Neue Kraft und Stärkung

Winrich Scheffbuch

Gehalten am 05.09.1993 in der Ludwig-Hofacker Gemeinde Stuttgart

Römer 8. 12-17

 

Wir predigen zur Zeit über das Kapitel acht des Römerbriefes. Es hat manche unter uns, die haben das Kapitel auswendig gelernt. Wer noch den nötigen grauen Zellen hat, soll das tun. Das gehört zum ganz großen Schatz unseres Glaubens. Und nun haben wir heute Vers 12 bis Vers 17.

Wenn Sie wieder in ihrer Bibel mitlesen, wird das von Gewinn sein. Ich habe letztes Mal gehört, dass Sie mitlasen, und sagte, da steht gar nicht mehr das Wort Fleisch, das ist doch der überrevidierte Text, den man wieder zurückgenommen hat. Und da steht ein gutes Wort für Fleisch immer drin, in ihren ausgelegten Bibeln zum Teil, da steht statt Fleisch Eigenwillen. Ich weiß nicht, ob sie Ihren Eigenwillen kennen. Ich vermute es. Sie haben auch Kriegszustand mit Ihrem Eigenwillen, hoffe ich. Dass Sie nicht willenlos preisgeben, davon wollen wir heute einiges hören.

So sind wir nun, liebe Brüder, nicht dem Fleisch schuldig, dass wir nach dem Fleisch leben.

Es ist wunderbar, wie der Paulus herzlich plötzlich redet, für Juden waren die Nichtjuden ja eigentlich Hunde. Und Hunde sind nicht so was Nettes, wie das, was in Ihrer Wohnung sich findet, sondern das waren damals Wildhunde, streunende Hunde, und der Paulus sagt zu seinen römischen Freunden: Brüder! Frauen oder Männer, das war die Herzlichkeit, die Brüderlichkeit, die Liebe. Denn wenn ihr nach dem Eigenwillen lebt, nach dem Fleisch, so werdet ihr sterben müssen. Wenn ihr aber durch den Geist die Taten des Eigenwillens oder des Fleisches tötet, so werdet ihr leben. Denn welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder. Denn ihr habt nicht einen knechtischen Geist empfangen, dass ihr euch abermals fürchten müsstet, sondern ihr habt einen kindlichen Geist empfangen, durch den wir rufen: Abba, lieber Vater. Der Geist selbst gibt Zeugnis unserem Geist, dass wir Gottes Kinder sind. Sind wir aber Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi. Wenn wir denn mit ihm leiden, damit wir auch mit zur Herrlichkeit erhoben werden.

 

