
ist auferstanden. Und wie lebt man das neue Leben nun und wir lesen aus der
Apostelgeschichte Kap. 24 Apostelgeschichte 24 von der Haft. Vom Gefängnis, in
dem Paulus der große Apostel ist. In Cäsarea. Vor seiner letzten Reise nach Rom
war ja Paulus in Jerusalem verhaftet worden, es gab da einen Aufruhr auf dem
Tempelplatz und die römische Bereitschaftstruppe hat ihn dann schnell auf die
Burg Antonia geholt, als sie ihn lynchen wollten drunten in der Menge. Und der
Oberst hatte nun Sorge wie das in Jerusalem geht, während des Festes und hat
dann Paulus mit einer ganz starken Militärbesatzung, 470 Soldaten, das war eine
Truppe, hat er diesen einen Häftling hinunter bringen lassen über Antipatrisis.
Alles hier im Kapitel 24 beschrieben dann oder 23 am Schluss und 24 hinunter
bringen lassen nach Cäsarea, wo der Landpfleger war. Dort beginnt nun nach
einiger Zeit die Anklage gegen Paulus. Der Hohe Rat hat sich eines
Rechtanwaltes namens Tertullus bedient. Wenn sie mal ein Musterbeispiel
brauchen einer schleimerischen Rede, lesen Sie die. Also das würde mir Spaß
machen nur über die heute zu predigen, aber das ist ein Unterthema. Wie einer
sich so anbiedern kann, das ist nicht Christenart. Paulus redet dann ganz
anders. Er versucht sich nicht lieb Kind zu machen bei dem Gouverneur. Als der
Tertullus auch dem Paulus noch falsche Anklagepunkte unterschiebt, er sei ein
politischer Aufrührer und er sei ein Sektenhäuptling. Da wehrt sich Paulus nur
ganz kurz. Ich lese jetzt von Vers 15 ab. Apostelgeschichte 24 von Vers 15 ab.
15 Ich habe die Hoffnung
zu Gott, die auch sie selbst haben, nämlich dass es eine Auferstehung der
Gerechten wie der Ungerechten geben wird. 16 Darin übe ich mich,
allezeit ein unverletztes Gewissen zu haben vor Gott und den Menschen. 17 Nach mehreren Jahren
aber bin ich gekommen, um Almosen für mein Volk zu überbringen und zu opfern. 18 Als ich mich im
Tempel reinigte, ohne Auflauf und Getümmel, fanden mich dabei 19 einige Juden aus der
Provinz Asien. Die sollten jetzt hier sein vor dir und mich verklagen, wenn sie
etwas gegen mich hätten. 20 Oder lass diese hier
selbst sagen, was für ein Unrecht sie gefunden haben, als ich vor dem Hohen Rat
stand; 21 es sei denn dies
"eine" Wort, das ich rief, als ich unter ihnen stand: Um der
Auferstehung der Toten willen werde ich von euch heute angeklagt.
Die Verschleppung des Prozesses
22 Felix aber zog die
Sache hin, denn er wusste recht gut um diese Lehre und sprach: Wenn der Oberst
Lysias herabkommt, so will ich eure Sache entscheiden. 23 Er befahl aber dem
Hauptmann, Paulus gefangen zu halten, doch in leichtem Gewahrsam, und niemandem
von den Seinen zu wehren, ihm zu dienen. 24 Nach einigen Tagen
aber kam Felix mit seiner Frau Drusilla, die eine Jüdin war, und ließ Paulus
kommen und hörte ihn über den Glauben an Christus Jesus. 25 Als aber Paulus von
Gerechtigkeit und Enthaltsamkeit und von dem zukünftigen Gericht redete,
erschrak Felix und antwortete: Für diesmal geh! Zu gelegener Zeit will ich dich
wieder rufen lassen. 26 Er hoffte aber
nebenbei, dass ihm von Paulus Geld gegeben werde; darum ließ er ihn auch oft
kommen und besprach sich mit ihm. 27 Als aber zwei Jahre
um waren, kam Porzius Festus als Nachfolger des Felix. Felix aber wollte den
Juden eine Gunst erweisen und ließ Paulus gefangen zurück.
