Predigten über die Bergpredigt - Teil 08/26 - "Unsere Worte"
Wolfgang Nestvogel
1995
Matthäus 5, 33-37
Es gibt Veranstaltungen, da kommt man nur rein, wenn man am Eingang eine Art Leibesvisitation über sich ergehen lässt. In manchen Fußballstadien ist das so. Da werden Sie vorher nach Waffen durchsucht. Und auch wer mit dem Flugzeug reist, muss sich und sein Gepäck durchleuchten lassen, damit er keine gefährlichen Gegenstände in die Maschine schmuggelt. Bei unserem Gottesdienst gibt es so was noch nicht. Wir sind heute alle ohne Kontrolle in die Kirche reingekommen, obwohl wir alle eine gefährliche Waffe besitzen. Die ist sehr klein; diese Waffe kann man gut verstecken; wir brauchen dafür keinen Waffenschein, aber diese Waffe kann plötzlich losgehen. Und dann ist es oft schwierig, sie wieder unter Kontrolle zu bringen. Diese Waffe ist unsere Zunge. Im Neuen Testament, im Jakobusbrief, lesen wir darüber diese offenen Worte: „So ist auch die Zunge ein kleines Glied und richtet große Dinge an. Siehe, ein kleines Feuer, welch einen Wald zündet es an. Auch die Zunge ist ein Feuer, eine Welt voll Ungerechtigkeit. und zündet die ganze Welt an. Die Zunge kann kein Mensch zähmen, das unruhige Übel voll tödlichen Gifts.“ (Jakobus 3, 5-6) Unsere Zunge ist eine Waffe. Und unsere Worte sind manchmal wie Feuer, wie Geschosse, die wir mit dieser Waffe abfeuern.
Unsere Worte, das ist das Thema heute Morgen. Im Volksmund wird die Bedeutung von Worten ja oft verharmlost: Der Worte sind genug gewechselt, nun lasst uns endlich Taten sehen. So als ob Worte völlig wirkungslos wären. Ein berühmter Politiker hat ja über seine eigenen Worte gesagt: Was interessiert mich mein dummes Geschwätz von gestern. Gott nimmt unsere Worte ernst. Und in unserer Reihe über die Bergpredigt sind wir heute an der Stelle angekommen, wo Jesus uns einem Wort-Tüv unterzieht, einer Überprüfung unseres Redens. Und ich bitte Sie, dazu den Predigttext zur Hand zu nehmen. Matthäus 5, 33-37: „Ihr habt weiter gehört, dass zu den Alten gesagt ist: «Du sollst keinen falschen Eid schwören und sollst dem Herrn deinen Eid halten.» Ich aber sage euch, dass ihr überhaupt nicht schwören sollt, weder bei dem Himmel, denn er ist Gottes Thron; noch bei der Erde, denn sie ist der Schemel seiner Füße; noch bei Jerusalem, denn sie ist die Stadt des großen Königs. Auch sollst du nicht bei deinem Haupt schwören; denn du vermagst nicht ein einziges Haar weiß oder schwarz zu machen. Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel.“
In unserer Gesellschaft gibt es manchmal eine seltsame Doppelmoral. Auf der einen Seite klagen wir zu Recht über manche Lügen und Korruption in Politik und Wirtschaft, aber andererseits im Privatbereich gelten kleine Notlügen und Unregelmäßigkeiten als ganz normal und hoffähig. Wer darauf besteht, seine Steuererklärung völlig korrekt zu machen, wird schon von Freunden als Wahrheitsapostel und weltfremd belächelt. Ein Mann, ein Wort – gilt das? Oder gilt das nur manchmal? Wie ernst nehmen wir eigentlich selbst unsere Worte? Die Bibel ist, wie immer so auch in diesem Punkt, das genaue Gegenteil von weltfremd. Die Bibel beschreibt die Realität so wie sie ist. Und sie sagt, jeder Mensch, ausnahmslos, hat die Tendenz, den Hang zur Lüge in sich. Wir müssen uns also gar nicht wundern, dass es in unserer Gesellschaft so aussieht. Schon vor ca. 2500 Jahren hat der Prophet Jeremia über die Gesellschaft seiner Zeit genau das Gleiche geschrieben. Etwa 600 v. Chr. schreibt er in Jeremia 9, 2-5: „Sie schießen mit ihren Zungen lauter Lüge und keine Wahrheit und treiben's mit Gewalt im Lande und gehen von einer Bosheit zur andern, mich aber achten sie nicht, spricht der HERR. Ein jeder hüte sich vor seinem Freunde und traue auch seinem Bruder nicht; denn ein Bruder überlistet den andern, und ein Freund verleumdet den andern. Ein Freund täuscht den andern, sie reden kein wahres Wort; sie haben sich daran gewöhnt, dass einer den andern betrügt. Sie freveln, und es ist ihnen leid umzukehren. Es ist allenthalben nichts als Trug unter ihnen, und vor lauter Trug wollen sie mich nicht kennen, spricht der HERR.“ Das ist die Welt, in der wir leben.