Ich treffe immer wieder Menschen, die sagen dann, wenn das Gespräch ein wenig vertrauter und offener wird, sagen sie, wissen Sie, ich kann nicht glauben, weil ich so viel Schweres erlebt habe. Und ich muss sagen, das verstehe ich. Ich kann meine Erlebnisse nicht vergleichen mit dem, was andere durchmachen. Aber ich kann mitfühlen von dem, was sie erlebt haben. Und da wissen wir, wie das oft ein Schock ist, wie das uns in die Tiefe drückt. Das können Krankheitsnöte sein, Böses, was einem Menschen zufügen, Enttäuschungen. Wissen sie, was geschieht heute in Irrenanstalten, was geschieht heute in den Schlachtfeldern der Welt, was ist heute dort, wo Menschen hungern. Werden sie denn damit fertig? Ich verstehe doch, wenn Leute sagen, und du singst da deine Lieder, wie wirst du denn damit fertig? Ich will Ihnen eine Antwort darauf geben: Die ersten Christen von Jerusalem hatten ein furchtbares Schockerlebnis. Über Nacht brach fanatischer Hass, der immer so im Verborgenen schon in Jerusalem seit der Kreuzigung Jesu da war, plötzlich los, und in einer Lynchjustiz wurde der größte Evangelist der Urchristlichen Gemeinde, ein sozial tätiger Mann namens Stefanus, gesteinigt. Und die Christen haben in einer Panikreaktion ihre Wohnungen verlassen, sind, wie sie nur konnten, mit dem Schiff ins Ausland gefahren, nur, um ihr Leben zu retten, wenn ich nur meine Kinder wenigstens am Leben erhalten kann. Wenn ich das erlebt hätte, damals, ich wäre ein Leben lang mit dieser Sache nicht fertig geworden. Mein Haus ist mir geraubt, ich habe alles verloren, was ich hatte. Meine Fotoalben, meine Bibliothek, oder wissen Sie, was Sie an Schönem haben, mein schönes Zimmer, meine schöne Garnituren. Und die, da steht in der Bibel drin, in der Apostelgeschichte, die von diesen Flüchtlingen, die nach Antiochia kamen, das war damals die drittgrößte Stadt der Welt, am Orontes, eine Hafenstadt, in Phönizien, die redeten kein einziges Wort von dem, was sie Schweres erlitten hatten. Nicht, dass sie das nicht bewegt hat, hat sie ja aufgewühlt. Sondern, die hatten etwas anderes, was viel, viel stärker in ihrem Leben gewirkt hat. Das hat sie erfüllt gemacht, und das konnten sie überhaupt nicht vergessen. Die anderen, die Bewohner von Antiochien, denen ist das aufgefallen. Die haben einen spöttischen Spitznamen den Menschen gegeben, weil die immer wieder aufs gleiche Thema kamen. Wissen Sie, wie das hieß, der Spitzname, den die bekamen? Christen! Weil die immer bloß von Christus redeten. Die hatten nur ein Thema: Christus. Die redeten nicht über das Leiden, die redeten nicht über das Schwere, nicht über das Unrecht, nicht über die Gemeinheit der Menschen, sie reden von Jesus Christus, der Messias. Ich hoffe, dass das in Ihrem Leben genauso ist. Dass Sie Jesus Christus kennen. und erlauben Sie mir, dass ich in allen Predigten und Bibelstunden Ihnen nichts anderes sagen kann. Damit werden Sie ein Leben lang nicht fertig, und staunen, und so war's auch bei Paulus. Wenn er gepredigt hat, wenn er wohin kam, wenn er Briefe schrieb, alle Briefe gehen immer wieder auf den Punkt zu, dass er den Menschen zeigen will, wie wunderbar, wie stark, wie mächtig Jesus ist, und wie Jesus Christus sich uns ganz schenkt.

Da habe ich drei Punkte herausgegriffen, aus dem, was Jesus uns gibt, und die muss ich heute ihnen erläutern.

Das erste: Jesus hat eine grenzenlose Kraft.