Wir haben
doch so wunderbar Ostern gefeiert und haben uns gefreut, dass Jesus alle Macht
hat. Im Himmel und auf Erden. Dass Gott ihm alles unter die Füße getan hat.
Alle Reiche, Gewalten und Mächte dieser Welt. Der Stein rollt vom Grab. Die
mutigen römischen Legionäre fallen auf den Boden und haben Todesangst. Der Hohe
Rat ist sprachlos. Der Pilatus weiß nicht mehr was er tun soll. So hat Jesus
wirklich am Ostertag triumphiert. Und jetzt? Jetzt triumphiert die Welt. Jetzt
triumphiert die Welt. Jetzt habe sie den tüchtigsten Boten Gottes, seinen
Missionar gebunden. Und da lachen sie alle. Man hört direkt das Hohngelächter
der Hölle: “Was wollt denn ihr mit eurem Jesus?” Ob das die Schleimerei ist des
Rechtsanwaltes Tertullus, ob das die Lüge und Verlogenheit der Anklage ist.
Spüren Sie nicht, wie die Todesmächte sagen: “Wir haben doch alles in dieser
Welt in der Hand.” Der Fürst der Welt, der noch einmal sich aufspielt und sagt:
“Ich kann in dieser Welt bestimmen.” Vor ein paar Tagen habe ich einen alten
Mann getroffen. Sehr schwer von der Krankheit gezeichnet, ging er an den
Krücken. Er was Leiter eines großen Bildungsinstituts. Und dann hab ich gesagt:
“Wie geht’s Ihnen?” Sagt er: “Ich will nicht mehr leben.” Sag ich: “Was ist es
so schlimm mit Ihrer Krankheit?” Sagt er: “Ach, die Krankheit, die ist nicht
schlimm. Ich verzweifle an dieser Welt und dann hat er mir aufgezählt, wie ihm
das Not macht, die Kriege, die Verlogenheit. Er sagt: “Ich hab gehofft, es
werde mal neu in dieser Welt, es werde mal anders. Und es gebe endlich Recht
und Gerechtigkeit und das Gute werde siegen.” Hat Sie das noch nie bekümmert?
Was ist denn mit der Welt los? Warum darf denn der Teufel noch so wüten? In
Amerika wurde das Umfrageergebnis der Meinungsforschungsgruppe “Galup”
veröffentlicht. Und da wurde fest gestellt, mit genauen Zahlen, dass
Gegenwärtig in Amerika Religion boomt. Ganz große Welle Religion. Aber
gleichzeitig die Moral in der Bevölkerung immer tiefer sinkt. Und der frühere
Präsidentenberater Colsen hat hinzu gefügt: “In den öffentlichen Stellen und
der Öffentlichkeit, griff man, ist fast völlig verkümmert, der biblische
Glaube. Fast völlig verkümmert. Sehen Sie in den Medien, in der Kunst in der
Wissenschaft, in der Wirtschaft. In der Politik. Da bin ich froh, dass wir
heute den Paulus angucken können. Da steht der Paulus vor uns, ein Gefangener.
Er sieht wie ein Opfer aus. Aber gucken Sie ihn genauer an, wie er da steht.
Als ein Zeuge der Auferstehung Jesu und er tritt dieser ganzen, ja wie soll ich
sagen, dieser unheimlichen Welt gegenüber, dieser Lügenwelt. Dieser
scheinheiligen Welt des Hohen Rates, dieser politischen Welt, diese Landpfleger
Felix hat kurz darauf 20.000 Juden an einem Tag in Cäsarea abschlachten lassen.
