Segnen - nichts Unverbindliches
Winrich Scheffbuch
Gehalten am 17.06.1984 in der Ludwig-Hofacker Gemeinde Stuttgart
4. Mose 6, 22-27
Trinitatis
4. Mose 6, 22-27
6, 22 Und der HERR redete mit Mose und sprach:
6, 23 Sage Aaron und seinen Söhnen und sprich: So sollt ihr sagen zu den Israeliten, wenn ihr sie segnet:
6, 24 Der HERR segne dich und behüte dich;
6, 25 der HERR lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig;
6, 26 der HERR hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.
6, 27 Denn ihr sollt meinen Namen auf die Israeliten legen, dass ich sie segne.
Herr, schließe uns das Geheimnis deines Tuns auf. Amen.
Liebe Schwestern und Brüder, wir leben ja heute in einer Zeit, in der die frommen Worte inflationär gehandelt werden. Und da wird tagtäglich das Wort „Segen” vielfach benützt. Unbedacht, in ganz komischen Zusammenhängen. So gibt der Wähler am heutigen Wahltag Europa seinen Segen. Oder der Jupp Derwall, wenn der seine neue Mannschaftsaufstellung ansieht, dann hat er sie abgesegnet, bevor er sie ins Spiel hineinlässt heute Nachmittag. Oder: Der Arbeitnehmer empfindet es als nicht gerade segensreich, dass der heutige 17.Juni auf einen Sonntag fällt. Und wenn nachher beim Picknick oder beim Sonntagsessen der Vater des Hauses schlabbert und einen Teil des Essens über seine Krawatte leert, dann ist der ganze Segen drauf, wie man so schön sagt. Und wer die falsche Frau geheiratet hat, dann hängt deswegen auch noch der Haussegen schief.
Das Wort Segen wird bei uns vielfach benützt, und es ist ein entwertetes Wort, es sind nur noch die leeren Worthülsen, es klappert noch etwas, es sieht ganz fromm aus, und sieht aus, wenn man einem Herzliche Segenswünsche sagt, aber Denken tut man allemal nicht viel dabei, und eine große Bedeutung hat das auch nicht. Darum ist das wichtig, dass uns Gott heute wieder aufschließt, was er meint mit seinem Segen.
Wir sind nicht die Macher. Es ist gar nicht in unserem Können drin, und in unserem Wollen und in unserer Absicht, sondern nur, wenn Gott seinen Segen dazu gibt. Ach, Hüter unsres Lebens, bewahr, es ist vergebens, mit unsrem tun und Machen. Wo nicht dein' Augen wachen. (Lied EG Nr.58 „Nun lasst uns gehn und treten” Strophe 6 Ach Hüter unsres Lebens, fürwahr, es ist vergebens mit unserm Tun und Machen, wo nicht dein Augen wachen.)
Darum brauchen wir den Segen Gottes. Das Wort Segen wird vielleicht hier und da benützt als das Sehnen nach Glück, damit hat es nichts zu tun. Wenn sie sich der landläufigen Meinung anschließen wollen und das wissen wollen, was die Leute verstehen unter Segen, dann ist es bei vielen so etwas ähnliches wie ein Hufeisen, das sie auf ihr Auto vorne drauf machen, oder wie ein vierblättriges Kleeblatt, unter dem sie sich Glück erhoffen, Hals- und Beinbruch, ich wünsch dir Gottes Segen.
Aber das ist nicht viel, das ist noch ein Stück heidnisches Denken, das noch in unserer Sprache verbreitet ist. Wir wollen den Schatz wieder ausgraben, den uns Gott hier schenkt.
Ich möchte Sie zuerst darauf hinweisen, Gott will segnen. Gott will segnen.
