Predigt am
Sonntag, 16. Juni 1996
Pfr.
Winrich Scheffbuch
2. Sonntag
nach Trinitatis - 1. Korinther 9, 16-23, REIHE VI
veröffentlicht in: Zuversicht und Stärke, 1990, Heft 4, S.42ff
(Im Anschluss an diese schriftliche Form ist die Nachschrift der gehaltenen
Predigt zu lesen!)
I. Zum Verständnis des Textes
1. Die Nötigung zum Evangelisieren
Es mag viele Prediger geben, die sich ihren Beruf freiwillig gewählt haben. Bei
Paulus war das anders. Er wurde vom auferstandenen Christus berufen und genötigt,
sein Zeuge zu sein. "Es wird dir schwer sein, wider den Stachel zu
löcken!" (Apg 26,14). Das Wort vom
"Evangelisieren" ist ein typisch ntl.
Missionswort. Damit ist nicht alles und jedes im Dienst des Apostels gemeint,
sondern ganz gezielt die Predigt des Evangeliums", dass ihr euch bekehren
sollt von diesen falschen Göttern zu dem lebendigen Gott... !" (Apg 14,15). Den bei uns so wichtigen Unter- schied, als ob
die Evangelisation sich nicht an Christen, sondern vor allem an Nichtchristen
wende, gibt es im NT nicht. In der Mission wie in der Gemeinde wird dasselbe
Evangelium verkündigt. Paulus macht darin keinen Unterschied. Das verkündigte
Wort wirkt Rettung in Vollmacht.
Für den Zwang zum Evangelisieren gebraucht Paulus ein griechisches Wort, das
den Zwang des Schicksals ausdrückt. Paulus kann seinem Auftrag nicht entrinnen.
Es ist ein göttliches Muss, dem er sich nicht entziehen darf. Sonst droht ihm
Gottes Verdammnis. Man wird an Jeremia 20,9 erinnert: "Es war in meinen
Gebeinen wie ein Feuer verschlossen, und ich konnte es nicht aushalten."
So geht es bei Paulus nicht um eine innere Begeisterung, um eine Lust, sondern
um den Auftrag, den er nicht nach seinem Belieben lassen und aufgeben kann. Man
denke an die Berufung Jeremias (1,7-9) oder an die Apostel Petrus und Johannes:
"Wir können's ja nicht lassen, von dem zu reden,
was wir gesehen und gehört haben!" (Apg 4,20).
2. Gebunden und doch frei
Paulus hat sich oft als "Knecht Jesu Christi" bezeichnet. Nun benützt
er gerade auch hier beim Evangelisieren das Wort vom "Sklaven". Er
drückt damit den bedingungslosen Gehorsam seinem Herrn gegenüber aus. Es ist
nicht ein privates Hobby, dem man sich nach Lust und Laune unterzieht. Es geht
vielmehr um einen verpflichtenden Dienstauftrag. Er bezeichnet sich als einen
beauftragten Haushalter, der das Evangelium verwaltet. Es ist ihm befohlen. Es
ist ein Amtsgeschäft, das einem oft sehr hart und schwer werden kann. Der
Auftrag kann zur "Last des Herrn" werden (Sach
9,1; Hab 1,1).
Seinen freiwilligen Beitrag bringt er ein, indem er auf eine auch ihm
zustehende Entlohnung aus freien Stücken verzichtet. Er predigt das Evangelium
kostenlos, aus lauter Liebe zu seinem Herrn Jesus Christus. Freiwillig dient er
als Knecht Jesu Christi und liefert sich den Menschen aus, die er erreichen
will. Darum prägt nicht ein lästiger Zwang den Apostel, sondern die Freiheit in
Dienst und Opfer.
3. Richtige und falsche Rücksichtnahme auf Menschen
Es gibt zwei Wege, die Paulus wählen kann, um Menschen zum Glauben an Jesus
Christus zu führen. Da ist der judenchristliche Weg, der bewusst den Reichtum
des jüdischen Gesetzes zu bewahren sucht. Um der Juden willen hat Paulus
Timotheus beschnitten. Um etliche aus den Juden zu retten, wäre er sogar bereit
gewesen, sein eigenes Leben zu opfern.
Für Paulus steht aber daneben der Weg der Heiden, die ohne jüdisches Gesetz
gerecht werden, allein durch den Glauben an Jesus Christus. Leidenschaftlich
hat er sich dagegen gewehrt, dass ihnen das Joch des Gesetzes und damit der
Beschneidung auferlegt wird.
Er konnte Schwachen gegenüber schwach sein. Die Art des Zugangs zu den Menschen
kann wechseln. Das entscheidende Wunder geschieht allein durch Gottes freie
Gnade, die Menschen am Evangelium Anteil gibt. Es gibt vielfältige Methoden,
wie wir Menschen das Evangelium nahe bringen. Immer muss Gott einzelne
herausretten. Paulus selbst jagt in großer Demut diesem Ziel nach.
II. Überlegungen zur Predigt
1. Missionsdienst zwischen Lust und Frust
Viele Predigten bleiben bei dem Text leider oft nur beim professionellen
Pfarramt stehen. Das ist aber unverzeihlich. Das Evangelisieren, der Auftrag,
allen
Menschen die befreiende Nachricht von der Siegesmacht Jesu weiterzusagen, ist
allen Gläubigen, der ganzen Gemeinde, aufgetragen. Das Evangelium von Jesus ist
die wichtigste Sache, die einem Menschen für das Leben und für das Sterben
überbracht werden kann.
Praktisch spielt aber bei den Christen die Motivation eine entscheidende Rolle.
Man evangelisiert, wenn es "einem Spaß macht" oder wenn man den
Eindruck hat, dass "dies heute ankommt".
Für Paulus war es nicht entscheidend, welche Gefühle er dabei empfand. Er
spricht nie davon, dass ihm sein Dienst "Lust und Freude" bereite. Er
spricht vom Zwang, der in seiner Berufung erkennbar wurde. Weil Jesus in seiner
großen Barmherzigkeit ihm dieses Amt übertrug, wird er nicht müde.
Evangelisieren will nur, wer aus Dankbarkeit über die erlebte Rettung durch
Jesus nun dies vielen bekannt will. In diesem Dienst erlebt man viele Tiefen,
Anfechtungen, und auch Enttäuschungen. Wer so tut, als ob man dabei immer
Freude hätte, der kennt den Dienst noch wenig.