Dieser brutalen Welt tritt er gegenüber, als ein freier Mensch trotz seiner
Ketten. Weil er sich von Jesus gerufen weiß und sagt: “Ich folge nur meinem
Herrn Jesus.” Und er ist ein freier Herr, ein freier Herr, auch wenn er an den
Händen gebunden ist. Und ich sorge mich heute nicht so, was immer in jedem
Gemeindeblättchen drin steht. Ob die Zahlen der Kirchenmitglieder sinken und
die Kirchensteuereinnahmen und was so die Sorgen sind. Ich sorge mich, ob es
bei uns noch Glaubensmut gibt. Mut, dass Leute sagen: “Ich lebe mein Leben im
Gehorsam Jesu Christi.” Und ich will mich an diese Welt gar nicht anbiedern, an
diese schleimige Welt, an diese verlogene Welt. Haben Sie da auch wirklich
einen Trennungsstrich gezogen? Das ist manchmal so widerlich, wenn in unseren
Tagen so viel modisches Christentum sichtbar wird. Wo unter der Decke überall
letztlich das gleiche Verhalten da ist wie in der Welt. Jesus Jünger leben ganz
anders. Und sie sagen: “Ich lebe mit dem auferstandenen Jesus und gehöre ihm
und folge seinem Wort.” Und ich sehe den Paulus, wie er da sagt: “Lass sie doch
wüten, macht doch nichts. Ich stehe und falle mit meinem Herrn. Und was auch in
meinem Leben geschieht, das ist doch nicht wichtig. Sein Ich war abgestorben mit Jesus, das hat er gekreuzigt.
Ich leb doch nicht für mich. Ich leb doch für Christus.” Und dann gibt er sein
Leben hin und verströmt es. Und will nur Christus dienen und er weiß: “Mein
Herr Jesus lenkt die Geschichte. Er hat alles in seiner Hand. Das stimmt, das
ist wahr, das er der Ostersieger ist. Auch wenn der Gouverneur sich noch so
gebärdet. Schlimm ist jetzt bloß, wenn Sie meinen Sie müssen jetzt auch ein
bisschen Notlüge machen, oder Sie müssen sich ein bisschen tricksen. Da kommen
Sie unter die Räder.
Mein erster
Punkt ist darum: Allein gegen alle. Allein gegen alle, das war der Paulus da
gestanden. Ich muss Ihnen noch ein bisschen erzählen von der Stadt Cäsarea, wer
von Ihnen schon dort auf der Israelreise war, der erinnert sich ja an diese
gewaltige Stadt. Das war schon von Herodes, als er die Stadt bauen ließ ein
Meisterwerk. Dass er an dieser Küste einen Hafen errichten ließ. Da ist gar
kein Hafen. Und dann hat er unheimlich viel Steine versenkt und der Josephus,
Flavius hat das beschrieben und er sagt: “Der Hafen, der damals von Herodes dem
Großes gebaut wurde, ist toller und größer gewesen als der Hafen von Piräus.
Vielleicht erinnern Sie sich noch an den Fuß, den man heute sieht einer Statue.
Das ist so ein riesen Fuß in Cäsarea. Das ist der letzte Teil von zwei riesen
Statuen, die am Hafeneingang standen. Übrigens: Flotten von Schiffen haben den
Marmor hergefahren. Den gibt’s im ganzen vorderen Orient nicht. Und nicht bloß
die Paläste, sondern auch die Häuser der Bediensteten und der Hofbeamten waren
alle luxuriös gebaut. Und in diese Stadt wird Paulus gebracht mit diesen 200
Schützen, 200 Soldaten, 70 Reiter. Bewacht von der ganzen Staatsmacht als
ein besonders gefährlicher und bedrohter
Gefangener und Paulus steht drin und ihm imponiert das alles nicht, er nimmt
die ganze Welt nicht ernst. Er sieht diesen Luxus von Cäsarea. Noch heute sitzt
man ja in dem Amphitheater, man sieht die riesige Pferderennbahn von Cäsarea.
Und der Paulus steht drin und von was redet er? Gar nicht von der Welt heute.