Haben Sie das Buch von Graf Lehndorff, dem Bad Godesberger Chirurgen, einmal gelesen, ostpreußisches Tagebuch (Lehndorff von, Hans Graf: Ostpreussisches Tagebuch. Aufzeichnungen eines Arztes aus den Jahren 1945-1947. München, Biederstein Verlag 1961. mit einer Karte, 303 Seiten, ISBN: 3813201937, er schrieb auch: Menschen, Pferde, weites Land, über das Bestseller-Buch „Ostpreußisches Tagebuch” wurde 1989 der Dokumentarfilm als TV-Produktion „Auf den Fluchtspuren des Grafen Lehndorff” gedreht und fand die Originalschauplätze im heute polnischen Teil Ostpreußens beinahe so vor, wie sie vom Autor in seinem Buch beschrieben wurden.), in dem er von jenen unheimlichen Tagen erzählt, als die russische Besatzung von Ostpreußen begann, und er war damals in der völlig zerstörten Stadt Königsberg in einem Lazarett. Sie hatten natürlich überhaupt nichts mehr in dem völlig zerbombten Gebäude und diese riesige Not, und keine Medikamente, sie konnten nachts nicht schlafen, und dann zog eine schwere Gewitterfront heran, und der Himmel war ganz unheimlich dunkel beleuchtet, erzählt Graf Lehndorff, und dann stand er da, und schlug sein Losungsbüchlein auf und genau in diesem Augenblick brach die Sonne durch die Regenfront hindurch und der Regenbogen leuchtete. Das war der Losungsspruch von jenem Tag in dem Losungsbüchlein und Graf Lehndorff sagt, das hat mir noch nie so viel bedeutet wie in dieser unheimlichen Welt des Krieges und der Zerstörung, da leuchtet die Gnade Gottes mir. Und darum kann ich hier bleiben in dieser Hölle, und wirken und Segen stiften, weil Gott bei mir ist, und weil Gott mit seiner Güte sich uns zuwendet. Die Bibel hat uns nie im Unklaren darüber gelassen, wie diese Welt einzuschätzen ist, in der wir leben. Als Gott den Priestern Aaron und seinen Söhnen auftrug, Israel zu segnen, da waren sie auch in einer grausamen Verfassung, stellt euch das einmal vor, wie das war, wie wir jetzt durch den Sinai durchgefahren sind, haben immer wieder Teilnehmer ungläubig gefragt, wie viel sind da durchgelaufen, hunderttausende, völlig unmöglich. Das war auch unmöglich, durch diese grausame Wüste, durch diese Steinwelt, durch diese Felsschluchten, Die Ägypter hatten ja längst die Israeliten abgeschrieben, sagten, wenn sie da mal drin sind, da kommen sie lebend sowieso nicht mehr heraus, und wie sollen sie sich da durchschlagen, da ist nichts mehr zum Essen und nichts mehr zum Trinken, und sie hatten doch Kinder dabei und Alte und Kranke. Und dann gebietet Gott, dass auf dieses wandernde Wüstenvolk sein Segen gelegt wird. Wenn Sie sich das jetzt anschaulich vor Augen halten, dann wissen Sie, was Segen Gottes ist. Das hat doch mit Glück gar nichts zu tun. Das hat doch nichts mit den Fleischtöpfen Ägyptens zu tun, dass man zurückkehrt. Und manche verstehen das gar nicht, dass Segen Gottes einem erst dort zuteilwerden kann, wenn Gott einem seinen Segen zuteilwerden lässt auf einem schwierigen Weg, wo man sowieso kein Ende absieht. Auf dem Leidensweg sogar, auf einem Weg des Schreckens, der Entbehrung, der Angst, der Einsamkeit. Und dort ziehen sie durch und jeden Abend, jeden Morgen standen die Aaronspriester da und riefen das dem Volk zu: Der Herr... Jetzt im Hebräischen heißt das ja noch ein bisschen anders, da ist ja diese Wunschform und die präsentische Form nicht in der Grammatik zu unterscheiden. Man kann es genauso übersetzen und genauso klang es in dem Ohr der Hörer mit, nicht nur so als Wunsch, sondern „Der Herr segnet dich.” Das ist ein Tatbestand, mit dem kannst du rechnen. Und darum ist nicht diese Grausamkeit der flimmernden Wüste deine Realität, sondern du stehst unter der Macht des gegenwärtig wirkenden Herrn. Segnen heißt Groß machen, Preisen, Rühmen, Gott will diese durch die Wüste hetzenden Leute herausheben, er will aus ihrem Leben etwas Großes machen. Ich hätte jetzt in diesem Gottesdienst