Und darum, wenn wir heute Morgen über unsere Worte reden, dann müssen wir zuerst mal feststellen, dass unsere Worte gefährdet sind. Das ist das Erste: Unsere Worte sind gefährdet durch Lüge. Und Jesus macht das deutlich am Beispiel des Schwurs. In Vers 33 sagte er: „Ihr habt weiter gehört, dass zu den Alten gesagt ist: «Du sollst keinen falschen Eid schwören und sollst dem Herrn deinen Eid halten.»“ So steht es im Alten Testament. Gott fordert von seinen Leuten, dass sie ihren Eid halten und keinen Meineid schwören. Was ist ein Eid? Ein Eid ist eine Versicherung, eine Beteuerung und diese Beteuerung wird dadurch bekräftigt, dass ich Gott zum Zeugen anrufe. Also, Gott ist mein Zeuge dafür, dass ich dich nicht bestohlen habe. Oder, so wahr Gott lebt, ich werde dir ein treuer Freund bleiben. Das ist ein Eid. Und warum ist ein Eid nötig? Weil es in dieser Welt Lüge gibt. Sonst brauchte man nicht zu schwören, sonst würde das normale Wort ja ausreichen. Ein Mann – ein Wort. Schon die Tatsache des Eides erinnert uns daran, dass wir in einer Welt leben, die ständig von Lüge gefährdet und angegriffen wird. Und unsere staatlichen Gerichte benutzen den Eid, um der Wahrheit so nahe wie möglich zu kommen, weil damit gerechnet wird, dass Zeugen möglicherweise die Unwahrheit sagen. Der Eid ist also sinnvoll. Gott selbst benutzt in der Bibel häufiger einen Eid, obwohl Gott ja nun über allen Zweifel an seiner Wahrhaftigkeit erhaben ist, um bestimmte Aussagen noch mal zu unterstreichen, zu bekräftigen. Abraham hat Gott beispielsweise geschworen: Ich habe bei mir selbst geschworen, spricht der HERR, dass ich dich segnen und mehren will, wie die Sterne am Himmel.
Gottes Eid! Aber im Laufe der Jahrhunderte haben nun einige trickreiche Schriftgelehrte den Eid aufgeweicht und die Wirkung des Eides in sein genaues Gegenteil verkehrt. Und damit setzt Jesus sich hier auseinander. Diese Schriftgelehrten hatten ein ganzes System von Schwurformeln entwickelt. Also nicht nur einfach die Berufung auf Gott, sondern sie hatten noch eine ganze Reihe anderer Eide erfunden. Und diese verschiedenen Eide hatten unterschiedliches Gewicht. Also, und das ist jetzt wichtig, bei bestimmten Eidformeln musste man nicht unbedingt die Wahrheit sagen. Ein Rabbi behauptete zum Beispiel, wenn man sagt, ich schwöre bei Jerusalem, dann ist man unbedingt an den Eid gebunden. Aber wenn man sagt, ich schwöre nach Jerusalem hin, dann ist das kein so verpflichtender Eid. Wir schütteln den Kopf über so viel Spitzfindigkeit, aber benutzen wir nicht auch manchmal Formulierungen, mit denen wir den Anschein von Verbindlichkeit erwecken und uns trotzdem ein Hintertürchen offenlassen? Also grundsätzlich bin ich ja gern bereit dir zu helfen, aber... Grundsätzlich, dieses kleine Wörtchen. Bei den meisten Rabbinern galt als Hauptregel: Hauptsache der Name Gottes taucht nicht auf im Eid. Wenn der Name Gottes im Eid nicht genannt wird, dann ist man nicht so streng an diesen Eid gebunden. Warum dann überhaupt schwören?, fragen Sie nun. Das wirkt besser, es verleiht den Worten mehr Nachdruck und Autorität, ohne dass man sich absolut festlegen muss, solange man nur nicht Gott in der Formel nennt. Und wir sehen, das Schwören dient hier nicht mehr der Wahrheit, sondern es dient der Verschleierung, der Halb- und Viertelwahrheit.