Er spricht von der Hoffnung die er hat, von der Hoffnung. Wenn dieses alles
vorbei ist. Das hätten Sie gar nicht gedacht, dass das so ein Wort mit
Sprengkraft sein kann. Die bauten ja damals für die Ewigkeit und bald waren
diese herrlichen Paläste nur noch Trümmer. Und dieser Felix und der ganze Hohe
Rat und der Tertullus, sie haben alle keine Hoffnung. Alle keine Hoffnung. Wir
sind Menschen, die eine Hoffnung haben. Merkt man das bei Ihnen im Krankenhaus?
Wie auch der Befund ist? Wir haben Hoffnung, begründete Hoffnung ewigen Lebens.
Wir sterben zuversichtlich. So hat es ein Vetter von mir im Feldlazarett
hingeschrieben. Auf den durchbluteten Zettel, den die Eltern noch aufbewahrt
haben, als er dann dort wenige Stunden später starb. Haben Sie Hoffnung? Haben
Sie Hoffnung für Ihr Leben, wie der Paulus. Ich habe Hoffnung. Und dann sagt
er: “Ich weiß von der Auferstehung der Gerechten und der Ungerechten.” Warum er
das erwähnt? Weil das für sein Verhalten ganz wichtige Bedeutung hat. Ich übe
mich zu haben allzeit ein unverletztes Gewissen. Wissen Sie, das Gewissen ist
ein Kaugummi. Das können Sie so und so drehen. Sie können Ihr Gewissen
besänftigen und betäuben. Sie können sagen, mein Gewissen, das sagt gar nichts.
Das ist immer dumm, wenn man da sagt: Jeder nach seinem Gewissen. Es gibt so
viel abgestorbenes Gewissen. Paulus trainiert sein Gewissen im Licht des
künftigen Gottes. Ich übe mich, dass mein Gewissen täglich vor dem ewigen Gott
bestehen kann. Da hat er uns eine Richtschnur gegeben, für uns, wie man leben
kann. Und auf einmal sehen wir den Paulus als einen Menschen, der gar nicht
mehr dem irdischen Gericht unterworfen ist. Er hat einen festen Standpunkt
Außerhalb unserer Welt. Er ist ein Mensch, der wirklich frei ist. Wirklich
frei. Ach, das hat man ja beim Paulus oft erlebt. “Ich vermag alles durch den
der mich mächtig macht, Christus.” So hat er mit dem Auferstandenen Jesus
gelebt. Ich hoffe, dass Sie das hin kriegen. Dass Sie sich über die Bedrängnis
und Not genau so hinweg setzen können und dann sagen: “Was können mir den
Menschen tun?”
Jetzt hab
ich einen zweiten Punkt: So hilflos sind die Mächtigen. Ich muss Ihnen noch
etwas zu Felix sagen, diesem Landpfleger. Felix war ein frei gelassener Sklave
und der Tacitus, der große römische Geschichtsschreiber hat über diesen Felix
gesagt: “Mit Wildheit und Gier übte er die Macht eines Königs. Mit dem Gemüt
eines Sklaven aus.” Überall bei den römischen Geschichtsschreibern ist das von
Felix erhalten, dass er ein skrupelloser Mensch war. Ein fieser Kerl, der über
Leichen ging, dem alles im Grund wurscht war, wenn er nur seinen
Herrschaftsthron befestigt hat. Ja da muss doch der Paulus aufpassen, wenn er
mit so einem Richter zu tun hat und wenn der seine Geschicke entscheidet.
Paulus ist ganz ruhig. Und er wimmert nie um sein Leben. Er hängt nicht von
Menschen ab, das müssen Sie wissen, wenn Sie Jesus gehören, können nicht mehr
Menschen über Sie verfügen. Ist Gott für uns, wer kann jetzt noch gegen uns
sein? Aber jetzt mache ich gleich weiter. Er hat eine Frau. Die Drusilla, und
ich muss einfach Geschichte noch ein bisschen mit Ihnen machen. Die Drusilla
war noch ein blassierter Teenager, grad 20 Jahre alt und schon die dritte Ehe.