Aber Boten Jesu ordnen sich dem Dienst freiwillig unter und akzeptieren den
Zwang. Es bleibt für sie das unbegreifliche Wunder, dass sie von Jesus Christus
herausgegriffen wurden. Darum wollen sie, dass noch viele das erfahren. Jeder
ist dazu verpflichtet, ob er Zahnarzt oder Hausfrau, Prediger oder Ingenieur
ist.
Man kann es an den Rettungsaktionen illustrieren, die für Menschen gewagt
werden. Mit Blaulicht rasen die Rettungsfahrzeuge durch die Straßen. Das ist
nötig, um einen Verletzten zu bergen. Es wird z. B. viel Geld gesammelt, um ein
Kind in den USA operieren zu lassen. Für ein Menschenleben lohnt sich das. Für
Paulus lohnt sich der aufreibende und schwere Evangelisationsdienst, weil damit
Menschen für die Ewigkeit gerettet werden. Paulus war von der Liebe Jesus
überwältigt. Er wollte sich an seine Auferstehungskraft binden, weil dadurch
ein neues Leben ihm geschenkt war. Darin lag seine Bindung an den Dienst des
Evangelisierens. Das musste er nun weitersagen, weil er wusste, welche
Befreiung dadurch bei Menschen geschah. Er konnte von seinem Auftrag nicht
lassen. Er war ihm ganz ausgeliefert. Das Evangelium ist schließlich wichtiger,
als die Nachrichten im Radio oder in der Zeitung, auf die man im Notfall
verzichten kann.
2. Flexibel in den Methoden
An Paulus fällt auf, wie entschlossen eindeutig er seinen evangelistischen
Dienst versteht. Gleichzeitig ist er aber in den Methoden, wie er seinen Dienst
ausrichtet, sehr anpassungsfähig, flexibel und enorm kreativ. Die Methoden
bleiben dem Auftrag untergeordnet. Sie stehen nicht in der Mitte, sondern sind
von Jesus und der durch ihn angebotenen Rettung bestimmt. Alle Methoden haben
nur ein Ziel, etliche selig zu machen.
Das Wort des Paulus hat auch unsäglich viel Unheil angestiftet. Man hat aus dem
Evangelium heute vielerorts eine Knetmasse gemacht, die beliebig und
willkürlich verformt werden kann. Oft erinnert dies an eine Maskerade, wenn das
Evangelium jedem politischen und gesellschaftlichen Modetrend angepasst wird.
Man glaubt darin die Rechtfertigung zu finden, als ob der Mensch das Maß aller
Dinge sei, auch für das Evangelium.
Für Paulus sind das miese Tricks. Er lehnt solche Fälschungen ab (2. Kor 4,1).
Er lässt nicht die Tagesordnung der Welt, auch nicht die Schlagzeilen der
Zeitung, seine Verkündigung bestimmen. Er wollte nicht ein Chamäleon sein, das
sich einem "verkehrten Geschlecht" anbiedert. Er hängt sein
Mäntelchen nicht nach dem Wind menschlicher Zustimmung. Nie war er korrupt
geworden durch Lob und Tadel der Einflussreichen und Mächtigen. Er buhlte nicht
um die Gunst der Menschen. Nie wollte er es allen recht machen. Er wollte alle
retten.
3. Grenzen der Anpassung
Traut Paulus dem Heiligen Geist nichts zu? Doch. Nur weiß er um das Hindernis
im Dienst, das durch seine eigene Person im Wege steht. Darum hat er sich
selbst zum Knecht gemacht. So wie Jesus sich selbst entäußerte und
Knechtsgestalt annahm (Phil 2,7). Ein Jünger steht nicht über seinem Meister.
Wer Menschen gewinnen will, muss sich auf Menschen einlassen. Nur dann kann man
gehört werden, wenn man zuerst selbst sorgfältig hinhört. Bereitschaft ist
nötig, auf Menschen zuzugehen. Sich selbst kann Paulus völlig hingeben. Er
sucht nicht seine Selbstverwirklichung, sondern die Rettung der Verlorenen.
Darum hat seine Anpassungsfähigkeit nur eine völlig klare Grenze, die man bei
Paulus nun wirklich nicht übersehen kann: Es ist die Treue zum Evangelium, die
Bindung an das Gesetz Christi. Diese stand und steht auch heute nicht zur
Disposition. Wer sie preisgibt, ist ein betrügerischer Haushalter (l. Kor 4,2).
Das hat konkrete Auswirkungen auf den Dienst. Wenn Menschen gewonnen werden
sollen, dann müssen Methoden und Formen angepasst gebraucht werden. Paulus war
stolz darauf, ein Pharisäer zu sein. Gerne erinnerte er sich an die Herkunft
seiner Familie aus dem Geschlecht Benjamin. Aber als er auf dem Areopag in
Athen predigte, erinnerte nichts mehr an seine alte jüdische Herkunft.
Er beschnitt den Timotheus und unterzog sich in Jerusalem einem Gelübde. Ihm
bedeuteten alle diese Traditionen sehr viel. Und doch hat er sie alle dem einen
Ziel untergeordnet: Wenn nur Menschen selig werden!
4. Die Haltung des Knechtes
Wer wirklich Menschen erreichen will, muss sich ihnen ganz ausliefern. Allen,
auch den Snobs, den Anhängern der neuen Moral, den Zweiflern und Schwärmern.
Aber das Evangelium wird deswegen noch lange nicht verfälscht werden dürfen. Es
ist sehr bezeichnend, dass Paulus den häufig zitierten Satz eben nicht sagt:
"... den Griechen ein Grieche!" Er konnte das nicht, so wenig er dem
Lügner auch ein Lügner wurde, dem Mörder ein Mörder oder gar dem Atheisten ein
Atheist. So wenig die Kirche den Nationalsozialisten zuliebe einfach nazistisch
werden durfte, so wenig ist uns eine Verfälschung des Evangeliums heute
erlaubt.
Ein Musterbeispiel ist die Missionsansprache in Athen, wo Paulus feinfühlig mit
dem Menschen denkt, aber ohne Schonung vom Gericht spricht. Das Evangelium wäre
weder rettende noch befreiende Botschaft, wenn es nicht den Hörer verändern und
erneuern wollte. Das Evangelium will bekehren - oder es ist kraftlos.