Und auf diese Tricks, auf dieses zwielichtige System spielt Jesus an, wenn er hier in Vers 34 sagt: „Ich aber sage euch, dass ihr überhaupt nicht schwören sollt, weder bei dem Himmel, denn er ist Gottes Thron; noch bei der Erde, denn sie ist der Schemel seiner Füße; noch bei Jerusalem, denn sie ist die Stadt des großen Königs. Auch sollst du nicht bei deinem Haupt schwören; denn du vermagst nicht ein einziges Haar weiß oder schwarz zu machen.“ Merken Sie? Jesus nennt hier auch lauter Schwüre, in denen Gottes Name nicht vorkommt. Nach Meinung der Rabbiner konnte man diese Formeln getrost verwenden, als ernsthaft dastehen und hatte im Notfall immer noch die Möglichkeit, anders zu handeln. Und das alles mit gutem Gewissen, denn die Schriftgelehrten erlaubten es ja. Und Jesus sticht nun in diesen Luftballon hinein. Jesus bringt die ganze Verlogenheit dieses Systems jetzt ans Licht und er sagt ihnen: Glaubt doch nicht, dass ihr durch ein paar sprachliche Tricks, durch ein paar geschickte Formulierungen aus der Verantwortung vor Gott rauskommt. Gott verlangt von euch immer die Wahrheit. Das achte Gebot, du sollst nicht falsch Zeugnis ablegen, das gilt immer.
Und wir sagen: Ach, eine kleine Notlüge, eine geringfügige Abweichung von der Wahrheit?! Sogar der Steuerberater hat mit den Augen gezwinkert. Da wird Gott schon nicht so eng sein. Ich glaube so sehr unterscheiden wir uns gar nicht von den Rabbinern. Auch unsere Worte sind gefährdet durch Lüge. Und Jesus deckt auf, was gespielt wird. Er sagt uns: Lügt euch doch nicht in die eigene Tasche. Gott verlangt immer die Wahrheit. Auch wenn Ihr seinen Namen verschweigt, bleibt eine Lüge eine Lüge, auch wenn Ihr nur beim Himmel schwört. Der Himmel ist immerhin Gottes Thron. Das war eine Redewendung aus dem Alten Testament, mit der man die Macht Gottes beschrieb. Und wenn Ihr nur bei der Erde schwört, die steht auch unter Gottes Kontrolle. Und Jerusalem? Das ist die Stadt des großen Königs, die Stadt Gottes, mit der er noch viel vorhat. Ja, sogar wenn Ihr nur bei eurem eigenen Kopf schwört, nicht mal dich selbst hast du in der Hand. Und das siehst du an der ganz einfachen Tatsache, dass du nicht einmal die Farbe deines Haares selbst bestimmen kannst. Vers 34: "Auch sollst du nicht bei deinem Haupt schwören; denn du vermagst nicht ein einziges Haar weiß oder schwarz zu machen.“ Du bist immer in Gottes Hand. Du stehst immer unter Gottes Gebot. Du kannst dich seiner Gegenwart niemals entziehen.
Es gibt ein Kinderlied, das manchmal so als Erziehungsknüppel missbraucht wurde. Aber dieses Kinderlied hat in der Sache eigentlich recht. Da heißt es: Pass auf kleiner Mund was du sprichst, denn der Vater im Himmel schaut herab auf dich, drum pass auf kleiner Mund was du sprichst. Das Gleiche steht in Psalm 139: Von allen Seiten, Gott, umgibst du mich und hältst deine Hand über mich. Ich kann dir nicht entfliehen. Es gibt kein Entkommen vor der Gegenwart Gottes. Halten wir das erst mal fest: Es gibt keinen Eid zweiter Klasse. Das klopft Jesus hier fest. Gott hat den Eid eingesetzt zur Bekräftigung der Wahrheit und zur Eindämmung von Lüge. Das ist eine klare Sache. Die Schriftgelehrten haben aus dem Eid eine ganze Trickkiste von Formeln gemacht. Und sie haben die Grenze verwischt zwischen wahr und unwahr, zwischen schwarz und weiß. Sie haben eine breite Grauzone geschaffen. Und unter der Hand wurde der Eid zum Handlanger der Lüge. Und darum sagt Jesus seinen Nachfolgern: Macht nicht mit bei diesem Spiel. Macht nicht mit, wenn die Lüge verharmlost und gerechtfertigt wird. Macht nicht mit, wenn man unterschiedliche Grade von Wahrheit einführt. Es ist wichtig, dass wir diesen Zusammenhang sehen.