große Lust mit Ihnen einfach die Bibel durchzugehen und das noch einmal an den biblischen Gestalten Ihnen vorzuführen, wie das mit dem Segen war. Weil unsere jungen Leute da sind, da wird doch die Geschichte erzählt, die wir in unserem Bibeltraining so lange durchgenommen haben, von diesem jungen Kerl, der sich im Leben nicht zurechtfinden kann, weil er sich nicht lösen kann aus seiner Mutterbindung, er bleibt immer gern zu Hause, er wagt nicht viel, er riskiert nicht viel, er ist ängstlich. Und dann wird er durch die schrecklichen Umstände seines Lebens, durch seine eigene Schuld hinausgeschleudert dieser Jakob nicht mal ein Bett hat er, nicht mal 'nen Schlafsack, in den er kriechen kann bei Nacht. Und in dieser Nacht, da erscheint über ihm Gott und spricht das ihm noch einmal zu: Ich segne dich! Er sieht die Himmelsleiter über sich, und als er wieder durch die Wüste läuft, das kommt in der Bibel so oft vor, das ist nicht bloß bildlich gemeint, sondern das ist die Realität dieser Welt, dann ist er nicht verlassen und nicht verloren, dann kann er über Schlangen treten und es wird ihm doch nichts geschehen, weil Gott sein Leben führt und bestimmt, und als ihn sein Onkel Laban, ein geschäftstüchtiger Mann übers Ohr hauen will, und reinlegen will, dann gelingt dies eben nicht, sondern Jakob hat den Segen Gottes. Und kurz bevor diese ganze Jakobsgeschichte ihrem Höhepunkt zueilt, und er wieder zurückkehrt zu seinem Bruder Esau, der ihm zürnt, da hat er den Mut: Ich will meinem zürnenden, hassenden Bruder wieder unter die Augen treten! Ich will diesen Schritt wagen, so wie wir's aus dem Zeugnis gehört haben, obwohl menschlich gesehen ich sagen muss, es ist ein Weg, der mich ins Unheil bringt. Und wie noch Gott mit ihm redet zu ihm in der Nacht in dem Ringen mit dem Engelsboten: Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn. Das ist der Segen Gottes, der ein Leben bestimmt, und ich möchte euch, ihr jungen Leute fragen, steht ihr unter diesem Segen Gottes? Dann ist es ganz unwichtig, welche Noten ihr nach Hause tragt, und wie ihr selbst eure Lebens-Chancen einschätzt, wenn Gott euch segnet, wird er euch den Weg bahnen auch in der Wüste. Es war für den sterbenden Josef nicht leicht, als er Abschied nahm von seinem Söhnen Ephraim und Manasse, aber es heißt im Hebräerbrief ausdrücklich, es war eine Tat des Glaubens, dass er sie gesegnet hat, er wusste, da kommt eine dunkle Zukunft, er ahnte sicher etwas, dass diese Feindschaft gegen diese Fremden hier in Ägypten sich so entladen wird, dass sie dann in die Zwangsarbeitslager gehen müssen, über lange Zeit hinweg, über Generationen hinweg. Und er segnete sie, weil selbst dieser Weg in den Zwangsarbeitslagern sie nicht zerbrechen kann, wenn der Segen Gottes da ist. Der Segen Gottes, der polt unser Leben um, der macht aus dem Schweren etwas Gutes, aus dem Leid Freude, der macht das neu, was uns heute bedrücken will, da wird das Leben umgeändert, aber von innen her wird’s umgeändert, weil ich den Segen Gottes habe, und damit rechne. Ihr sollt den Namen Gottes auf das Volk Israel legen, heißt es. Ich, sagt der Herr, ich will bestimmend sein im Leben dieses Volkes Israel, dieser Menschen. Ich will meine Geschichte mit ihnen machen und will selbst sie führen nach meinem Plan und nach meinem Denken. Wissen Sie, was im letzten Kapitel des Alten Testamentes steht? Dieses herrliche Kapitel aus dem Propheten Maleachi, wo Gott ein Bild wählt, das ist so groß, dass man es nie verstehen kann. Damals war die Frömmigkeit der Leute sehr kleingläubig, sie hatten gegenüber Gott ängstlich gerechnet, ob sie nicht zu kurz kommen, das war in der Zeit des Wiederaufbaus, da hat man gesagt, ach, kann man Gott so trauen und kann man wirklich alles für ihn einsetzen? Und dann sagt Gott: Wisst ihr nicht, dass ich könnte des Himmels Fenster auftun und Segen herabschütten die Fülle.