Wir müssen uns mit den Menschen und ihren Nöten identifizieren, wenn wir ihnen
ihre Leere und geistliche Not bewusst machen wollen. Und es braucht eine sehr
demütige Art, wenn wir ihnen die Befreiung Christi zuteil werden lassen wollen.
Vielleicht aus einem schlechten Gewissen heraus benützen Prediger gerne den
Text und reden vom Recht der Bezahlung ihres Gehalts. Ich halte das für
wirklich unwichtig und nebensächlich. Es ist an der Mitte vorbei, ganz ähnlich,
wie wenn manche aus dem Text nur den Hinweis auf das Arbeitsverhältnis des
Paulus herausgreifen, um dann mit vielen Zitaten über Arbeitslosigkeit und
Recht auf Arbeit zu reden. Für Paulus war die Liebe die Mitte, mit der er
Christus verpflichtet war und sich darum ganz Menschen auslieferte. Aus Treue
zu Jesus, um des Evangeliums willen, konnte er sich Menschen sehr anpassen.
Aber er vergaß darüber nie, dass er ihnen die Befreiung Christi zu bringen
hatte.
III. Zur Predigt
Menschen für Jesus gewinnen
Michael Griffith, der frühere Leiter der Überseeischen Missionsgemeinschaft,
erzählt von einem Japaner, der in den USA in eine Familie eingeladen wurde. Er
wollte es ganz recht machen. Darum kam er eine halbe Stunde zu spät. Das ist in
Japan Sitte, um ja die Gastgeber nicht bei den Vorbereitungen zu stören. Jetzt
war es aber sehr ungeschickt, denn die Familie wollte essen. Die Hausfrau war
völlig verzweifelt, versuchte aber, sich nichts anmerken zu lassen. Das gute
Essen auf dem Herd war schon angeschmort. Bevor man sich an den Tisch setzte,
fragte der Hausherr den japanischen Gast noch, ob er kurz ins Bad wollte. Der
Japaner war überwältigt von so viel Güte. In Japan nimmt man vor jeder
festlichen Mahlzeit ein Bad. Es ist dann ein besonderes Vertrauenszeichen, wenn
der Gastgeber dafür sogar sein eigenes Badezimmer anbietet. Nach einer guten
Stunde kommt dann endlich der Japaner fröhlich, frisch gestriegelt aus dem Bad.
Die amerikanischen Gastgeber sind mit ihrer Geduld am Ende. Sie haben ja nicht
wissen können, dass ihr Gast nach japanischem Verständnis so gute Manier hat.
Wie viel schwerer ist es dann, das Evangelium Menschen zu sagen, die es
überhaupt nicht kennen! Denen es ganz fremd ist? Können die verstehen, was wir
meinen und empfinden? Soll man überhaupt denen von Jesus sagen? In unseren
Gemeinden sind viele ängstlich, zurückhaltend.
1. Das Beste niemandem vorenthalten!
Eine große Missionsbewegung ist in unseren Tagen entstanden. Aus den armen
Gemeinden der Dritten Welt sind 36 000 Missionare ausgesandt, um in fremden
Kulturen und Völkern, wo das Evangelium noch unbekannt ist, von der Erlösung
durch Jesus zu sagen. Wenn man sie fragen würde, würden sie alle sagen:
"Wir müssen. Wir können nicht anders."
Warum evangelisieren wir so wenig? Wer Jesus im Glauben erkannt hat, der wird
nichts Größeres und Wichtigeres in der Weit mehr kennen, als zu evangelisieren.
Das kann man nur von Mund zu Mund. Viele müssen erleben, wie Jesus aus
Dunkelheit" Hoffnungslosigkeit und Bindungen befreit.
Wir kennen Missionare, die große Opfer in heißen Ländern auf sich nehmen. Sie
tun das gerne, weil Gott ihnen die Last aufs Herz legte. Sie müssen andere
retten. Genau so sprach Paulus. Aber eigentlich müsste das ja bei uns allen so
sein.
Die wunderbare, befreiende Tatsache, dass Jesus Menschen aus Finsternis und
Sünde zum neuen Leben führt" steht unwandelbar fest. Da gibt es nichts
anzupassen. Jesus, der für die Schuld der Welt starb, ist auferstanden und kann
heute Menschen bekehren. Das Evangelium selbst steht nicht zur Debatte. Es geht
aber darum, wie man es den Menschen vermittelt.
Paulus "macht" sich zum Knecht. Er liefert sich Menschen aus.
Freiwillig und demütig gibt er sich ihnen zum Dienst hin. Wer heute jungen
Leuten das Evangelium sagen will, muss gut zuhören können und viel Zeit haben.
Ohne Liebe und Geduld geht es auch nicht. Wie soll man anders Knecht sein?
Der Gründer der China-Inland-Mission, Hudson Taylor, trug nach chinesischer
Sitte einen Zopf und die Landestracht. Missionare in Indien schmückten sich mit
der Brahmanenschnur, wurden Vegetarier und trugen das Kastenzeichen auf der
Stirn. Andere, etwa in Afrika, heirateten eine schwarze Frau. Doch darin lag
nicht das Entscheidende. Die einheimischen Leute sind da sehr hellhörig und
merken schnell, ob das nur eine äußerliche Kostümierung ist. Die richtige
Anpassung reicht viel tiefer. Da wird plötzlich wichtig, ob man stundenlang
reden kann, ohne auf die Uhr zu schauen. Ob man im Gedränge und Schweißgeruch
auf der Matte sitzen kann und sich nicht ekelt.
2. Ohne Opfer geht es nicht!
Zum Weitersagen des Evangeliums gehört nicht allein eine methodische
Ausbildung, sondern auch eine fortwährende Selbstverleugnung. Es geht um Liebe,
die sich in den anderen hineindenkt und mit ihm fühlt. Ob er nun krank,
depressiv oder verbittert ist.
Paulus war durch Jesus frei geworden. Er hat von ihm gelernt, auf Menschen
voller Liebe zuzugehen. Er konnte seinen Hunger vergessen, wenn jemand ihn
brauchte. Er konnte mitfühlen und empfinden wie der, der ihm gegenüber saß.