Manche Glaubensgemeinschaften, etwa die Mennoniten oder die Quäker, haben Jesus so verstanden, dass ein Christ grundsätzlich nicht schwören darf. Und ich bin auch schon gefragt worden von jemandem, der zu einem Prozess als Zeuge geladen war: Wenn die mich dann vereidigen wollen, darf ich dann überhaupt schwören oder nicht? Nun, das ist ein Missverständnis wenn man meint, Jesus hätte hier jeglichen Eid verboten. Er wendet sich gegen den Missbrauch, er wendet sich gegen die sprachlichen Tricks. Und das sehen wir auch an einer anderen Tatsache noch, dass Jesus den Eid nicht grundsätzlich ablehnt. Jesus hat einmal selbst einen Eid geleistet. In Matthäus 26 steht das, wo der Hohenpriester ihn beschwört und sagt: Ich beschwöre dich bei dem lebendigen Gott, ich nehme dich unter Eid. Bist du der Sohn Gottes? Und Jesus antwortet mit der typischen Eidformel: Du sagst es. So ist es. Also Jesus hat selbst einen Eid geleistet. Und auch der Apostel Paulus hat die Eidesformel gebraucht, um die Wahrheit seiner Aussage zu unterstreichen. Und wenn Jesus den Eid grundsätzlich verboten hätte, hätte Paulus das bestimmt nie gewagt. Also, auch Jesus hat einen Eid gesprochen, Gott genauso. Der Zusammenhang der Bibel zeigt uns, Jesus wendet sich nur gegen den Missbrauch des Eides.
Aber er mahnt uns auch zur Vorsicht. In einer Zeit wo der Eid von so vielen falsch verwendet wird, da sollen Christen damit besonders sorgfältig umgehen und, so weit möglich, auch darauf verzichten. Lassen Sie mich das noch mal unterstreichen. Es geht Jesus hier nicht um juristische Spitzfindigkeiten. Es geht ihm nicht darum, den Eid grundsätzlich zu verbieten, sondern Jesus benutzt den Eid als ein Beispiel dafür, wie gefährdet unsere Worte sind. Wie schnell wir uns mit Halbwahrheiten zufrieden geben. Wie leicht wir unser Gegenüber durch kleine Tricks täuschen. Und wie einfach wir unser Gewissen beruhigen mit Worten wie, Notlüge oder halbe Lüge. Auch Christen sind nicht frei von dieser Gefahr. Unsere Worte sind gefährdet. Wie schnell übertreiben wir, um uns groß raus zu stellen oder um einen bestimmten – hier fehlt ein kleiner Teil – einfach daran gewöhnt haben. Da sagt ein kleiner Junge: Du Papa, ich habe einen Hund gesehen, der war so groß wie ein Elefant. Und der Vater antwortet: Also, nun laß mal. Ich habe dir doch schon hunderttausend Mal gesagt, dass du nicht immer so schamlos übertreiben sollst. Die sind beide in dieselbe Falle getappt. Der Vater hat ihm das bestimmt noch nicht hunderttausend Mal gesagt. Das ist ein harmloses Beispiel. Aber es zeigt, wie schnell wir in die Falle der Übertreibung hineintappen. Und wie schnell wir uns daran gewöhnen. Unsere Worte sind gefährdet.