Das ist doch toll. Muss eines der zuchtlosesten und frechsten und wildesten
Weiber der damaligen Zeit gewesen sein. Felix hat sie nur bekommen, in dem er
einen zyprischen Zauberer bemüht hat, der sie dem König von Elimas in Syrien
ausgespannt hat und dann lebt er mit dieser Frau zusammen und da steht ja auch
dran sie war eine Jüdin. Und sie wissen wie die Juden das genau nehmen. Das ist
ja gar nicht leicht mit einem Nichtjuden verheiratet zu sein. Für die Juden ist
das ganz ganz schwer. Und die hat ihre ganze Vergangenheit einfach vergessen.
Diese Drusilla. Ein Flittchen, nicht? Da lebt sie fröhlich und jetzt wie sie
hört, da gibt’s irgend so eine Religionssache, da sagt sie: “Och ich
interessiere mich dafür.” Da wacht das wieder auf, was sie als Kind einmal
gelernt hat. Wir kennen das ja auch bei den Kollegen oder im Freundeskreis, man
palavert mal ganz gern über Religion. Jeder schwatzt mal gern über
Kirchensteuer oder über den Papst oder übers Zölibat. Es gibt ja so Themen, wo
man nächtelang diskutieren kann. Das ist ja alles interessant. Und so will die
Drusilla auch mit dem Paulus ein Schwätzchen machen und laden ihn in den Salon
ein und sagen: Das gibt eine nette Abendunterhaltung. Und dann kommt der Paulus
rein. Und er sieht die beiden gar nicht anklagend, in großer Ruhe und ich
wünsche Ihnen, dass Sie auch heute ein solche Glaubenskraft haben der Welt ihr
Urteil zu sprechen. Er redete von der Gerechtigkeit, von der Keuschheit und von
dem zukünftigen Gericht. Und auf einmal rutscht der Gouverneur Felix auf seinem
Sessel und sagt: “Ich, ich kann grad nicht mehr sitzen, nicht?” Und sagt: “Wir
müssen das abbrechen, mir ist grad nicht so gut.” Bloß das Wort eines
Gefangenen. Sosonizin hat einmal gesagt, was sie entdeckt haben im Archipel
Gulag. Ein Wort der Wahrheit kann die ganze Welt aufwiegen. Mir macht das heute
nicht Sorge, dass die Kirche Mitglieder verliert, sondern mir macht das Sorge,
ob wir noch das Wort der Wahrheit bekennen. Das Bibelwort. Das Bekenntnis von
Jesus, die Welt aus den Angeln hebt. Wo Menschen zum Glauben finden. Und da
spricht er ganz schlicht von der Gerechtigkeit, ja versteht das überhaupt der
Felix? Er versteht es plötzlich doch. Das sind nämlich gar keine
Sprachprobleme. Keuschheit. Meinen Konfirmanden musste ich erst erklären was
keusch heißt, das wissen die nicht mehr, weil das nicht mehr in der Mode ist
heute in unserem Sprachgebrauch. Das ist ja interessant, wie sich der
Sprachgebrauch wechselt. Wir können ja auch sagen Selbstbeherrschung. Und ein
Felix weiß, dass es da bei ihm fehlt. Selbstbeherrschung. Die größte Gabe, die
uns Gott gegeben hat, ist dass wir Lust und Freude empfinden können, dass wir
Geschlechtlichkeit haben. Leben schaffen dürfen. Aber wenn die großen Gaben
Gottes unter dämonische Einflüsse geraten und das geschieht in der Sünde, dann
ist das wie ein Gaul, den man nicht mehr mit den Zügeln packen kann. Dann geht
der durch. Und dann reißt das einen Menschen in die Tiefe. Und der Paulus war
ja ein liebevoller Seelsorger, wie gern hätte er mit dem Felix drüber
gesprochen, dass Jesus frei macht von den Ketten der Sünde und los macht. Aber
da wacht das Gewissen des Felix auf und er wird unruhig. Und er kann das gar
nicht mehr ertragen, wenn Sünde aufgedeckt ist und dann, dann verschiebt er
das, dass er sagt: “Geh bitte, geh bitte. Zu gelegener Zeit will ich dich mal
wieder holen.” Dummes Gerede. Was wird da gelogen und wie erbärmlich ist der
Mensch, das wollte ich Ihnen ja zeigen, so hilflos in dem Mächtigen. Dass er
vor einem armen Gefangenen noch lügen muss, noch nicht mal die Wahrheit sagen
kann. Wer ist denn eigentlich gebunden? Und wer ist frei? Der Felix ist der
Gebundene in seinen Ketten. Er kann ja gar nicht heraus. Er sitzt da und ist
gebunden. Solche Menschen könnten viel leichter wie Felix das Evangelium
verstehen eigentlich heißt’s die Frommen. Wissen Sie das bei Ihnen ist das
vielleicht noch schwerer. Gefallene, Gebundene, Abhängige, Süchtige. Weil Sie
sagen: “Ja, bei mir ist das so, ich komm gar nicht los von meinen Ketten.”