Wissen Sie, warum es in Ihrem Leben oft so arm aussieht? Warum Sie sich abstrampeln und nicht weiterkommen? Warum es gar kein Ziel gibt und keine Freude und keine Ruhe? Wenn Gott nicht den Segen auf Sie legen kann, sind Sie arm und bleiben arm in einer heillosen Welt. Gott will segnen.
Jetzt habe ich aber noch eine Frage: Wirkt das automatisch? Das ist eine große Frage mit dem Segen, ja? Wenn wir da hier am Altar unsere Konfirmanden eingesegnet haben, oder wenn es christliche Kirchen gibt, die die Praxis des Segnens haben, dass sie an Autos vorübergehen, Motorrädern, Kühen, wie es grad kommt und sie segnen, kann dann gar kein Unglück passieren? Dann braucht man keine Versicherungspolice mehr. Oder wie ist denn das, wirkt das so automatisch? Hat nicht der Segen eine magische Herkunft? Das gibt’s ja in allen Religionen; und ist das nicht so gemeint gegen den Fluch und gegen die dunklen Mächte: Dann kommen die geweihten Personen und legen ihren Segen drauf. Jetzt können sie einmal in der Bibel selbst studieren und das entdecken. Das ist ganz etwas ganz wichtiges, das im Gegensatz zu den vierblättrigen Kleeblättern, oder was sie alles haben und den Hufeisen, dass der Segen nichts mit der Magie zu tun hat. Lassen Sie bitte von allen magischen Dingern die Finger weg. Der Bileam wollte ja auch so über Israel hantieren mit seiner Fluchgabe und seiner Segensgabe. Es gibt solche Mächte in dieser Welt. Aber dann trat Gott dazwischen: Über mein Volk Israel kannst du nicht handeln wie du willst. Und das ist wichtig, dass die dunklen Mächte nicht uns bestimmen und manipulieren können, wo wir in der Hand Gottes sind. Und es gibt in der Bibel nichts Magisches, auch beim Segen, weil der Segen immer von Gottes Wollen herkommt. Ich will sie segnen, steht doch auch hier im Vers 27, ich will: Du sollst meinen Namen auf sie legen, dass ich sie segne. Es bleibt Gottes Tun allein. Heute sind manche Christen sehr umgetrieben, ob sie zu diesem oder zu jenem Heilungsevangelisten gehen sollen, weil sie sagen, das ist ja eine Not, wenn man vor den Toren der Ewigkeit steht. Aber der hat die Gabe der Heilung und wenn der die Hände auflegt, dann... Es sind doch so viele schon gesund geworden! Dann hab ich eine Chance, auch gesund zu werden. Gehen Sie bitte nicht zu solchen Menschen, die an ihre Hände magische Wirkungen knüpfen, Gehen Sie nur zu solchen Menschen, die sagen, ich kann Ihnen die Hände auflegen, aber Gott muss das tun. Wenn der sie nicht zum Glauben führt, lassen Sie die Finger davon. Wenn diese Zeichen nicht nur so gebraucht werden als Hinweis auf den Handelnden Gott, sondern wenn Menschen hier dastehen, die manipulieren können, dann hat das nichts zu tun mit dem Gott, der segnen will. Und darum ist es uns jetzt so wichtig, dass wir uns hier jetzt klar machen, was eigentlich geschieht. Gott soll behüten, er soll seine schützenden Hände drüber legen, und darum wollen wir auch bei jeder Segnung, von der in Jakobus 5 auch für Kranke sehr viel steht, immer sagen, auch wenn Gott es so beschlossen hat, dass er den Kranken heimruft zu sich, oder wenn er eine lange Leidenszeit eingeplant hat, dann wird das dennoch eine Segenszeit sein, weil wir das wissen, dass wir in Christus gesegnet sind. So wie der Segen Jesu auch in der Gestalt des Kreuzes zu uns kommt, auch im Leiden. Natürlich können wir große Wunder erwarten, aber es gibt keinen Mechanismus, der automatisch das wirken könnte. Ich hmöchte jetzt unsere