Wie schnell reden wir uns raus. Da bittet uns jemand um Hilfe und wir sagen: Tut mir leid, ich hab keine Zeit. Dabei haben wir bloß keine Lust. Wie leicht brechen wir unser Wort, das wir einmal gegeben haben. Wie faul sind unsere Entschuldigungen manchmal. Ja, unsere Worte sind gefährdet durch Lüge. Aber Gott nimmt unsere Worte ernst und damit kommen wir zum Zweiten: Unsere Worte sind gefordert zu Wahrheit und Klarheit. Sehen Sie, der ganze Abschnitt drängt auf diesen Vers 37 zu. Jesus sagt: "Eure Rede aber sei ja, ja, nein, nein." Das heißt, euer Ja sei ein klares Ja. Und euer Nein sei ein klares Nein. Und dann bekräftigt Jesus: "Alles was darüber hinausgeht, ist vom Übel." Also alles was knapp links oder knapp rechts neben der Wahrheit liegt, alle krummen Touren, alle Tricks, all das zerstört. Jesus geht es hier nicht um Kürze wenn er sagt, ja, ja, nein, nein. Bin ich froh, dass es ihm nicht um Kürze geht. Jesus hat auch manchmal lange Predigten gehalten. Nein, Jesus geht es um Wahrhaftigkeit. Er sagt euer Ja sei ein echtes Ja und euer Nein sei ein echtes Nein. Wahrheit ohne Tricks. Wenn ich jemanden lobe, nur weil ich den auf meine Seite ziehen will, dann ist das gegen die Wahrheit. Oder der Chef, der von seiner Sekretärin verlangt, sie soll am Telefon sagen, er ist leider nicht da, und der Chef steht grinsend daneben. Er verleitet die Sekretärin zum Lügen und er lügt selbst. Oder der Handwerksmeister. Der Kunde bittet ihn: Ach stellen Sie die Reparatur doch als Versicherungsfall dar. Und der Handwerker spielt mit, weil er den Kunden nicht verlieren will. Und dagegen stellt Jesus sein Wort. Euer Ja sei ein ganzes Ja und euer Nein sei ein echtes Nein. Komm zurück zur Wahrheit und kehr dich ab von deinen Tricks.
Und zur Wahrheit gehört auch die Klarheit. Euer Ja sei ein Ja, das heißt, es sei ein klares Ja und euer Nein ein klares Nein. Ohne Hintergedanken, ohne Grautöne. Das ist doch nicht nur bei Politikern so, dass sie bei einigen Fragen, wo sie eigentlich Farbe bekennen müssten, also Ja oder Nein, erwidern: Wissen Sie, darauf antworte ich mit einem klaren Jein. Wie viele von diesen Jeins leisten wir uns? Oder wie oft machen wir Andeutungen, wenn wir jemanden kritisieren, wenn wir ihm etwas stecken? Da sagt es schon dieser Ausdruck: Wir stecken ihm das. Wir sagen ihm das nicht klar und offen, sondern wir stecken ihm das mal so. Für ein offenes Wort sind wir vielleicht zu feige. Und so sprechen wir durch die Blume und dabei bleibt der andere immer ein bisschen in der Schwebe. Wir können uns ja immer hinter der Blume verstecken, er kann uns nie richtig packen. Und wenn er uns dann packt können wir immer noch sagen: Ach, so hab ich es ja gar nicht gemeint. Das war nur ein Missverständnis. Jesus sagt, euer Ja sei ein klares Ja. Jesus fordert von unseren Worten Wahrheit und Klarheit.
Und wissen Sie, was er damit noch von uns fordert? Er fordert, dass wir unser Reden kontrollieren. Das fällt manchem vom Temperament her schwerer als anderen, aber auch unser Temperament lässt Jesus nicht als Entschuldigung gelten. Dafür haben es die Redefreudigen dann an anderer Stelle mit ihrem Temperament etwas leichter. Es gleicht sich alles irgendwie aus. Aber mir ist bei der Predigtvorbereitung aufgefallen, wie nachhaltig uns das Neue Testament mahnt, vorsichtig mit unseren Worten umzugehen. In Jakobus 1 heißt es zum Beispiel: "Jeder Mensch sei schnell zum Hören, langsam zum Reden und langsam zum Zorn." Wahrheit und Klarheit haben also etwas zu tun mit Behutsamkeit. Und wissen Sie, Behutsamkeit heißt nicht, dass wir um den heißen Brei herumreden sollen, sondern behutsamer Umgang bedeutet, dass ich meine Worte bewusst und verantwortlich wähle, dass ich mit gewählten Worten rede. Wie schnell lassen wir uns vom Tratsch fortreißen. Und dann reden wir schlecht über Dritte, obwohl das keinem hilft. Vielleicht ist das ein guter Test für uns. Worüber unterhalten wir uns miteinander, wenn wir uns privat treffen? Wie reden wir da über Leute, die nicht anwesend sind?