Er hat eine grenzenlose Kraft. Also, ich brauche immer wieder die Kraft Jesu, weil ich mit meiner Kraft so oft am Ende bin. Mit meinem Können, mit meinem Bemühen. Ich lade andere immer wieder ein, und sage: Komm, bei Jesus darfst du schöpfen. Heute ist die Losung: Wer Durst hat, der komme und trinke, hol' dir doch, was du brauchst. Man redet heute ja viel von Energieproblemen. Da meint man Strom, und Öl, und die ganzen Ressourcen, die die Kräfte dieser Welt, die reichen nimmer lang. Die Energie werde knapp. Ich hab' den Eindruck, die Energie des Menschen ist die knappste, meine Energie. Und manchmal frage ich mich, ob ich das alles schaffe, was vor mir liegt. Manchmal habe ich sogar große Sorge, ob ich meinen Glaubensweg durchstehe, ob ich die Energie habe. Ja, ich hab' sie gar nicht. Ich hab doch die Energie nicht, aber ich bin so froh, dass ich von der Energie Jesu schöpfen darf, und dass mein ganzer Glaube damit umschrieben werden kann, dass ich in Christus bin, mit ihm lebe, alles mit ihm anpacke, mit ihm wage, ihm vertraue, mich ihm ganz schenke. Nun werden viele von Ihnen sagen: Ja, aber ich habe auch schon um Kraft gebetet, ich habe um Kraft gebetet, und er hat mir keine Kraft gegeben. Ich denk jetzt an die Alten, und an die Kranken, die sagen, ja, ich habe oft gebetet, und ich bin schwach geblieben. Deshalb möchte ich es Ihnen erläutern: Unser Herr gibt uns oft die Kraft nicht so, wie wir sie wünschen. Wir wünschen uns ja immer wieder, dass unser altes Leben noch einmal restauriert werde, wir ein Jugendleben, dass wir noch einmal daherkommen, wie die Siebzehnjährigen. Dann sollen wir sprühen von dieser alten Vitalität unseres irdischen Lebens, und der Herr will das nicht. Ganz bewusst hat er ja auch seinen Apostel Paulus schwach und krank gelassen, damit umso mehr die unsichtbare Kraft Gottes zum Zuge kommt. Die kann man nicht äußerlich sehen, und da passierte etwas: Ein äußerlich schwacher Mensch verfügt dennoch über eine Vitalität, über eine Ausstrahlung, die man so äußerlich gar nicht beurteilen kann. Das sind die geheimnisvollen Wirkungen unseres Herrn. Sind Sie auch schon einmal beim Auto losgefahren und hatten die Handbremse angezogen? Das ist nicht gut. Also, nicht, dass sie das nachher probieren, aber das kann man ja noch machen, aber hei, heute zieht er gar nicht richtig, ach, ist doch blöd, da wird irgendetwas kaputt sein. Aber man merkt es dann, wenn die hinten hupen, weil es da qualmt, und muss aufpassen, dass nicht das ganze Auto dann in Flammen steht. Die Handbremse ist angezogen, lassen Sie mich dieses Bild mal nehmen, wenn uns Jesus seine Kraft gibt, da gibt es bei uns eine Bremse, und die blockiert meist alles. Was ist diese Bremse? Unser Eigenwillen! Unser Fleisch! Beim Fleisch denken sie immer an Ihre sündlichen Neigungen, und da rede ich auch gern drüber. Liebe Schwestern und Brüder, es ist so traurig, dass in unser aller Herz sich so massive Sünde finden kann, selbst im frömmsten Leben! Böse Dinge, unreine Dinge, Zwietracht und Hass. Aber Jesus denkt nicht nur an diese massiven Sünden, wie ich sie mal nennen will, die das Wirken der Kraft Jesu blockieren, sondern das ist mein Ich! Ich bin so träge, ich bin so irdisch. Denkend immer, ich will immer bloß Erfolg, ich will meine Ehre, mein, ich will meinen Ruhm, ich will selber wirken, mein Name muss dort stehen, und, Sie wissen doch, wie das bei uns allen ist. Wir halten doch das Werk Jesu auf, wir sind manchmal so störrische Leute. Jetzt sagen wir mal mit unserem Fleisch, und mit unserem Eigenwillen, und wenn Jesus uns seine Kraft gibt, dann will er, dass wir unser Fleisch töten. Es gehört also mit dazu, mit unserem Gebet, Herr, gib mir Kraft. Und ich weiß, dass viele von den alten Menschen erst dadurch im Glauben gereift sind, dass Gott ihnen viel durchgestrichen hat, von dem, was sie bisher gemacht haben. Und je mehr er von unserer äußeren irdischen Kraft wegnimmt, entdecken wir erst diese überwältigende Kraft Jesu, mit der er kann alle Dinge sich untertänig machen. Die ist grenzenlos, die Kraft Jesu. und die dürfen sie nehmen, mit der können sie wirken, und ich kann Ihnen sagen: Ihr Leben wird erfüllt sein bis zur letzten Minute Ihres Lebens. Gott setzt sie zum Segen, dass Ihr Leben Frucht bringen kann, blühen kann, dass es wirklich Bedeutung hat für andere. Ich will jene Geschehnisse erzählen, vielleicht wird es mit einer Geschichte am besten deutlich: Im letzten Jahrhundert lebte in Russland der Hofmarschall des Zaren, der Graf Korff. Und er fuhr als reicher russischer Graf zur Weltausstellung nach Paris. Es hat ihn begeistert, was er alles sah. Und dann kam er zu so einem kleinen Kiosk, und da war Bibelausstellung. Und er kannte die Bibel nicht. Der war orthodoxer Christ, aber Bibel hatte er nie gelesen. Und da traf er ein paar Christen, die ihm das Wort lieb machten, und da hat er 3000 Johannesevangelien nach Russland mitgenommen. Und er hat sofort begriffen, wenn ich Jesus gehöre, und die Kraft Jesu mein Leben bestimmt, dann muss ich mein ganzes Leben, so wie ich lebe, umkrempeln. Für ihn, als ein Mann, der das liebte, wissen Sie, das feine Essen aus goldenen Tellern, und die großen Hofgesellschaften, und Ehre und Titel, wie das war am Ende des letzten Jahrhunderts... Er hat die Kutscher in den Salon geholt, dass bald seine alten Adelsfreunde nicht mehr kamen, weil sie sagten, im Salon stinkt's nach Pferdemist. Und der Graf Korff, der ging zu seinen Dienern in die Wohnung, und hat sich um die Kinder gekümmert. Und das hat gar nicht lang gedauert, da war er und seine Freunde, wurden des Landes verwiesen. Man hat ihnen, im christlichen Russland, die Pistole auf die Brust gesetzt, und hat gesagt, entweder ihr unterschreibt, nichts mehr an Glaubensbetätigung. Das war dieser große Lord Redstock, der damals in den Adelskreisen Russlands evangelisiert hat. Alle mussten des Landes verwiesen sein, oder jetzt auch die Adligen, ihr müsst auch außer Landes gehen, wenn ihr noch weiter eure Versammlungen halten wollt. Der Graf Korff ging, der Verkehrsminister Bobrinski, Oberst Paschkov, die Fürstin Lieven, die in Korntal beerdigt ist, alle haben das Land verlassen. Und der Graf Korf schrieb später: Es fiel mir unheimlich schwer, das Sterben meines Fleisches! Wissen Sie was das ist? Das war sein Leben, Adel, Anerkennung, Macht. Und dann hier als ein heimatloser Fremde zu leben, und sagt, ich hab das gemerkt in der Revolution der Kommunisten, ich hätte sowieso diese Dinge gar nicht retten können, aber mir ist deutlich geworden, Jesus gibt viel, viel mehr als das, was er von uns wegnimmt, und das ausstreichen des Alten, das macht reich. Haben, als hätte man nicht, und das Entscheidende muss man im Leben gewinnen.