Großer Gegensatz: Der gebundene Paulus und er ist plötzlich gar nicht mehr
gebunden. Ja doch, da hat er noch die Ketten, aber gegenüber dieser große
Gouverneur, ein armes Würstchen, armes Würstchen. Und ich habe Ihnen am
Sonntag, am Ostersonntag gesagt: Richtig leben kann man nur mit dem
auferstandenen Jesus. Ohne ihn kann man gar nicht leben. Das sehen Sie hier.
Kann gar nicht leben.
Noch ein
letzter Punkt: Gefangen und doch frei. Gefangen und doch frei. Mir ist das so
wichtig, weil heute ja alle bei uns so freiheitsdurstig sind. Die Jungen wollen
los sein von der Autorität der Eltern, die Frauen wollen sich emanzipieren. Die
wollen, dass sie endlich ganz frei sind und die Nationen wachen auf: “Wir
wollen endlich Freiheit haben.” Und man wirft oft dem Paulus vor, er hätte sich
zu wenig für die Freiheitsbelange eingesetzt. Das stimmt. Der Paulus hat, das
war im Philemonbrief ganz deutlich gesagt: Ein Sklave ist ein Freier, auch wenn
er noch in Treue die alten Arbeitsbedingungen erfüllt. Weil er innerlich frei
geworden ist. Da sehen Sie hier etwas. Gefangen und doch frei. Beim Paulus
haben sie nie erlebt, dass er gewimmert hat: Ich möchte Freiheit, ich möchte
Freiheit. Und wenn er dort in Cäsarea in dem Palast zwei Jahre war er dort in
Haft in Cäsarea. Wir können das ganz genau rekonstruieren. Dann hat er das
Rauschen der Wellen gehört. Was hat das bei dem Paulus Schmerzen bereitet? “Ich
wollte Hinaussegeln und das Evangelium der ganzen Welt verkünden”, und jetzt
sitzt er zwei Jahre in Haft. Aber er hat seine Sorgen einfach Jesus hin gelegt
und sagt: “Der Herr macht’s recht, denen, die Gott lieben, müssen alle Dinge
zum Besten dienen.” So kann man’s mit dem auferstandenen Jesus machen, seine
Beschränkungen akzeptieren. Können Sie das auch so? Sagen: “Gott hat mich Matt
gesetzt. Aber ich weiß nicht wozu das gut ist, aber ich will’s akzeptieren und
ihm danken. Noch ein Stück der Erbärmlichkeit dieses Felix, dieses Gouverneurs
an dieser Stelle: Er hat den Paulus öfters zum Gespräch geholt und dann steht
da: Er hat eigentlich gar nicht auf die Antworten des Paulus gewartet. Er hat’s
so gemacht, so wie’s in Südamerika die Polizei macht. Wissen Sie, die gucken
immer nur nach dem Geldbeutel, wo sie das Bestechungsgeld kriegen, das
Korruptionsgeld. Dabei war der Gouverneur steinreich, der hat Geld gehabt wie
Heu. Dann können sie sich vorstellen, wenn die so eine Stadt dort gebaut haben.