Paulus waren die jüdischen Bräuche des Gesetzes vertraut und lieb. Er war
daheim im atl. Gottesdienst. Und doch konnte er in
der Begegnung mit den Heiden das alles weglassen. Er feierte den Sonntag und
nicht mehr den Sabbat. Dabei war er fröhlich, nie gezwungen. Durch Jesus fühlte
er sich innerlich ganz frei.
Und wie hat Paulus die Brücke schlagen können zu den hellenistischen Frauen, zu
römischen Sklaven! Dazu schaute er ihnen auf den Mund und verstand, was sie um-
trieb und belastete.
Paulus hatte große Grundsätze in seinem Missionsdienst. Doch nie blieb er stur
dabei. Das Wichtigste war für ihn, Menschen für Jesus zu gewinnen. So beweglich
blieb er in Organisationsfragen und auch in den Methoden.
Oft wird das Wort zitiert: "Den Juden ein Jude und den Griechen ein
Grieche." Aber das steht ja nicht da. Paulus hätte das auch nie gekonnt,
den Griechen ein Grieche zu werden. Im damaligen hellenistischen Denken vollzog
sich eine Art, mit Göttern umzugehen, die Paulus ein Grauen war. Auch die
griechische Philosophie und das griechische Denken bereiteten ihm Not. Man
glaubte an die Macht des Guten im Menschen. Man vertraute darauf, sich aus
eigener Kraft erlösen zu können.
Das muss uns schlaflose Nächte bereiten, wie wir die vielen jungen Menschen
heute wieder mit dem Evangelium von Jesus erreichen.
3. Wenn nur einige gerettet werden!
Es geht nicht um äußerliche Großzügigkeiten. Aus einer tiefen Bindung heraus
war Paulus sehr frei. Paulus lebte im Gesetz Christi. Ihm hatte er sich
ausgeliefert. Sein Sklave und Knecht wollte er sein. Darum war er auch ganz dem
Evangelium verpflichtet. Dies konnte nicht dem Geschmack der Leute angepasst
werden.
Und darum hatte er sich ganz seinem Auftrag verschrieben, Menschen für die
Ewigkeit zu retten. Er wollte nicht bei den Leuten ankommen, sondern sie
bekehren aus der Gewalt Satans zu Jesus Christus. Wenn uns das bewegt, dann
treibt uns nicht mehr die eigene Ehre um. Dann suchen wir die Erbauung der
Gemeinde. Nichts soll uns mehr gefangen nehmen und binden.
Man hat in den letzten Jahren manchmal den Eindruck bekommen können, als ob
angesichts der riesigen bedrängenden Weltnöte die Evangelisation nebensächlich
geworden sei. Nun, dass humanitäre Hilfe wichtig sei, wird von niemand
bestritten. Sie ist dringend nötig. Niemand will die Bedeutung der
Entwicklungshilfe schmälern. Aber warum muss in den Kirchen Entwicklungshilfe
zu Lasten der Evangelisation, oft auch anstelle der Verkündigung des
Evangeliums geschehen? Schade, wenn viele durch uns abgestoßen wurden. Nur weil
wir unsere Sache so eigenmächtig vertreten haben. Dabei missionieren wir doch
nicht, um das christliche Abendland zu retten oder die Kirchenaustritte zu
stoppen. Wir haben auch nicht den Hintergedanken, andere zu bessern oder zu
erziehen. Von Jesus muss geredet werden. Wenn nur Menschen durch Jesus gerettet
werden! Heute! Wie viele haben wir zu Jesus gebracht?
IV. Zur Liturgie
Schriftlesung
Apostelgeschichte 4,13-22 oder Jeremia 20
Liedvorschläge
EG 241 Wach auf, du Geist der ersten Zeugen
263 Sonne der Gerechtigkeit
225 Komm, sag es allen weiter
Neue Lieder
Noch dringt Jesu frohe Botschaft
Wörtlich nachgeschriebene Predigt von Pfr. Winrich Scheffbuch am 16.6.1996 über
1. Korinther 9,16-23.
Die stilistischen und satzbaumäßigen Unebenheiten der
gehaltenen Predigt wurden beibehalten!
Paulus spricht hier von sich selber. Er war im Streit mit dieser Gemeinde.
Übrigens, es ist interessant dass diese Christengemeinde nicht vorbildlich war.
Es waren viele Missstände, auch die Tatsache, dass es die Zungenrede gab. Es
herrschten viele Unklarheiten in dieser Gemeinde. Paulus hat viel geklärt von
diesen Unklarheiten. Er redet hier von seinem Amt und vom Weitersagen des
Evangeliums.
Denn dass ich das Evangelium predige, dessen darf ich mich nicht rühmen; denn
ich muss es tun. Und wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht predige! Täte
ich's aus eigenem Willen, so erhielte ich Lohn. Tue ich's aber nicht aus
eigenem Willen, so ist mir doch das Amt anvertraut. Was ist denn nun mein Lohn?
Dass ich das Evangelium predige ohne Entgelt und von meinem Recht am Evangelium
nicht Gebrauch mache.
(Paulus will sagen: das ist so reichmachend, so beglückend, wenn einer versteht
, was es um unser Amt ist im Weitersagen des Evangeliums - unbezahlt und gratis
- so wird man überreich beschenkt.)
Denn obwohl ich frei bin von jedermann, habe ich doch mich selbst jedermann zum
Knecht gemacht, damit ich möglichst viele gewinne. Den Juden bin ich wie ein
Jude geworden, damit ich die Juden gewinne. Denen, die unter dem Gesetz sind,
bin ich wie einer unter dem Gesetz geworden - obwohl ich selbst nicht unter dem
Gesetz bin -, damit ich die, die unter dem Gesetz sind, gewinne.
(ist ihnen aufgefallen, dass dies gar nicht da steht: den Juden ein Jude, den
Griechen ein Grieche.)
Denen, die ohne Gesetz in dem ich wie einer ohne Gesetz geworden - obwohl ich
doch nicht ohne Gesetz bin vor Gott, sondern bin in dem Gesetz Christi -, damit
ich die, die ohne Gesetz sind, gewinne. Den Schwachen bin ich ein Schwacher
geworden, damit ich die Schwachen gewinne. Ich bin allen alles geworden, damit
ich auf alle Weise einige rette. Alles aber tue ich um des Evangeliums willen,
um an ihm teilzuhaben.