 

Aus Winrich Scheffbuchs Buch „Christen unter Hammer und Sichel“

1874 hielt sich der englische Lord Radstock mehrere Monate in St.Petersburg auf. Im Palais seiner Gastgeberin hielt er evangelistische Bibelvorträge, die die Adelskreise der Stadt in Atem hielten. Offenbar spürte der Adel damals selbst, wie morsch und brüchig sein bisheriges Leben war, und so suchten viele nach der Wahrheit. Das Zeugnis dieses englischen Lords war so einfach, fest und biblisch tief, man hörte ihn gerne und in großer Aufgeschlossenheit. Viele der Adligen hörten zum ersten Mal in ihrem Leben, daß es im Glauben eine Gewißheit des Heils gibt. Lord Radstock gehörte den „Offenen Brüdern" (Darbysten) an, die fast jede kirchliche Organisation ablehnten und um so eifriger im Missionsdienst und in ihrer Hingabe an Christus waren. Die Petersburger Erweckungsbewegung wurde weit über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt. Der Glaube wurde als sichtbares Zeugnis offen gelebt. Die Standesunterschiede schwanden. Es wird berichtet, daß Spottende sich über den Stallgeruch in den Salons der gläubigen Grafen ausgelassen hätten. Denn es war stadtbekannt, daß dort in den herrschaftlichen Sälen täglich die Adligen neben den Kutschern und Stallknechten zum Gebet niederknieten. Zu den Bibelgruppen gehörten einflußreiche Adlige: Oberst Paschkow, Flügeladjutant des Zaren und zudem einer der reichsten Großgrundbesitzer seiner Zeit; Graf Korff, Hofmarschall des Zaren; Fürstin Lieven, die Witwe des zaristischen Oberzeremonienmeisters; Verkehrsminister Graf Bobrinski. Es blieb dem Oberprokureur des Allerheiligsten Synods, dem Leitungsgremium der russisch-orthodoxen Kirche, vorbehalten, diese Erweckungsbewegung mit ganzer Härte zu unterdrücken. 1884 wurde eine Konferenz der Stundisten Südrußlands mit den adligen Erweckungskreisen Petersburgs, die Paschkow finanziert hatte, durch Polizeiterror gesprengt. Die Bauernbrüder kamen in Haft. Kurz darauf wurden Paschkow und Korff des Landes verwiesen. Andere verloren ihre Ämter. Sie konnten sich alle der Forderung nicht beugen, ihre evangelistische Tätigkeit einzustellen.