Wenn Jesus sagt, Ja sei Ja und Nein sei Nein, und alles, was darüber hinaus ist, ist von Übel, dann ist es so als ob er uns ein Sieb für Wahrhaftigkeit in die Hand drückt. Sie wissen alle was ein Küchensieb ist. Sie wissen das wahrscheinlich besser als ich. Und Jesus drückt uns nun dieses Sieb für Wahrhaftigkeit in die Hand und sagt, bevor du redest, lege alle deine Worte in dieses Sieb. Und alles was nicht wahr, nicht klar und nicht behutsam ist, das rutscht durch, wie das Wasser, mit dem man den Salat ausspült. Und was nach dieser Prüfung noch drin geblieben ist, das kannst du sagen. Und dann wird der Tratsch durch das Sieb durchfallen. Und dann wird übermäßige Ironie und sinnloses Gefrotzel durch dieses Sieb durchfallen. Die Bibel sagt nichts gegen Humor oder gegen Fröhlichkeit. Ganz im Gegenteil. Wir müssen nicht immer nur tiefgeistige oder hochgeistige Gespräche führen. Aber wie leicht kann sich auch in Freundeskreisen und vielleicht auch in Gemeindekreisen ein falscher Ton einschleichen, so dass man sich ständig nur noch stichelt, dass man sich ständig gegenseitig an die Karre fährt, dass man sich ständig über irgendjemanden lustig macht. Ist vielleicht gar nicht böse gemeint, aber es kann die Atmosphäre so kaputt machen. Auch Christen sind davor nicht unbedingt sicher. Und deshalb hat Paulus die Gemeinde in Ephesus mal gewarnt und geschrieben in Epheser 4, 29: "Lasst kein faules Geschwätz aus eurem Mund gehen, sondern redet, was gut ist, was erbaut und was notwendig ist, damit es Segen bringe denen, die es hören." Da steht im Griechischen für das faule Geschwätz das Wort, das man für faule Fische verwendet, die schon stinken. Das ist genau das Gleiche, was Jesus fordert: Wahrheit, Klarheit, Behutsamkeit.
Vielleicht fragen Sie sich: Warum ist das so wichtig? Warum nimmt Gott unsere Worte so ernst? Es gibt mindestens zwei Gründe. Der erste Grund ist die Heiligkeit Gottes. Sehen Sie, Gott ist ein heiliger Gott, ohne jede Sünde. Auch Jesus war ohne jede Sünde. Und er verlangt von uns, dass wir uns nach diesem Standard ausrichten, auch mit unseren Worten. Er verlangt von uns, dass wir seinen Maßstab anerkennen. Natürlich weiß Gott, dass wir fehlerhafte Menschen sind und das nicht perfekt schaffen, aus eigener Kraft schon gar nicht. Aber Gott verlangt, dass wir unsere Sünde bereuen, unsere Unwahrhaftigkeit, unsere Notlügen, unsere faulen Ausreden, unsere Täuschungsversuche. Wir haben oft eine viel zu harmlose Vorstellung von Gott. Wir meinen, na ja, Gott wird es schon irgendwie richten, wir sind nun mal fehlerhafte Menschen, das ist alles nicht so schlimm. Aber Gott ist ein heiliger Gott. Gott ist ein Gott, der Ehrfurcht gebietet. Und das allein ist Grund genug, unsere Worte zu prüfen, weil er es will, weil er darauf besteht.
Und dann gibt es noch einen zweiten Grund, warum Gott unsere Worte so ernst nimmt. Nur wo Wahrheit und Klarheit sind, nur da kann Vertrauen zwischen Menschen wachsen. Wo Lüge sich einschleicht, da macht sie die Gemeinschaft und das Miteinander kaputt, da sät sie Misstrauen. Wie viele Ehen sind beschädigt worden dadurch, dass die Ehepartner sich immer mal wieder angelogen haben? In wie vielen Firmen ist die Arbeitsatmosphäre vergiftet worden, weil Kollegen versucht haben, sich gegenseitig auszutricksen und über den Tisch zu ziehen? Vertrauen kann nur wachsen wo Wahrheit ist. Ich habe mal von einem Seelsorger gelesen, da wollte ihn jemand besuchen, nennen wir ihn mal Herr Meier, und der Seelsorger lädt ihn ein zu kommen. Und dann kommt der Herr Meier zu dem Seelsorger. Aber an der Haustür steht erst mal der Sohn vom Pfarrer und sagt: Mein Vater ist nicht da. Und da kommt die Stimme des Pfarrers aus dem Hintergrund: Ist schon recht. Den Herrn Meier habe ich bestellt. Der Sohn war also offensichtlich angewiesen worden, störende Besucher abzuhalten mit einer Lüge. Nach dem Motto: Der Papa ist nicht da und die Mama hat sich auch versteckt. Aber Herr Meier fragte sich natürlich: Wenn der Herr Pfarrer sogar seinen Sohn zum Lügen anhält, wie weit kann ich ihm trauen?