Neulich habe ich in einer Buchhandlung gestandenen und habe die
Neuerscheinungen studiert. Und da kam ich auch an den Schrank, wo oben
drüberstand: Esoterik. Da habe ich gestaunt: was wird da heute in jeder
Buchhandlung angeboten! Christliche Bücher findet man in einer normalen
Buchhandlung fast nicht mehr. Aber da war alles vertreten. Und ich habe
gedacht, die können die Bücher ja nur anbieten, wenn ein Interesse da ist. Also
da sind unzählige Menschen in der Reichweite dieser Buchhandlung, die
interessieren sich für ewigliche Dinge. Wenn ich die Bücher ansehe, muss ich
denken, das ist ja schrecklich: Von der Heilkraft der Steine. Von den Sternen,
und von Sternzeichen, von allem möglichen Unsinn. Und dann - wenn das Interesse
so groß ist, wo sind jetzt eigentlich die Christen, die auf diese heiß-hungrigen Menschen zugehen und sagen: Wir haben euch
Verlässlicheres, Gewisseres zu sagen. Übrigens, wir haben nicht nur eine Lehre
anzubieten, sondern eine Wirklichkeit, keine Magie, sondern den lebendigen
Herrn Jesus Christus, der in euer Leben tritt.
Also der Hunger nach Gott ist groß. Wer hat denn das behauptet, es sei kein
Hunger nach Gott in unserer Zeit. Menschen würden sich nicht interessieren. Wir
haben doch als Christen die beste Sache der Welt.
Was machen Unternehmungen heute für einen Aufwand, bis sie einen Bigmac, ein Pepsi-Cola den Menschen anpreisen ?
Wir, die jedoch nicht bloß eine Lehre oder eine Gedankenwelt den Menschen
anbieten, sondern Menschen den ewigen Gott, der zu jedem Menschen eine
unsichtbare Verbindung hat, der jeden Menschen geschaffen hat und schuf, den
jeder Mensch erfahren kann, - die beste Sache der Welt vertreten wir, - den
lebendigen Herrn Himmels und der Erde, dessen Wort wahr und gewiss ist.
Ich will es noch mal von der anderen Seite her sagen: Es dauert nicht mehr sehr
lange. Es ist eigentlich nur eine ganz kurze Zeitspanne, dann haben Sie alle
ihr irdisches Leben abgeschlossen. Manche von uns werden das Jahresende nicht
mehr erleben. Manche werden noch ein paar Jahre draufsetzen. Die jungen Leute
werden noch ein paar Jahrzehnte haben. Aber es wird wie im Fluge gehen. Auf
einmal ist völlig unwichtig, welche Abi-Note man hatte. Welche Karriere man
hatte. Wie reich man ist. Unsere Beziehungen, unser Haus und alles, was uns in
dieser Welt so wichtig war. Ob gesund oder krank, Zahnweh oder andere
Schmerzen. Alles wird unwichtig sein. Es wird nur eine Frage sein, wenn ich vor
dem lebendigen Gott stehe: Gibt es einen Weg, mein Leben aus dem Gericht zu
lösen. Es wäre toll, wenn man einer Beziehung hätte zudem unbestechlich
Richter, der uns durchschaut, vor dem jedes Wort, das wir hier geredet haben,
offenbar ist.
Wenn wir stehen vor jenem Throne, dann ist das wichtig, ob Sie ihr Leben mit
Gott in Ordnung gebracht haben. Das ist das Allerwichtigste.
Ich bitte sehr: heute - machen Sie in ihrem Leben klare Sache. Legen sie sich
abends nicht schlafen, bevor sie nicht mit Gott Frieden gemacht haben. Bevor
sie nicht alles geklärt haben, was nicht recht war. Wo sie gesündigt haben.
Dass sie Gott zum Freund haben und nicht zum Feind. Das ist die allerwichtigste
Sache. Und dann - und dann in der Ewigkeit: Dann wird es uns erschreckend
deutlich werden. Ich denke, es wird keiner unter uns sein, der dann nicht sagt:
Wir hätten eigentlich viel mehr Menschen noch ansprechen müssen, noch mehr vom
Ernst des Gerichtes reden müssen.
Das hat der Herr Jesus erzählt, - so erschütternd, - bei der Geschichte, bei
der es einem unter die Haut fährt, vom reichen Mann in armen Lazarus, wie der
bittet.
Ja, da muss man doch Boten schicken. Wenn es doch so gefährlich ist, wenn es
ein Gericht gibt.
Unter den Christen gibt es eine große Gleichgültigkeit in dieser Frage.
Sogar hinein bis in die bibeltreuen Kreise. Manche sagen und behaupten ganz
fest und steif, das sei alles gar nicht so schlimm, denn es gebe nochmals eine
Generalamnestie. Die Menschen wüssten dies bloß noch nicht. Gott hätte es uns
in seiner Güte noch vorenthalten
Wenn sie nur oberflächlich die Bibel einmal gelesen haben, - es genügt, sie
brauchen nur ein paar Seiten zu lesen. Dann werden sie merken, dass fast auf
jeder Seite der Bibel der unheimliche Ernst hervortritt. Man muss sein Leben
mit Gott in Ordnung bringen. Man muss sich bekehren, man muss umkehren. Solange
noch Zeit ist. Gott will heute von uns angerufen sein.
Gott will Gehorsam und keine frommen Lieder von uns. Und der will, dass wir ihm
dienen.
Und sehen Sie, das wird bei uns immer wieder vergessen und versäumt. Und wir
haben es den Freunden noch gar nicht richtig gesagt. Vielleicht sind die anderen
Leute sogar verführt, weil wir manchmal so tun, und auch so locker und leicht
alles nehmen.
Das Evangelium hat eine Dringlichkeit. Da heißt es: heute, jetzt,-
Wenn ihr seine Stimme hört.
Bring dein Leben mit Gott in Ordnung. Dies ist ein Ruf, - so steht es in der
Bibel, und Jesus hat es mit unzähligen Geschichten und Beispielgeschichten
unterstrichen. Man kann verworfen sein.
Immer wieder, - wenn ich an dieser Stelle komm, - mir wird es so schwer, dass
ich Ihnen das sagen muss, - aber ich muss es Ihnen sagen, verworfen, - das
steht oft in der Bibel: verloren, - das steht schon bei den Propheten, dass ein
Gericht über das Volk Israel geht.