 

Ich möchte Sie heute, wo ich von der Kraft Jesu rede, einfach bitten, dass Sie ihrem Fleisch, Ihrem Eigenwillen den Krieg erklären, und wissen, dass der Teufel, der Satan, das hat der Graf Korff auch in seinem Worte immer gesagt, der nistet sich da ein in unserem alten Wesen. Und da müssen Sie einen Kampf führen, und sagen, ich will Christus gewinnen in meinem Leben, und will nur mit ihm leben. Und wenn in meinem Leben viel mehr durchgestrichen wird, und ich red' noch einmal von all den Schweren, das viele erleben, ich will es nicht bagatellisieren. Christus wird immer größer als jeder Verlust, den er Ihnen zumutet. Es ist oft so, dass es bitter schwer ist, was man loslassen muss, aber Jesus Christus will Ihnen noch mehr bedeuten, wie damals diesen Leuten, die damals als Flüchtlinge nach Antiochien kamen.

 

Jetzt das zweite, was ich entdecke in diesem Wort: Von Christus, mit Christus leben.

Das erste war eine grenzenlose Kraft, jetzt das zweite: Eine unbändige Freude.

Unsere jungen Leute oben, die muss ich jetzt ansprechen. Ich hab große Schwierigkeiten heute, wenn die jungen Leute da sind. Ich freue mich ja, dass da oben alles vollsitzt auf den billigen Plätzen. Aber mit jetzt dem, was ich sage, können die mich nicht verstehen, denn ich rede als ein Gebrannter. Ich habe nämlich einen Vers aus diesem Wort als Konfirmationsspruch bekommen, und da habe ich Jahre gebraucht, bis ich mich mit meinem Konfirmator wieder im Geist versöhnen konnte, denn mich hat es geärgert, das Konfirmationswort hat mir nämlich gar nicht gepasst, sonst das Schönste, was es gibt. Da stand nämlich was vom Kind drin, welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder. Und ich wollt' als 14 jähriger Bursche doch kein Kind mehr sein. Das war das Schlimmste, was man mir sagen konnte, und ich weiß, junge Leute, die wollen doch, von mir aus Manager sein, und Leute, die was im Leben leisten, aber wollen doch keine Kinder mehr sein. Die sagen, lieber lass ich Vater und Mutter zu Hause sitzen, und reise in die weite Welt, ich will doch kein Kind mehr sein. Das Wort „Kind“ ist für die anstößig. Die drüben, die wissen das erst, wenn man selber Kinder hat. Da sieht man, dass bei dem Kind ja nicht das Kindische das Entscheidende ist, sondern das Vertrauensverhältnis. Und jetzt, wenn ich so einleite, verstehen es vielleicht auch unsere jungen Leute. Denn das war ja doch der höchste Ehren-Titel Jesu, dass er Sohn Gottes war, dass er mit dem Vater, mein Vater, in einem unvergleichlichen Verhältnis war. Da war nichts Kindisches. Da brauchen wir keinen Puppenwagen dazu, eine Puppenstube, nicht. Wenn Jesus sagt, ich wirke, und mein Vater wirkt auch. Es jetzt ist doch groß, dass uns Jesus ein solches Verhältnis mit dem ewigen, mächtigen Gott, der Himmel und Erde regiert, schenkt; wir dürfen mit Gott in einem ganz vertrauten Verhältnis sein, wir dürfen ihm einfach sagen, was uns bewegt, und er kümmert sich um uns. Noch einmal, manche sagen: Seit ihrer psychotherapeutischen Behandlung können sie das Wort „Vater“ nicht mehr hören, oder „Mutter“, weil sie das so Urerlebnisse in ihrer Kindheit haben. Das hat mit Ihren Eltern nicht zu tun. Da verstehe ich Sie auch. Jedes Kind ist geschockt von seinem Vater, wenn ich nur an mich denke, was man alles eben miteinander tut. Sie müssen nicht von irdischen Menschen aus denken. Das bei Gottes ist ein ganz eigenes