Väter fragen, ob sie am Morgen des Tages das fertig bringen, das macht doch nichts aus, wenn ihre Kinder ein wenig früher aufstehen müssen. Wir wollen keinen Kult treiben um die Schlafzeit, die wir haben. Aber dass es bei Ihnen zu Hause für eine Hausandacht reicht. Sie müssen doch den Segen Gottes auf Ihre Kinder legen, im Gebet sie Gott anbefehlen. Welche Einflüsse stürmen heute auf unsere Kinder her, sobald sie draußen sind auf der Straße. Was sehen sie im Schaufenster und in Plakaten, die Geräusche, die Menschen, die auf sie einreden, Versuchungen, junge Leute, die ihnen etwas vormachen. Sie können dem doch gar nicht steuern, wenn sie ihre Kinder nicht segnen. Und da haben sie schon das Geheimnis des Segens. Es gibt tatsächlich dieses, dass Gott nicht wartet, bis der Betreffende glaubt, sondern eine Segenswirkung ausgeht, lange bevor ich es erfasse und verstehe, so wie oft von den Großeltern her Segen ausgeht auf die Enkel, die noch gar nicht gläubig sind. Weil Glaubende Menschen hier die Güte und Gnade Gottes weitergeben und dürfen und Gott sich dran hält. Das ist das Große und das Schöne, das wir hier haben, Der Herr segne dich und behüte dich, dass es niemandem nichts gelingen kann, dir Schaden zuzufügen. Selbst wenn unsere Kinder den schlimmsten und schmutzigesten Einflüssen ausgesetzt sind, das wird ihnen nichts schaden können, weil Gott behütet. So mächtig ist der Segen Gottes. Er lasse sein Angesicht leuchten über dir. Lassen Sie's mich mit einer Geschichte erzählen. Ich bin sehr froh, wenn auch Gemeindeglieder hier im Gottesdienst es erzählen, weil es dann erst deutlich wird, was das ist. Dr. Fritz Grünzweig war junger Notariatspraktikant und ein bekannter Kollege ist damals ins KZ Welsheim eingeliefert worden, weil er an einer wichtigen Stelle als Christ den Gehorsam verweigert hat im neuen System. Und Fritz Grünzweig ist es klar geworden, ich muss zur Gestapo-Leitspitze nach Berlin und muss dieses Unrecht beim Namen nennen. Und ich muss ins KZ gehen. Als Notar war das eine Auflehnung gegen den Staat. Ich darf's gleich sagen, Fritz Grünzweig hat seine Notariatslaufbahn dadurch beendet. Nicht dass Sie meinen, das müsse immer happy ausgehen, Aber bevor er dahinging und bei seinen Eltern vorbeiging, haben sie ihn gesegnet, weil das das Größte und Mächtigste ist. Jene schlichten Leute, die Christen waren, die wussten, was wichtig ist, wenn man den ungnädigen Menschen gegenübertritt, und ein junger Mensch seine Karriere riskiert. Damals war das mit dem Arbeitslosenproblem noch ein bisschen schlimmer als heute, nicht dass einer meint, das seien dann keine Probleme mehr. Und dann hat ihn Gott in das Theologiestudium geführt und der Weg war wirklich gesegnet, wer den Dienst von Fritz Grünzweig (1914-1989; lange Jahre Pfarrer in Korntal, Bibelausleger, Dr.theol. Sagte einmal: „Herr, reinige meine Motive!”) kennt. Das geht oft ganz anders, als wir meinen und verstehen, aber dass da Eltern waren, die nicht viel geredet haben, sondern die einem den Rücken gestärkt haben und die gesagt haben: Der Herr segne dich und behüte dich, er lasse sein Angesicht leuchten über dir und wenn dann die Menschen mit allem Zorn dir gegenübertreten, die Ungnade der Menschen, dann leuchtet dir die Gnade Gottes. Das haben immer wieder die Ausleger bei diesem Aaronitischen Segen das betont, dass das ja eigentlich ein Hinweis auf die Dreieinigkeit sei, das merken Sie schnell: Der behütende, schützende