Obwohl man schon viel erreicht hat bei den Leuten. Es kann dennoch sein: Bei
Gott verworfen und verloren für Gott.
Und das ist die Dringlichkeit des Evangeliums.
Und darum ist es so wichtig, dass wir merken: wir haben einen Auftrag.
Wir müssen alle vom Evangelium weitersagen. Und nicht nur, weil wir die
Menschen warnen, sondern weil wir sagen: heute ist die wunderbare Zeit, wo Gott
in seiner Güte auf uns wartet.
So habe ich sie heute begrüßt: Kommt her zu mir alle, sagt Jesus, die ihr
mühselig und beladen seid. Ich will euch erquicken.
Macht doch Ordnung, bringt es doch zu Recht. Nehmt doch die Chance wahr. Und der
will dir doch begegnen, dieser Herr, der in der Natur und in der Schöpfung
draußen alles so wunderbar gemacht hat. Und gestaltet hat. Der möchte doch
machtvoll in dein Leben in eingreifen. Und dort wirken.
Aber wir erleben immer wieder, dass dieses Weitersagen merkwürdigerweise uns
sehr schwer fällt. Es fällt nicht nur Ihnen schwer, sondern es fällt allen
schwer. Uns Theologen natürlich am allermeisten. Wir wagen uns ja überhaupt
nicht aus den geschützten Mauern heraus und wir können das ja überhaupt nicht.
Wir reden draußen vielleicht zum Sparpaket oder zu Friedensverhandlungen. Aber
das Evangelium, wo es verhandelt wird in der Welt, dort wo die Menschen leben,
denken, mit ihrem Suchen sind ?
Jetzt aber, wie macht man das eigentlich?
Viele sagen: Das ist ein Problem der Methode. Wie kann ich denn das
weitersagen. Paulus gibt uns hier ein paar Ratschläge. Ohne ein weites Herz,
ohne Liebe geht es nicht.
Und ich habe mir überlegt, mit wie vielen Menschen werden Sie in den nächsten
Tagen zusammenkommen. Also da sind ganz viele Leute, die eine große Meinung von
Ihnen haben. Wenn sie diese in den nächsten Tagen treffen, vielleicht bei der
Arbeit oder im Freundeskreis oder in Ihrem Haus, das sind sogar vielleicht
viele Menschen dabei, die Ihnen viel abnehmen, die viel auf Ihr Wort geben. Und
wenn man das alles addiert, und denkt an die Menschen, die wir treffen, also
keine große Evangelisation in Stuttgart könnte so ein weites Echo haben, also
wenn wir sagen: So in den nächsten Tagen, die vielen Kontakte die wir haben,
die rein menschlich gegebenen Kontakte, die Menschen, die uns ganz natürlich
begegnen, wollen wir nutzen, um das Evangelium weiter zu sagen.
Aber wie macht man denn das? Achten Sie mal drauf, auch wenn der Paulus hier
vom Predigen spricht, da gibt es bei uns immer ein falsches Denken. Da steht
sonst in der Bibel immer das Wort vom Zeugnis geben.
Zeugnis geben heißt ja nur, so wie ein Zeuge Zeugnis geben in einem Prozess zum
Sachverhalt. Der kann stottern, der kann mit einem Sprachfehler reden, der kann
leise reden. Das alles ist gar nicht wichtig. Es muss überzeugend und es muss
echt sein. Und es muss wahr sein.
Also das Wort muss es sein.
Aber da gibt es noch etwas Wichtiges dabei, was Paulus erwähnt: Es muss voller
Liebe sein.
Denken Sie mal an sich. Sie wollen sich selber nicht schulmeisterlich belehren
lassen. Sie wollen auf keinen hören, der sie von oben herab verdonnert.
Es ist unglücklich, dass ich heute von der Kanzel oben herab einen Monolog
halte. Dass das Unglücklichste.
Die Evangelisation ist nicht die Form, die am meisten bezweckt und bewirkt.
Vielmehr der zwischenmenschliche Kontakt von Mensch zu Mensch. Er ist die aller
wunderbarste Form, bei der die meisten Menschen zum Glauben gekommen sind in
den letzten 2000 Jahren.
Man kann dabei von Jesus lernen: Wie er auf dem Brunnenrand saß und mit der
Frau von Samarien sprach. Jesus hatte dabei nicht gesagt, so, jetzt erst einmal
den Mund halten, und ich erzähle dir etwas. Sondern Jesus hat bloß ganz
geschickt Fragen gestellt. Und die Frau ist selber drauf gekommen. Das ist das
trickreichste Geheimnis, dass man einen anderen bloß zum Nachdenken führt. Dass
man am Ende ihm bloß noch sagen muss: Ja , und hier ist Jesus, - und der wartet
auf dich.
Ich vermute, wenn sie Liebe haben zu den Menschen, und auf sie zugehen mit
Liebe, und wenn sie geduldig und barmherzig sind, werden sie eine Fülle von
Entdeckungen machen. Es wird etwas geöffnet werden.
Es ist gar nicht so, dass sie die Frucht ihres Gespräches merken. Zum Glück, -
denn sie würden nämlich stolz werden. Sie würden sich darauf etwas einbilden.
Aber das hat ja Jesus uns gesagt, dass das Weizenkorn, das ausgesetzt wird,
Frucht tragen wird. Wir sollten gar nicht so begierig sein, gleich den Halm und
die Ähre dran sehen zu wollen.
Gehen Sie hin, und das ist die machtvollste Evangelisation, gehen Sie hin!
Gehen sie hin! Sie werden Menschen finden, die verzweifelt sind, die keinen Mut
mehr haben. Sagen Sie einfach, wir haben eine Hoffnung, und wir dürfen
weitermachen. Gehen sie los und seien sie ein Zeuge des Evangeliums.
Ich habe oft entdeckt, wenn ich bei Menschen gefragt habe: Erinnern Sie sich
noch an ihre Großmutter? "Oh ", und dann brach es aus ihnen heraus,
"die hat jeden Tag in der Bibel gelesen. Die hat gebetet".
"Ja auch, warum machen Sie das jetzt nicht?"
Oft ist es so leicht, die Brücke zu schlagen, ohne dass man dabei viel tun
muss.