Verhältnis, aber Sie können es schöner nimmer umschreiben. Das schönste Liebesverhältnis, das vertrauteste, so wie Kinder der Mutter auf den Schoß kriechen, wie die Mutter am Rockschoß packen, so darf ich mit Gott leben. Viele von Ihnen kennen das nicht. Ich habe in der vergangenen Woche manche Gespräche geführt, und da hat mir jemand gesagt, er sagt, wissen Sie, ich glaube an Gott, ich lese auch ab und zu in der Bibel, aber für mich ist das ein Pflichtgefühl, und genau das steht hier drin, so darf es nicht sein. Sie sind ja gut erzogen mit der Kinderstube, und da wurde Ihnen gesagt, wie man Dankeschön sagt, und dass man sich beim Einwohnermeldeamt registrieren lassen muss, und seine Steuererklärung pünktlich ausfüllen muss, da gibt es Gebote dieser Welt, und da hat man auch gelernt, man soll irgendwie an Gott glauben, da gehört das Christliche irgendwo dazu. Und das ist so, der Obrigkeit schuldet man das, und so machen viele ihr Christsein als eine Dienstleistung. Sie sagen, ich glaube ja auch, dass es einen Gott gibt, und dem will ich ja dienen. Das ist der Knechts-Geist. Da sind sie bei einer guten Sache: Ich muss mal für Gott ein Opfer bringen. Wissen Sie, dass Jesus ihr Herz will, und Sie sind beim Glauben noch nicht durchgedrungen. Ich möchte Ihnen aber Appetit machen zur Freude, bis Sie so sagen können, so wie ein Kind sagt: „Mei Mommo mog me!“ Nicht, die mag mich halt, und ich weiß doch, dass der ewige Gott mich lieb hat, ich weiß mich von ihm umsorgt, und getragen. Und wenn ich auch nicht mehr weiter weiß, und in meinem Leben so, ich ruhe in seinem Frieden, ist das nicht herrlich? Eine unbändige Freude, das ist doch die Freude Jesu, meine Freude. Dass ich sagen kann, mein Gott und mein Herr, das ist ein Besitz, der gehört mir, so wie ich ihm gehöre. Das Schwerste für ein Kind ist, wenn es dann sagt, ich habe niemanden in dieser Welt, dem ich ganz gehöre. Und trotzdem würde ich sagen, jedem der jetzt darunter leidet, vielleicht sitzt gerade so jemand unter uns, der sagt, ich bin als Waise aufgewachsen, ich hatte immer nur Pflegeeltern. Die irdischen Beziehungen sind nicht mal das wichtigste. Sondern, dass Ihr Glaube ruht in der ewigen Gottesbeziehung, dass Sie Frieden haben in ihm, sagen: mein Gott, das ist Vater und Mutter für mich, da habe ich Geborgenheit, was auch geschieht, ich weiß, dass er mich führt, ich liebe ihn. Es braucht gar nicht vieles, es ist so ein herzliches Verhältnis, das können Sie nicht produzieren, Sie müssen bloß einmal anschauen, was er ihnen tut, der dir alle deine Sünden vergibt. Da wacht die Liebe auf, da wird Ihr Herz bewegt, da können sie nur noch danken, wir haben nicht einen knechtischen Geist empfangen, dieses Pflichtgefühl, das gehört eben zur Bürgerpflicht im Abendland, sondern wir sind Leute, die Jesus über alle Dinge lieben. Die ihm vertrauen, und die ihn kennen. Eine unbändige Freude, und das ist größer, als alles, was Sie an Not bewegen mag. Und ich will nichts verharmlosen an Hunger, an Schmerzen, an Qualen von Schmerzen. Aber wenn das bei Ihnen geht im Leben, so ist das, wenn Sie Jesus kennen und lieben, dann können Sie sagen, warum soll ich mich den grämen, hab' ich doch Christus noch, wer will mir den nehmen. Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil.

 

Noch das letzte: Eine grenzenlose Kraft, sagte ich, eine unbändige Freude, noch:

Eine unumstößliche Gewissheit.