Und anders herum? Was ist das für ein Vorbild, für ein Rückhalt, wenn zum Beispiel Kinder an ihren Eltern sehen, die stehen zu ihrem Wort. Die würden uns nie bewusst anlügen. Wenn Kinder das an ihren Eltern sehen, dass sie versuchen, gradlinig zu leben und auch jedes Wort ernst nehmen, das sie zu den Kindern sagen und dass sie merken, dass die Eltern nicht mit ihnen spielen. Wenn Kinder das miterleben, was kann da wachsen an Vertrauen, an Sicherheit, an Persönlichkeitsstatur. Also zwei Gründe für die Wahrheit. Erstens die Heiligkeit Gottes und zweitens, nur so kann auch Vertrauen zwischen Menschen wachsen. Und so bleibt am Ende die große Frage: Wie kommen wir dahin?
Ich denke, wer sich kritisch prüft, der merkt doch, wie gefährdet unsere Worte sind. Ich habe auch bei der Predigtvorbereitung wieder gemerkt, an wie vielen Punkten ich schuldig geworden bin. Und doch werden wir von Gott gefordert zu Wahrheit und Klarheit. Wie kommen wir dahin? Jesus hat eine ganz kurze Antwort gegeben. Wenige Kapitel später, in Matthäus 12, 34. Da hat er gesagt: „Wovon das Herz voll ist, davon geht der Mund über.“ Und damit macht Jesus ein letztes deutlich: Unsere Worte werden wo geformt? In der Herzzentrale. Unsere Worte werden geformt in der Herzzentrale. Ich nenne das so, weil die Bibel das Herz als die Zentrale des Menschen versteht, von wo das ganze Leben bestimmt und gesteuert und geprägt wird. Und so werden in dieser Herzzentrale auch unsere Worte geformt. Und das heißt nun, wenn unsere Worte verändert werden sollen, wenn Sie wollen, dass Ihre Zunge gezügelt wird, dann bedarf es einer Veränderung Ihres Herzens. Dann reicht es nicht aus, dass wir mal einen Volkshochschulkurs für gutes Benehmen machen, sondern die Veränderung muss viel tiefer ansetzen. Sehen Sie, wenn wir wahr reden wollen, dann müssen wir wahr sein. Aber wie wird ein Mensch wahrhaftig?
Die Bibel sagt, es gibt nur einen Weg, wir müssen wahrhaftig werden vor Gott. Was heißt das? Das heißt wir müssen unser Leben aufdecken vor Gott. Er durchschaut uns sowieso, aber er wartet auf unser Eingeständnis. Wahrhaftig vor Gott, das heißt, Farbe bekennen vor Gott, zugeben, dass wir schuldig sind. Zugeben, dass wir seinem Maßstab nicht genügen, weder mit unseren Worten, noch mit unseren Taten. Und genau das ist unser Problem, dass wir unsere Schuld nicht einsehen wollen oder nicht einsehen können. Genau das ist unser Problem, dass wir uns ständig rausreden, dass wir uns ständig entschuldigen, dass wir genau so gute Trickkünstler sind, wie die Rabbiner damals, wenn es darum geht, uns selbst zu beruhigen. Es gibt nur einen Ort, wo wir wahrhaftig werden vor Gott. Es gibt nur einen einzigen Ort auf der ganzen Welt, wo wir unseren Zustand realistisch erkennen können. Und das ist das Kreuz von Jesus. Denn an diesem Kreuz zeigt Gott uns die Wahrheit über unser Leben. Da sagt er: Nestvogel, sieh genau hin, sieh auf dieses Kreuz. Das war nötig, weil deine Schuld so groß war. Und Nestvogel, es gab keinen anderen Weg, deine Schuld zu sühnen, als dass Gottes eigener Sohn dafür gestorben ist. Am Kreuz werden wir wahr, denn am Kreuz enthüllt uns Jesus unseren eigenen Zustand. Da sagt er, sieh hin, dass ist eigentlich dein Platz, dieses Kreuz. Wenn es nach Recht und Gesetz gegangen wäre, dann hättest du da hängen müssen. Aber weil ich dich so lieb habe, darum habe ich mich selbst an dieses Kreuz hängen lassen. Und jetzt musst du nur noch eines tun: Gib zu, dass es so ist. Werde endlich wahrhaftig! Decke deine Schuld vor mir auf! Gestehe ein, dass du mich brauchst!