Aber ein Herz voller Liebe ist nötig. Und Paulus war überwältigt von der Liebe
Jesu. Und deshalb ist er den Menschen entgegen gegangen. Er hat ihnen aufs Maul
geschaut und hat ihnen zugehört. Er hat sich überlegt: Wie kann ich einem
jungen Menschen ansprechen. Wie kann ich einen hellenistisch gebildeten
Menschen ansprechen? Spreche ich einen Juden in der Synagoge an, dann muss ich
immer die richtige Wortwahl haben, damit ich das richtig mache.
Liebe ist nötig. Und das nächste: Opfer ist nötig.
Paulus sagt: Ich habe mich zum Knecht gemacht.
Passen Sie auf: Der Paulus war stolz darauf, kein Knecht der Menschen zu sein.
Niemand darf mich kommandieren. Kein Mensch hat mir etwas zu befehlen. Ein
Christenmensch ist ein freier Herr, niemandem untertan.
Aber im Weitersagen des Evangeliums, da werden wir manche Meile mit Menschen
gehen müssen. Da werden wir manche sogar um einen Dienst bitten müssen, obwohl
wir das selber machen könnten. Aber da kriegen wir den Zugang zu einem, wenn
ich ihn um einen Dienst bitte. Da werden manche plötzlich ganz freundlich.
Paulus sagt: Ich habe mich zum Knecht gemacht. Ich habe mich auf die unterste
Stufe gestellt. Ich sehe nicht von oben herab. Sondern ich bin allen alles
geworden. Es ist erstaunlich, wie anpassungsfähig Paulus war.
Er war ja von Hause aus Jude. Es war also für ihn gar keine Schwierigkeit, als Rabbinen in der Synagoge das Wort zu ergreifen.
Und genau so wusste er: Wenn ich in Athen auf dem Areopag bin, dann kann ich
nicht mit dem Alten Testament kommen. Er hat lange gesucht: Wie bekomme ich den
richtigen Einstieg? Und dann hat er die Aufschrift gefunden: "Dem
unbekannten Gott". Und er hat gedacht: "Das wird richtig." Mit
dem kann ich die griechischen Philosophen packen. Mit der heimlichen Sehnsucht.
So wie ich sie auch heute gepackt habe mit dem Thema Esoterik. Da hören mir
doch die Leute gleich zu, wenn ich von diesem Thema rede. Denn sie haben irgend
wann schon einmal davon gehört. Und diese Menschen sind enttäuscht und ihr Herz
ist leer. Da muss man doch davon reden.
Letztens hat einer gleich unten ein Haus aufgekauft für die Scientology. Und
jetzt werden junge Leute angesprochen und mitgenommen. Und das ist so eine
unmögliche Lehre - das gibt es doch nicht.
Bloß weil wir nicht vorher da waren und den Menschen das Evangelium gesagt
haben.
Also das erfordert Opfer. Da muss man Arbeit leisten.
Wer Menschen gewinnen will, der muss viele Treppen steigen.
Wissen Sie, dass Pfarrer ungern Besuche machen. Da hat jeder Angst und fragt
sich: Kommt hinter der Tür ein Drache oder ein Wolf hervor?
Und wenn man einmal anfängt, dann kommt auch Spott und Gelächter. und das tut
weh, - und da sind wir so empfindlich. Und dann haben wir so viele Misserfolge
gehabt.
Lassen Sie das doch! Wagen Sie doch Schweiß und Mühe und Opfer.
Ich denke daran, wie die großen Missionsboten, - ein Hudson Taylor hat sich
extra einen langen Haarzopf wachsen lassen, hat chinesische Kleidung angezogen.
Man wird ganz weit auf Menschen zugehen und zu hören müssen. Ganz sorgfältig
zuhören, was die meinen, um dann auch ganz konkret zu antworten. So heißt es
auch in der Bibel: Wir sollten viel hören und langsam reden. Nicht mit dem Reden
anfangen. Sondern zuerst einmal hören und dann zur rechten Zeit reden.
Und wir sollten beten um das rechte Wort. Das ist ein Opfer. Das fällt uns
nicht leicht.
Und so hat sich auch Paulus hinunter begeben: Ich werde allen alles.
Den Juden ein Jude. Und denen, die ohne Gesetz sind, kann ich auch völlig frei
sein. Da wird nicht vom Sabbat geredet. Da wird nicht von der Beschneidung
geredet. Er hat aber auch, wenn es nötig war, den Timotheus beschneiden lassen
können. Dieser war halb jüdisch, halb griechisch. Das ist auch nicht schlimm,
wenn ich dadurch einen Anstoß vermeiden kann, obwohl er sonst ganz rigoros war
- im Galaterbrief.
Paulus war enorm flexibel, wenn es darum ging, zu evangelisieren.
"Hauptsache, wenn Menschen verstehen und begreifen, was ich Ihnen
weitergeben will."
Ich will ihnen noch ein paar Beispiele erzählen:
Da ist der alte Vater Elsässer, der in Stuttgart im vorigen Jahrhundert den
CVJM gegründet hat. Da war selbstverständlich hinten drin in der Furtbachstraße
das Hallenbad, weil er den jungen Leuten von Stuttgart das Beste für den Sport
bieten wollte. Und weil er ein tolles Evangelium von Jesus hatte. Und das eine
hat das andere nicht behindert, - im Gegenteil.
Beim alten Rotkirch in Berlin hat man gesagt: Wenn
der neben einem jungen Menschen saß - spätestens mit dem zweiten Satz war er
bei er Jesus, auch wenn einer von der Straße kam. Der hat eine solche
seelsorgerliche Gabe gehabt, auf Menschen zu zugehen!
Wollen Sie überhaupt Menschen zu Jesus führen?
Oder wollen Sie sich bloß unterhalten und Vorhofgeblänkel
machen?
Das erfordert ein Opfer, dass sie manches Eigene zurückstellen. Und dann, dass
sie vorwärts gehen mit Ideen und mit Freude.
Ich denke an unsere christlichen Bäcker. Es ist doch erstaunlich, wie viel
Bibel-Leute wir unter den Bäckern haben. Ja, was war denn das?
Da waren am Anfang nur ein paar Bäcker. Die haben gesagt: Wir müssten doch
unsere Berufskollegen erreichen. Die konnten ja zu keiner anderen Versammlung
gehen, weil die vom Zeitplan her so schwierig zu erreichen waren. Da haben
diese angefangen, eine christliche Bäcker-Arbeit zu machen.