Aber es stimmt ja, niemand ist so ans Geld gebunden, wie die Reichen. Und jetzt
guckt er, ob er von dem armen Häftling noch ein paar Mark abstauben kann. So
gebunden ist der Felix. Armer Mann. In Kette gebunden ihm gegenüber der Paulus
und wissen sie, niemand kann ihm schaden, da steht drin, dass dann eigentlich ohne
Grund der Felix dem Paulus große Hafterleichterungen gibt und in diesen zwei
Jahren ist ungeheuer viel geschehen. Paulus bekommt viel Besuche von Trophimus,
von Tychikus, von Aristarch, von seinem besten Mitarbeiter, vom Timotheus,
Lukas wird dauernd um ihn gewesen sein, dort wird Lukas ganze Stücke des
Lukasevangeliums vielleicht mit Paulus zusammen geschrieben haben. Briefe sind
entstanden, der Römerbrief, die beiden Korintherbriefe, Philipperbrief,
Galaterbrief. Wahrscheinlich, so kann man es annehmen, hier, es steht nämlich
da: “Es grüßen euch die, die aus der Prätorianergarde sind.” Das war eine
Prätorianergarde, die unmittelbare Leibwache des Gouverneurs und da waren schon
Christen dabei in Cäsarea, die zu dem Paulus gehalten haben. Sehen Sie, das sieht
manchmal für uns so bedrohlich aus, die Welt, in der wir leben. Und in der Welt
geschieht so viel Unheimliches. Wissen Sie, dass Jesus alle Macht hat, im
Himmel und auf Erden? Und dass er seine Planungen durchführt und dass dieses
Bild des gebundenen Paulus für Sie ein mitmachendes Zeichen ist. So wunderbar
ist das, wie Gott auch hier diese Haftzeit in Segen umgewandelt hat. Wenn wir
heute wählen sollen, die Haft oder die Briefe vom Paulus, ach die Haft, die
muss er halt durchstehen, aber die Briefe, die wir haben. Ohne Römerbrief, ohne
Korintherbriefe, wir könnten ja gar nicht leben, Thessalonicherbriefe, alles dort entstanden. So hat Gott
das benützt und hat Segen draus gemacht. In seiner Fülle. Mir ist jetzt nur für
Sie wichtig, dass Sie auch mit dem auferstandenen Jesus leben und sagen: “Wenn
ich schon krank bin, oder wenn mir der Herr schon das Leid zumutet, dann soll
wenigstens Frucht raus kommen. Bleibende Frucht, für ihn. Und ich will nur
schauen, wie Jesus in meinem Leben das Sagen hat und mich bestimmen kann und er
mich regiert.” Ich möchte das nächste Mal weiter machen und über die zweite
Prozesshälfte in Kapitel 26 reden. Der Felix hat ja den Prozess verschleppt,
bis er abgelöst wurde. Claudius, der Gönner hat ihn auf diesen Thron gebracht, der
Nero hat ihn später abgesetzt. Ein Mann war ganz nah davor, dass er das
Himmelreich gewinnt und er hat’s nicht entdeckt. Sein Gewissen hat gesprochen.
Wenn Ihr Gewissen redet, das ist nie Menschenmanipulation, Sie können ein
Gewissen nie aufwecken, Sie können Ihr Gewissen betäuben, aber niemand kann
durch sein Reden ein Gewissen aufwecken. Wenn Ihr Gewissen aufwacht, ist das
eine Gottesstunde. Dann redet Gott ganz besonders mit Ihnen, dann müssen Sie
handeln, entschlossen handeln. Dann dürfen Sie’s ja nie so machen wie Felix,
dass Sie’s auf die lange Bank schieben und sagen: “Ein ander Mal.” Das sind
Gottesstunden und Felix hat sie verpasst. Ach dass wir es doch packen, richtig
packen und begreifen, dass Jesus unser Leben total verändern kann.
Amen.