Schöpfergott, Jesus, der uns seine Gnade leuchten lässt in der zweiten Segensbitte, und in der dritten dann, er erhebe sein Angesicht auf dich und über dir und präge sein Wesen in dich ein. Das war gerade in dem Tersteegen-Lied in all den Versen so sprechend ausgesagt worden noch einmal: Dass uns sein Bild werd eingedrückt. (Lied EG Nr. 140 „Brunn alles Heils, dich ehren wir”, Strophe 4: Der Herr, der Tröster, ob uns schweb, sein Antlitz über uns erheb, dass uns sein Bild werd eingedrückt, und geb uns Frieden unverrückt.) Dass wir Jesusmenschen werden, in denen er wirken kann. Aber nun muss ich noch zum Schluss sie darauf aufmerksam machen, dass Sie segnen sollen. Vielleicht sind Sie auch schon einmal gestutzt, warum ich gegen die Ordnung unserer Kirche in offenbarem Ungehorsam den Segen nicht mit erhobenen Händen Ihnen erteile am Schluss des Gottesdienstes, warum ich Ihn in der Bitte und in der Wir-Form sage. Der Grund liegt nicht darin, dass ich nicht überzeugt bin, dass Gott segnet. Ich sage es den Kranken so gerne in der direkten Gegenwartsform zu. Ich habe immer wieder eine große Sorge, dass in unseren Kirchen ein Missverständnis herrscht: Dass der Mann in der schwarzen Kutte mit dem weißen Bäffchen vorn doch der Priester sei. Und das waren die Väter und die Mütter der Erweckungsbewegung, die uns das allgemeine Priestertum so wichtig gemacht haben. 1. Petrus 2, 9: Ihr seid das auserwählte Geschlecht, das königliche Priestertum, jeder gläubige Christ ist Priester in seiner Umgebung. Darum möchte ich mich mit Ihnen darunter stellen und bin überzeugt, dass dieser Segen Gottes genauso wirkt, obwohl ich manchmal es Ihnen wieder zusprechen würde, wenn ich Ihnen die Hände auflegen würde. Was bedeutet das? Wenn Sie wieder hinauskommen in eine Welt, wo Sie sagen: Ich komm nach Hause und daheim, da hängt nicht nur der Haussegen schief, da ist alles wieder los, und der Streit und der Krach und wilde Anklagen. Segnet, die euch fluchen, sie stehen unter der Macht Gottes. Praktizieren Sie das einmal still, segnen Sie die Menschen, die Ihnen so wehtun und Sie werden merken, wie diese Wirkungskraft Gottes so weit reicht, dass hier plötzlich wilde Wölfe zahm werden wie ein Lamm, und dass unsere ganze Einstellung sich wandelt. Wenn wir sagen „Grüß Gott”, dann sind das ja eigentlich auch Erinnerungen daran, dass das Segensworte waren: „Gott grüße dich! Gott sei dir nahe!” Sprechen Sie das doch anderen zu und sagen Sie, dass Gott Sie aufsuchen will und Ihnen nahekommen will. Und dann soll uns das noch erinnern, dass das Wort Segnen im griechischen und hebräischen Urtext immer eine Doppelbedeutung hat. Ich hab's Ihnen vorhin schon gesagt: Rühmen, Großmachen, Preisen. Dass, wenn Gott uns segnen will, dass wir andre segnen. Dass das weitergeht von unsrem Leben zu anderen und das das wieder ein Lobpreis wird für Gott. Dann wollen wir nicht mehr klagen über die schwierigen Umstände, in denen wir sind, und uns beschweren über die Wüstenstrecken, die wir durchschreiten müssen, sondern uns freuen, dass Gott uns nicht bloß Wünsche mitgibt, sondern sich uns ganz geben will in Jesus Christus noch einmal festgemacht, gesegnet hat mit allerlei geistlichem Segen und himmlischen Gütern, die jetzt offenstehen zum Nehmen. Dass unser ganzes Leben widerhalle und widerstrahle von diesem Segen Gottes. Dann gilt‘s uns wie Abraham es einst vernommen hat: Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein. Amen.