Was ist daraus entstanden, nur weil ein paar ein bisschen variabel waren?!
Oder wenn ich an die Gemeinschaftsarbeit denke, an die Jugendarbeit, - da gibt
es alle möglichen Formen, die man sich nur überhaupt denken kann! Das waren
Formen, um Menschen zu gewinnen.
Ich will doch Knecht werden! Ein Opfer bringen!
Und dann sagt Paulus: Evangelisieren macht man doch nicht aus Lust.
Wir sind heute alle viel zu lustbetont. Sondern: Ich muss!
Wenn der Paulus seine schwere Migräne hatte und er ist losgezogen und er hatte
keine Kraft. Aber er sagte: Es ist befohlen und jetzt machen wir es.
Und da legt der Herr einen Segen darauf: Wenn man loszieht für ihn.
Und noch ein Letztes: Es geht in allem darum, dass Menschen gerettet werden.
Liebe, Opfer, und dass Menschen gerettet werden.
Vor 14 Tagen haben wir davon gesprochen, dass das mit der Anpassung des
Evangeliums ein notvolles Thema ist in unsere Kirche. Dass es ja schon längst so
ist, - in vielen Kirchen werden ja schon längst Umwelttage gemacht, -
vielleicht erkennt man ja auch schon gar nicht mehr, wo hier der Unterschied zu
anderweitigen Versammlungen von Parteien liegt, wo auch an die Ökologie gedacht
wird.
Und dann gibt es ähnliche Dinge: da geht es um das Sparpaket, um politische
Fragen und Friedensfragen.
Sie müssen aufpassen: Bei Paulus finden Sie niemals das, was bei uns heute so
verbreitet ist: Wir müssen die Menschen abholen - und deshalb sagen wir gar
nichts von dem, was wichtig ist.
Ich kenne Jugendarbeiten, da hat man Jahre damit zugebracht und gesagt: Wir
wollen gar nicht vom Glauben reden und nicht von der Bibel. Sondern wir wollen
zuerst einmal die Menschen erreichen und später kommen.
Sie wissen: Das "Später" fand nie statt. Es kommt nie mehr dazu.
Das hat der Paulus nicht gemeint: Man kann nicht die Sache des Evangeliums
anpassen.
Auch heute in einer Zeit, - das wollen wir offen sagen - wo so viele so tun,
als ob es völlig wurscht sei, ob es das Evangelium oder
eine menschliche Lehre oder sonstige Vorstellungen oder gar andere Religionen
sind.
Das Evangelium war für den Paulus etwas Unverwechselbares.
und daran kann man nichts zurechtrücken. Und wenn ein Engel vom Himmel herunter
kommt: Das Evangelium kann man nicht verändern.
Das Evangelium kann man doch nicht anpassen. Das Evangelium braucht auch keine
modische Bekleidung oder Zurecht-Schnipfelei, dass
man es dem Zeitgeist der Menschen anpasst.
Das Evangelium, - das schlägt zu, das überführt Menschen, das überzeugt. Das
ist Wahrheit.
Es ist die Frage, wie ich Menschen erreiche. Wie ich das Evangelium sage, wo
ich es hineinsetze. Und das ist der kleine Unterschied, den Paulus hier so
stark betont.
Und darum ist es so wichtig: Er kann den Juden ein Jude werden. Er kann den
Juden das Alte Testament auslegen, und er kann herrlich auf Jesus Christus
hinweisen. Er kann einem Juden, der das ganze alttestamentliche Gesetz und die
Reinheitsvorschriften kennt, genauso Jesus verkündigen.
Das macht nichts aus.
Denen, die ohne Gesetz sind. Er kann auf die Schwachen zugehen, die keinen Mut
haben. Er kann auf einen gesetzesstrengen Moralisten zugehen und ihm Jesus
verkündigen. Aber dass er das Evangelium verkürzt verkündigt, das kann er
nicht. Denn nur das Evangelium rettet.
Wissen Sie, was das Evangelium ist? Da geht es jetzt nicht um Streit - welche
Kirche, welche Konfession, welche Frage der Kirchensteuer und der
Kirchenordnungen und welche Gesetze.
Ich bin immer wieder froh, wenn wir in unseren Gottesdiensten ein Stück
Freiheit betonen. Es ist gar nicht wichtig, ob einer beim Beten sitzen bleibt
oder aufsteht oder sonst etwas tut. Es geht doch nicht um die Form, sondern um
das Evangelium.
Und beim Evangelium geht es um die Rettung: Wie kann ich vor dem heiligen Gott
am Jüngsten Tag im Gericht bestehen? Nur durch das Blut Jesu Christi, das mich
rein macht von aller Sünde. Es gibt kein anderes Evangelium, als nur das eine.
Jesus, der für meine Sünden gestorben und auferweckt ist, der lebt. Das ist
eine Botschaft. Der will mir begegnen, das ist mein Herr. Dem gehöre ich im
Leben und im Sterben. Und ich will das Evangelium predigen.
Was wird das einmal eine Freude in der Ewigkeit sein, wenn Menschen kommen und
sagen: Vielen Dank, dass du damals nicht verletzt warst, als ich über dich
hergezogen bin und ich dich so verspottet und verhöhnt habe. Und du bist ganz
ruhig geblieben. Und du hast gesagt: Reg dich nicht auf. Ich will dir das
Eigentliche sage. Und du hast es mir so bezeugt, dass ich es dir glaubwürdig
abnehmen konnte. Denn ich habe gespürt, dass es bei dir von Herzen kam. Du bist
nicht herumgelaufen, wie einer, der bloß Anhänger für eine Kirche sammeln will.
Du bist herumgelaufen und hast das gesagt: Egal wo, - Hauptsache du bist ein
Kind von Jesus.
Entdecke ich ihn und seine Kraft? Darum geht es im Evangelium . Wenn ich nur
etliche selig mache.
Und jetzt denke ich noch einmal daran: Paulus setzt Maßstäbe, die gar nicht
groß sind: Wenn Sie nur drei oder vier in den nächsten Tagen zu Jesus führen
dürften. Denken Sie mal, was dann wäre. Ich bin überzeugt, Jesus will das. Er
sucht Menschen. Er wartet nur, und ist enttäuscht, dass wir so versagen. Und
dass wir so stumme Hunde sind.
Amen.