Und wenn wir so wahrhaftig werden vor Jesus, wenn Sie so wahrhaftig werden vor Jesus, dann wird er ihr ganzes Leben verändern. Dann wird er Schritt für Schritt auch Ihre Worte verändern. Dann werden wir nicht einfach fröhlich weiter lügen können, ohne dass uns das etwas ausmacht. Denn unsere Worte werden geformt in der Herzzentrale. Und wovon das Herz voll ist, wovon das Herz bestimmt wird, davon geht der Mund über. Ein Herz, das von Bitterkeit vergiftet ist, wird bittere Worte auswerfen. Ein Herz, das vor Ironie und Verachtung strotzt, das wird andere mit verachtenden Worten verletzen. Wer in seinem Herzen von Stolz und Ehrsucht getrieben ist, der wird sich auch in seinen Worten ständig um sich selber drehen. Ein Herz, das von Lüge verseucht ist, das wird die Wahrheit ersticken. Aber ein Herz, das wahrhaftig geworden ist vor Jesus und darum gereinigt, gesäubert worden ist von Jesus, dieses erneuerte Herz wird auch neue Worte hervorbringen. Ein ganz neues Reden, das sich freut an der Wahrheit.
Und nun lassen Sie mich das am Schluss alles zusammenfassen mit einer Begebenheit, die ein Kollege von mir erlebt hat. Nach einem Vortrag kam ein junger Mann auf ihn zu und sagte zu ihm: „Tja, da haben Sie die Leute ja ganz schön verdummt mit ihrem Jesus. Gibt es doch alles gar nicht. Oder, können Sie mir Gott beweisen?“ Und der Kollege sagte: „Ja!“ Der junge Mann: „Was, beweisen?“ „Ja“, sagte der Kollege, „wenn Sie bereit sind ehrlich und wahrhaftig vor Gott zu werden mit Ihrem Leben. Dann wird Gott sich zu erkennen geben. Das hat er versprochen.“ Der junge Mann schaute sehr nachdenklich und dann brach es aus ihm heraus und er sagte: „Können wir irgendwo anders hingehen, in einen anderen Raum?“ Und dann erzählte er seine traurige, schmutzige Geschichte, die Geschichte einer großen Drogenkarriere. Eine Geschichte, die ihn in die Kriminalität hineintrieb, die ihn schließlich selbst zum Dealer machte. Und als das gesagt worden war, da sind die beiden dann miteinander hingekniet und da haben sie dieses ganze Leben noch mal vor Gott gebracht. Und da haben sie diese ganze Schuld noch mal vor Gott ausgesprochen und der junge Mann hat gesagt: „Herr Jesus Christus, vergib mir das alles.“ Und dann standen sie auf zusammen und der Pfarrer fragte: „Kannst du das jetzt annehmen, dass Jesus für deine Schuld gestorben ist? Und der junge Mann sagte: „Ja, ich kann es annehmen.“ Und dann betete er noch mal: „Danke Herr, dass ich jetzt zu dir gehören darf.“ Und nach dem Amen sagte er gleich: „So, und jetzt gehe ich zur Polizei. Ich werde ihnen die ganze Wahrheit sagen. Ich muss mein Leben jetzt auch vor Menschen in Ordnung bringen. Frische Luft, endlich frische Luft.“ Und dem Pfarrer wurde es mulmig und er sagte: „Überleg dir das doch.“ Aber der ließ sich nicht davon abbringen und am nächsten Tag ging er dann zur Polizei, um endlich die Wahrheit zu sagen. Und er diktierte dem Kommissar dort zwei Stunden lang Stück für Stück seine traurige, kaputte Geschichte. Aber er tat dies als ein fröhlicher Mann. Als ein Mensch, dem eine Zentnerlast von den Schultern gefallen war.
Zugegeben, dieser Mann ist ein Extremfall. Aber das Entscheidende – und halten Sie das fest – das Entscheidende hat er mit jedem anderen Christen gemeinsam. Wir brauchen dieselbe Vergebung. Auch wir müssen ehrlich werden vor Jesus. Und dann wird man das an unseren Worten hören. Sie werden sprudeln vor Wahrheit. Amen.