Mit dem was ich jetzt sage, tue ich manchen auch weh. Ich sag das immer wieder, weil ich bin so froh, wenn wir drüber reden können, und es kommt immer wieder mit vielen auch zum Gespräch. Jemand hat mir gesagt, wissen Sie, ich kann so oft ich will in die Kirche kommen, Sie nehmen meine Zweifel nicht ernst. Ich sage: doch! Jedes Mal, wenn ich an einem Grab stehe, und den Dienst tue, komme ich mir vor, wie ein Lügner, der vom Leben spricht, wo der Tod sichtbar seine Macht demonstriert. Ich bin doch auch ein Mensch, der vom Fühlen lebt, und soll alles auf das Glauben setzen? Das ist Wissen, ich habe es Ihnen doch oft gesagt. Die Zweifel leben in uns allen, welcher Kranke ist nicht angefochten? Aber ich weiß, dass ich nicht im Zweifel bleiben darf, sonst stürzte ich in Abgründe, in bodenlose Tiefen. Und wie werde ich gewiss? Ich kann mir's nicht einreden. Das haben wir das letzte Mal gesagt. Ich kann es mir nicht einreden, den Glauben. Ich kann mir's nicht vorsagen. Ha, das wäre sehr schön, wenn das ginge. Aber das geht gar nicht. Die Zweifel sind viel stärker. Da steht ein großes Wort, dass der Geist Gottes, der Heilige Geist Zeugnis gibt unserem Geist, dass wir Gottes Kinder sind. Wenn ich mein Leben ansehe, muss ich sagen, ich bin ein verlorener Mensch, der täglich Gottes Ehre mit Füßen tritt. Und wenn ich glauben soll, dass ich dennoch ein Kind Gottes bin, ein Eigentum Gottes, ein ganzes Leben mit ihm lebe, woher kann ich das wissen? Nur wenn es der Heilige Geist durch sein Wort mir ins Herz hinein schreibt. Und das tut er. Wunderbar! Und dann kann man glauben. Ach, deshalb habe ich Ihnen vorgelesen, man kann darum bitten, Herr gib mir deinen Heiligen Geist. Das größte Wunder, was der Heilige Geist kann, größer als eine Totenauferweckung, wenn er unsere Zweifel, unsere Anfechtungen überführt durch das Wort, und gewiss macht. Sagen, jetzt glaub und weiß ich's feste, jetzt weiß ich's aus dem Wort heraus, weil er es mir zusagt. Das Bild ist ja wunderbar, das Paulus prägt, das ist eine Gerichtsverhandlung, stehen die Ankläger da, und die sagen alles gegen mich. Und da können viele Leute auftreten, und vielleicht Sie auch noch, und sagen, das ist ein Schlimmer, und der hat versagt, und alles falsch gemacht, und dann kommt der Geist Gottes, und sagt: Und ich gebe Zeugnis: Der ist angenommen als Kind Gottes! Warum? Weil er Almosen gegeben hat, nein! Weil er so schön gepredigt hat? Auch nicht! Sondern weil Jesus für ihn starb. Weil das Blut Jesu für ihn spricht, und darum ist der angenommen, und das macht gewiss, und es gibt Gewissheit im Glauben, nur aus diesem Zeugnis des Geistes heraus. Wenn Sie über ihre Taten gewiss werden wollen, werden Sie nie gewiss, oder Sie sind ein Heuchler. Da reden Sie sich was Falsches ein. Sie kennen sich nicht. Sie werden gewiss im Glauben nur durch das Zeugnis des Geistes Gottes. Und er bezeugt es Ihnen. Paulus schließt noch und sagt, wir müssen viel mit Christus leiden. Das wird die nächste Predigt, nächsten Sonntag werden, vom Leiden. Wir tragen auch mit an den vielen Nöten um uns herum, und das macht uns im Glauben nicht wankend, ja, wir sagen, Ja, das hatte Jesus auch so getan. Nirgendwo, es gibt keine Religion der Welt, keine Philosophie, die so tief mit dem Leiden der Welt und der Menschen sich beschäftigt wie Jesus. Der alles auf sich nahm, und nicht nur das Äußere, sondern auch das Innerste der Gottesferne und der Schuld, die auf uns Menschen liegt, des verfehlten Lebens. Und darum müssen wir mittragen, und eine Gemeinde will auch mittragen Ihre Last, und ihre Nöte, mit Christus leiden. Aber wir sind ja Erben. Nicht bloß einmal im Himmel werden wir erben. Sondern hier schon dürfen wir von den ganzen Schätzen Jesu leben. Das sind keine materiellen Schätze. Es gibt noch andere. So wie Jesus aus der Vollmacht Gottes heraus gewirkt hat, geredet hat, so dürfen Sie aus der Vollmacht Gottes heraus wirken, Dienst tun, Zeuge Gottes sein. In einer leidenden, verzagten, müden Welt, und allen sagen, was wollen Sie denn sagen, es ist etwas, der Heiland ist da. Ja, das ist was. Größeres gibt es nicht. Amen.